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»Helen und ich hatten einen Streit wegen einer Petition, die sie unterschrieben hatte«, sagte Ed, »und eins führte zum anderen. Mann, ich kann selbst nicht glauben, daß ich sie geschlagen habe.«

Er ruderte mit den Armen, um zu zeigen, wie aufgewühlt er war

- um nicht zu sagen verwirrt und beschämt. Leydecker erwiderte das Lächeln. Ralphs Gedanken kreisten wieder um die Konfrontation zwischen Ed und dem Fahrer des Pickups letzten Sommer. Ed hatte den vierschrötigen Mann einen Mörder genannt, hatte ihm sogar ins Gesicht geschlagen, und trotzdem hatte der Mann Ed am Ende fast mit Respekt angesehen. Es war fast eine Art Hypnose gewesen, und Ralph glaubte, daß er dieselbe Macht hier am Wirken sah.

»Die Sache ist nur ein wenig außer Kontrolle geraten, wollen Sie mir das damit sagen?« fragte Leydecker verständnisvoll.

»So könnte man sagen, ja.« Ed mußte mindestens fünfunddreißig sein, aber mit seinen großen Augen und der Unschuldsmiene sah er aus, als wäre er gerade alt genug, selbst ein Bier zu bestellen.

»Moment mal«, stieß Ralph hervor. »Sie können ihm nicht glauben, er ist verrückt. Und gemeingefährlich. Er hat mir gerade gesagt... «

»Das ist Mr. Roberts, richtig?« wandte sich Leydecker an McGovern und beachtete Ralph überhaupt nicht.

»Ja«, sagte McGovern, der sich für Ralph unvorstellbar wichtigtuerisch anhörte. »Das ist Ralph Roberts.«

»Hm-hmm.« Nun endlich sah Leydecker Ralph an. »Ich möchte mich in ein paar Minuten mit Ihnen unterhalten, Mr. Roberts, aber vorläufig wäre es mir lieb, wenn Sie bei Ihrem Freund dort stehenbleiben und still sein würden. Okay?«

»Aber... «

»Okay?«

Ralph stapfte wütender denn je zu der Stelle hinüber, wo McGovern stand. Was Leydecker nicht im geringsten zu stören schien. Er wandte sich an Officer Nell. »Würden Sie bitte die Musik abstellen, Chris, damit wir ungestört nachdenken können?«

»Yo.« Der uniformierte Polizist ging zu dem Gettoblaster, inspizierte die verschiedenen Knöpfe und Schalter und würgte dann die Who mitten in ihrem Stück über den blinden Pinball Wizard ab.

»Ich glaube, ich hatte echt ein bißchen zu sehr aufgedreht.« Ed sah ein wenig schafsmäßig drein. »Ein Wunder, daß sich die Nachbarn nicht beschwert haben.«

»Nun ja, das Leben geht weiter«, sagte Leydecker. Er richtete sein mildes Lächeln zu den Wolken, die über den blauen Sommerhimmel zogen.

Na großartig, dachte Ralph. Der Typ ist ja ein richtiger Will Rogers. Ed dagegen nickte, als hätte der Polizist nicht eine einzige Perle der Weisheit von sich gegeben, sondern eine ganze Kette.

Leydecker kramte in seinen Taschen und brachte ein kleines Päckchen Zahnstocher zum Vorschein. Er hielt es Ed hin, der ablehnte, dann schüttelte er selbst einen heraus und steckte ihn in den Mundwinkel. »Also«, sagte er. »Kleiner Familienstreit. Wollen Sie das damit sagen?«

Ed nickte eifrig. Er lächelte immer noch sein aufrichtiges, etwas verwirrtes Lächeln. »Eigentlich mehr eine Diskussion. Eine politische... «

»Hm-hmm, hm-hmm«, sagte Leydecker, nickte und lächelte, »aber bevor Sie fortfahren, Mr. Deepneau... «

»Ed. Bitte.«

»Bevor wir fortfahren, Mr. Deepneau, möchte ich Ihnen nur noch mitteilen, daß alles, was Sie sagen, gegen Sie verwendet werden kann - Sie wissen schon, vor Gericht. Außerdem haben Sie das Recht auf einen Anwalt.«

Eds freundliches, aber verwirrtes Lächeln - Herrje, was habe ich getan? Könnten Sie mir nicht etwas auf die Sprünge helfen? erlosch einen Augenblick. Es wurde von dem verkniffenen, argwöhnischen Ausdruck ersetzt. Ralph sah McGovern an, und die Erleichterung, die er in Bills Augen sah, spiegelte seine eigenen Gefühle. Vielleicht war Leydecker doch nicht so ein Trottel.

»Wozu, um alles in der Welt, sollte ich einen Anwalt brauchen?« fragte Ed. Er machte eine halbe Drehung und erprobte das verwirrte Lächeln an Chris Nell, der immer noch neben dem Gettoblaster auf der Verandatreppe stand.

»Ich weiß nicht, und vielleicht brauchen Sie keinen«, sagte Leydecker nach wie vor lächelnd. »Ich wollte Ihnen nur sagen, daß Sie einen haben können. Und wenn Sie sich keinen leisten können, wird Ihnen die Stadt Derry einen stellen.«

»Aber ich weiß nicht... «

Leydecker nickte und lächelte. »Schon gut, klar, wie auch immer. Aber das sind Ihre Rechte. Verstehen Sie Ihre Rechte, wie ich Sie Ihnen erklärt habe, Mr. Deepneau?«

Ed stand einen Moment völlig reglos, und seine Augen wurden wieder groß und leer. Ralph fand, er sah wie ein menschlicher Computer aus, der versucht, einen riesigen und komplizierten Input zu verarbeiten. Dann schien ihm aufzugehen, daß sein Täuschungsmanöver nicht funktionierte. Seine Schultern sackten ab. Die Leere wich einer unglücklichen Miene, die zu echt war, als daß man sie in Zweifel ziehen konnte... aber Ralph zog sie dennoch in Zweifel. Er mußte daran zweifeln; er hatte den Wahnsinn in Eds Gesicht gesehen, bevor Leydecker und Nell eingetroffen waren. Bill McGovern ebenfalls. Aber Zweifel war nicht dasselbe wie Ungläubigkeit, und Ralph vermutete, Ed bedauerte auf einer bestimmten Ebene aufrichtig, daß er Helen geschlagen hatte.

Ja, dachte er, so wie er auf einer bestimmten Ebene glaubt, daß diese Zenturions ganze Wagenladungen toter Embryos zur Müllkippe von Newport fahren. Und daß sich die Kräfte von Gut und Böse in Derry zusammenziehen, um ein Drama auszuspielen, das nur in seinem Verstand stattfindet. Nennen wir es Omen V: Am Hof des Scharlachroten Königs.

Und doch kam er nicht umhin, ein gewisses Mitgefühl für Ed Deepneau zu empfinden, der Carolyn während ihres letzten Aufenthalts im Derry Home getreulich dreimal die Woche besucht, immer Blumen mitgebracht und ihr immer einen Kuß gegeben hatte, bevor er gegangen war. Er hatte ihr diesen Abschiedskuß auch dann noch gegeben, als sie längst vom Geruch des Todes umgeben gewesen war, und Carolyn hatte nie vergessen, seine Hand zu drücken und ihm ein dankbares Lächeln zu schenken. Danke, weil du nicht vergessen hast, daß ich ein menschliches Wesen bin, hatte dieses Lächeln gesagt. Und danke, daß du mich wie eines behandelst. Das war der Ed, den Ralph als seinen Freund betrachtet hatte, und er dachte oder hoffte vielleicht nur -, daß dieser Ed immer noch da war.

»Ich bin in Schwierigkeiten, richtig?« fragte er Leydecker leise.

»Nun, mal sehen«, sagte Leydecker immer noch lächelnd. »Sie haben Ihrer Frau zwei Zähne ausgeschlagen. Sieht aus, als wäre ihr Wangenknochen gebrochen. Ich würde die Uhr meines Großvaters verwetten, daß sie eine Gehirnerschütterung hat. Dazu eine kleine Auswahl geringfügigerer Verletzungen -Platzwunden, Blutergüsse und diese komische kahle Stelle über der Schläfe. Was hatten Sie vor? Ihr die Haare vom Kopf zu reißen?«

Ed schwieg und sah mit seinen grünen Augen in Leydeckers Gesicht.

»Sie wird die Nacht unter Bewachung im Krankenhaus verbringen, weil irgendein Arschloch sie halbtot geprügelt hat, und alle scheinen sich darin einig zu sein, daß Sie dieses Arschloch waren, Mr. Deepneau. Ich sehe das Blut an Ihren Händen und das Blut auf Ihrer Brille und komme auch zum Ergebnis, daß Sie es gewesen sein müssen. Und was meinen Sie dazu? Sie scheinen ein kluger Mann zu sein. Glauben Sie, daß Sie in Schwierigkeiten sind?«

»Es tut mir sehr leid, daß ich sie geschlagen habe«, sagte Ed. »Ich wollte es nicht.«

»Hm-hmm, und wenn ich einen Vierteldollar für jedes Mal bekommen würde, wo ich das schon gehört habe, müßte ich nie wieder einen Drink von meinem Gehaltsscheck bezahlen. Ich nehme Sie fest unter dem Vorwurf der schweren Körperverletzung, Mr. Deepneau. Das Vergehen fällt unter das Gesetz des Staates Maine über Familienstreitigkeiten. Ich möchte Sie bitten, mir noch einmal zu bestätigen, daß ich Sie über Ihre Rechte auf geklärt habe.«