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»Ja«, sagte Ed mit leiser, unglücklicher Stimme. Das Lächeln -verwirrt oder sonstwie - war verschwunden.

»Wir nehmen Sie mit zum Polizeirevier und sperren Sie ein«, sagte Leydecker. »Danach dürfen Sie einen Telefonanruf tätigen und eine Kaution beantragen. Chris, bring ihn in den Wagen, ja?«

Nell näherte sich Ed. »Werden Sie Schwierigkeiten machen, Mr. Deepneau?«

»Nein«, sagte Ed mit derselben leisen Stimme, und Ralph sah eine Träne aus Eds rechtem Auge kullern. Er wischte sie geistesabwesend mit dem Handrücken weg. »Keine Schwierigkeiten.«

»Prima!« sagte Nell herzlich und ging mit ihm zu dem Streifenwagen.

Ed warf Ralph einen Blick zu, als er den Bürgersteig überquerte. »Tut mir leid, alter Junge«, sagte er, dann nahm er auf dem Rücksitz Platz. Bevor Officer Nell die Tür zuschlug, konnte Ralph sehen, daß sie innen keinen Griff hatte.

2

»Okay«, sagte Leydecker, drehte sich zu Ralph um und streckte die Hand aus. »Tut mir leid, wenn ich ein wenig schroff war, Mr. Roberts, aber manchmal können diese Leute unberechenbar sein. Besonders mache ich mir bei denen Sorgen, die ganz normal wirken, weil man nie weiß, was sie anstellen werden. John Leydecker.«

»Johnny war mein Student, als ich noch am Community College unterrichtet habe«, sagte McGovern. Nachdem Ed nun sicher in dem Streifenwagen verwahrt war, schien er fast hysterisch vor Erleichterung zu sein. »Guter Schüler. Hat eine ausgezeichnete Hausarbeit über den Kinderkreuzzug geschrieben.«

»Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte Ralph und schüttelte Leydecker die Hand. »Und keine Bange. Sie haben mich nicht vor den Kopf gestoßen.«

»Wissen Sie, es war Wahnsinn, hierherzukommen und ihm gegenüberzutreten«, sagte Leydecker fröhlich.

»Ich war stinksauer. Ich bin noch stinksauer.«

»Das kann ich verstehen. Und es ist Ihnen nichts passiert nur darauf kommt es an.«

»Nein, auf Helen kommt es an. Auf Helen und das Baby.« »Dem stimme ich zu. Erzählen Sie mir, worüber Sie und Mr. Deepneau gesprochen haben, bevor wir eingetroffen sind, Mr. Roberts... oder darf ich Sie Ralph nennen?«

»Ralph, bitte.« Er wiederholte seine Unterhaltung mit Ed und versuchte, sich kurzzufassen. McGovern, der einen Teil gehört hatte, aber nicht alles, hörte stumm und mit großen Augen zu. Jedesmal, wenn Ralph ihn ansah, wünschte er sich, Bill würde seinen Panamahut tragen. Ohne ihn sah er älter aus. Fast uralt.

»Nun, das hört sich auf jeden Fall ziemlich verschroben an, was?« bemerkte Leydecker, als Ralph fertig war.

»Was wird jetzt passieren? Kommt er ins Gefängnis? Er gehört nicht ins Gefängnis, er gehört in eine geschlossene Anstalt.«

»Wahrscheinlich schon«, stimmte Leydecker zu, »aber zwischen sollte und wird besteht ein großer Unterschied. Er wird nicht ins Gefängnis kommen, und sie werden ihn auch nicht ins Sunnyvale Sanatorium abtransportieren - so etwas passiert nur in alten Filmen. Wir können im günstigsten Fall darauf hoffen, daß das Gericht eine Therapie anordnet.«

»Aber hat Ihnen Helen denn nicht erzählt...«

»Die Dame hat uns gar nichts erzählt, und wir haben nicht versucht, sie in dem Laden zu verhören. Sie litt große Schmerzen, körperlich wie seelisch.«

»Ja, selbstverständlich«, sagte Ralph. »Dumm von mir.«

»Später bestätigt sie vielleicht das, was Sie gesagt haben... vielleicht aber auch nicht. Opfer ehelicher Gewalt neigen häufig dazu, stumm wie Austern zu werden, wissen Sie. Glücklicherweise spielt das unter dem neuen Gesetz so oder so keine Rolle. Wir haben ihn mit dem Rücken an der Wand. Sie und die junge Dame unten im Laden können Mrs. Deepneaus Zustand bestätigen, und wer sie nach eigener Aussage so zugerichtet hat. Ich kann beschwören, daß der Ehemann des Opfers Blut an den Händen hatte. Und am allerbesten, er hat die Zauberformel gesprochen: >Mann, ich kann nicht glauben, daß ich sie geschlagen habe.< Ich werde vorbeikommen wahrscheinlich morgen vormittag, wenn Ihnen das recht ist und Ihre vollständige Aussage zu Protokoll nehmen, Ralph, aber das heißt nur, ich werde die freien Stellen ausfüllen. Im Grunde genommen ist die Sache gelaufen.«

Leydecker nahm den Zahnstocher aus dem Mund, zerbrach ihn, warf ihn in den Rinnstein und holte die Packung wieder heraus. »Zahnstocher?«

»Nein, danke«, sagte Ralph mit verhaltenem Lächeln.

»Kann ich Ihnen nicht verdenken. Scheißangewohnheit, aber ich versuche, mir das Rauchen abzugewöhnen, was noch schlimmer ist. Das Problem mit Typen wie Deepneau ist, sie sind schlauer als gut für sie ist. Sie drehen durch, verletzen jemand, und dann machen sie einen Rückzieher. Wenn man nach der Explosion schnell genug da ist - wie Sie, Ralph -, dann kann man fast sehen, wie sie mit schräggelegtem Kopf dastehen, der Musik lauschen und versuchen, wieder in den Rhythmus zu kommen.«

»Genau so war es«, sagte Ralph. »Ganz genau so.«

»Es ist ein Trick, den die guten ziemlich lange durchziehen können - sie scheinen von Reue ergriffen zu sein, von ihrem eigenen Tun abgestoßen, entschlossen, es wieder gutzumachen. Sie sind überzeugend, sie sind charmant, und manchmal ist es unmöglich zu sehen, daß sie unter dem Zuckerguß vollkommen meschugge sind. Sogar Extremfälle wie Ted Bundy schaffen es manchmal jahrelang, vollkommen normal zu wirken. Zum Glück gibt es nicht viele Typen wie Ted Bundy da draußen, trotz Psychokiller-Büchern und Filmen.«

Ralph seufzte tief. »Was für ein Schlamassel.«

»Ja. Aber Sie sollten es von der guten Seite sehen, Ralph. Wir werden ihn zumindest eine Zeitlang von ihr fernhalten können. Bis zum Abend wird er mit fünfundzwanzig Dollar Kaution wieder draußen sein, aber... «

»Fünfundzwanzig Dollar?« fragte McGovern. Er hörte sich schockiert und zynisch zugleich an. »Das ist alles?«

»Jawohl«, sagte Leydecker. »Ich habe Deepneau das mit der schweren Körperverletzung an den Kopf geworfen, weil es sich furchterregend anhört, aber im Staat Maine ist es nur ungebührliches Verhalten, wenn man seine Frau verhaut.«

»Aber es gibt einen hübschen neuen Kniff in dem Gesetz«, sagte Chris Nell, der zu ihnen kam. »Wenn Deepneau Kaution will, muß er zustimmen, daß er überhaupt keinen Kontakt mit seiner Frau haben darf, bis die Sache vor Gericht geregelt worden ist - er darf das Haus nicht betreten, sie nicht auf der Straße ansprechen, sie nicht einmal anrufen. Wenn er nicht einwilligt, bleibt er im Gefängnis.«

»Angenommen, er stimmt zu und kommt dann trotzdem zurück?« fragte Ralph.

»Dann packen wir ihn am Arsch«, sagte Nell, »denn das ist ein Verbrechen... oder kann eines sein, wenn es der Bezirksanwalt auf die harte Tour wll. Wie auch immer, wer in so einem Fall gegen die Kautionsvereinbarung verstößt, verbringt normalerweise mehr als nur einen Nachmittag im Gefängnis.«

»Und hoffentlich ist die Frau, der zuliebe er diese Vereinbarung bricht, noch am Leben, bis es zur Verhandlung kommt«, sagte McGovern.

»Ja«, sagte Leydecker resigniert. »Das ist manchmal das Problem.«

Ralph ging nach Hause und sah etwa eine Stunde nicht in den Fernseher, sondern durch ihn hindurch. Während einer Werbepause stand er auf und suchte im Kühlschrank nach einer kalten Cola, taumelte und mußte sich an einer Wand abstützen. Er zitterte am ganzen Körper und verspürte einen unangenehmen Brechreiz im Hals. Ihm war klar, es handelte sich lediglich um eine verspätete Reaktion, aber der Schwächeanfall und die Übelkeit machten ihm trotzdem Angst.

Er setzte sich wieder, holte eine Minute mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen tief Luft, stand auf und ging langsam ins Bad. Er füllte die Wanne mit warmem Wasser und legte sich hinein, bis er im Femseher im Wohnzimmer Night Court hörte, die erste der nachmittäglichen Fernsehkomödien, die anfing. Inzwischen war das Wasser in der Wanne fast kalt geworden, und Ralph war froh, daß er aufstehen konnte. Er trocknete sich ab, zog frische Sachen an und entschied, daß eine leichte Mahlzeit zumindest im Bereich des Möglichen lag. Er rief nach unten, weil er dachte, McGovern würde ihm vielleicht gerne auf einen Happen Gesellschaft leisten, aber er bekam keine Antwort.