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Ralph stellte Wasser auf, um Eier zu kochen, und rief vom Telefon neben dem Herd das Derry Home Hospital an. Sein Anruf wurde zu einer Frau in der Aufnahme durchgestellt, die im Computer nachsah und ihm versicherte, ja, ganz recht, Helen Deepneau sei eingeliefert worden. Ihr Zustand wurde als stabil beschrieben. Nein, sie hätte keine Ahnung, wer sich um Mrs. Deepneaus Baby kümmere; sie wüßte nur, daß sie eine Natalie Deepneau nicht in der Liste der aufgenommenen Patienten hätte. Nein, Ralph könnte Mrs. Deepneau heute abend nicht besuchen, weil der Arzt eine Besuchersperre verhängt hätte; Mrs. Deepneau selbst hätte darauf bestanden.

Warum sollte sie das tun? wollte Ralph fragen, ließ es aber bleiben. Wahrscheinlich würde die Frau in der Aufnahme ihm sagen, daß sie diese Information nicht im Computer hätte, aber Ralph entschied, daß er sie in seinem Computer hätte, in dem zwischen seinen beiden Ohren. Helen wollte keine Besucher, weil sie sich schämte. Was geschehen war, war nicht ihre Schuld, aber Ralph bezweifelte, ob das etwas an ihrer Einstellung geändert haben würde. Sie war von der halben Harris Avenue gesehen worden, wie sie herumgetaumelt war wie ein übel zusammengeschlagener Boxer, nachdem der Ringrichter den Kampf unterbrochen hatte, sie war im Notarztwagen ins Krankenhaus gefahren worden, und ihr Mann der Vater ihrer Tochter - war dafür verantwortlich. Ralph hoffte, sie würden ihr etwas geben, das ihr half, die Nacht durchzuschlafen; er hatte eine Ahnung, daß am Morgen alles etwas besser aussehen würde. Weiß Gott, viel schlimmer konnte es nicht mehr aussehen.

Verdammt, ich wünschte, jemand würde mir etwas geben, das mir hilft, die Nacht durchzuschlafen, dachte er.

Dann geh zu Dr. Litchfield, Idiot, sagte ein anderer Teil seines Verstands sofort.

Die Frau in der Aufnahme fragte Ralph, ob sie noch etwas für ihn tun könne. Ralph sagte nein und wollte sich gerade bedanken, als es in der Leitung klickte.

»Nett«, sagte Ralph. »Wirklich nett.« Er legte selbst auf, holte sich einen Eßlöffel und ließ die Eier behutsam ins Wasser gleiten. Zehn Minuten später setzte er sich hin, und die gekochten Eier rutschten auf dem Teller herum wie die größten Perlen der Welt, als das Telefon läutete. Er stellte sein Essen auf den Tisch und nahm den Hörer ab. »Hallo?«

Schweigen, nur das Geräusch von Atemzügen.

»Hallo?« wiederholte Ralph.

Ein weiterer Atemzug, diesmal fast so laut wie ein ersticktes Schluchzen, dann wieder ein Klicken in der Leitung. Ralph legte den Hörer auf und sah das Telefon einen Moment an; seine finstere Miene grub drei aufsteigende Wellenlinien in seine Stirn.

»Komm schon, Helen«, sagte er. »Ruf mich zurück. Bitte.« Dann kehrte er zum Tisch zurück, setzte sich und nahm seine kleine Junggesellenmahlzeit ein.

Fünfzehn Minuten später spülte er das Geschirr, als das Telefon wieder läutete. Das ist sie nicht, dachte er, wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und warf es sich über die Schulter, als er zum Telefon ging. Das kann sie unmöglich sein.

Wahrscheinlich Lois oder Bill. Aber ein anderer Teil von ihm wußte es besser.

»Hi, Ralph.«

»Hallo, Helen.«

»Das war ich vor ein paar Minuten.«Ihre Stimme klang heiser, als hätte sie getrunken oder geweint, und Ralph glaubte nicht, daß sie im Krankenhaus Alkohol duldeten.

»Ich dachte es mir.«

»Ich habe deine Stimme gehört und ich... ich konnte nicht...« »Schon gut. Ich verstehe.«

»Wirklich?« Sie stieß ein langes, feuchtes Schniefen aus.

»Ich glaube ja.«

»Die Schwester war hier und hat mir eine Schmerztablette gegeben. Die kann ich echt gebrauchen - mein Gesicht tut weh. Aber ich wollte sie nicht nehmen, bevor ich dich angerufen und dir gesagt habe, was ich sagen muß. Schmerzen sind beschissen, aber ein ausgezeichneter Ansporn.«

»Helen, du mußt gar nichts sagen.« Aber er fürchtete, daß sie es doch mußte, und er hatte Angst davor, was es sein könnte... er hatte Angst, er würde herausfinden, daß sie wütend auf ihn war, weil sie auf Ed nicht wütend sein konnte.

»Doch, das muß ich. Ich muß mich bei dir bedanken.«

Ralph lehnte sich an den Türrahmen und machte einen Moment die Augen zu. Er war erleichtert, wußte aber nicht, wie er antworten sollte. Er hatte mit seiner ruhigsten Stimme sagen wollen: Tut mir leid, Helen, daß du so denkst, so sicher war er gewesen, daß sie ihn als erstes fragen würde, warum er sich nicht um seine eigenen Angelegenheiten kümmerte.

Und als hätte sie seine Gedanken gelesen und wollte ihn wissen lassen, daß er nicht völlig danebenlag, sagte Helen : »Den größten Teil der Fahrt und hier in der Notaufnahme, und die erste Stunde hier im Zimmer war ich schrecklich wütend auf dich. Ich habe Candy Shoemaker angerufen, meine Freundin von der Kansas Street, und die ist hergekommen und hat Nat geholt. Sie behält sie die Nacht über bei sich. Sie wollte wissen, was passiert ist, aber ich habe es ihr nicht gesagt. Ich wollte nur hier liegen und wütend auf dich sein, weil du 911 angerufen hast, obwohl ich es dir verboten hatte.«

»Helen...«

»Laß mich ausreden, damit ich meine Tablette nehmen und schlafen kann, okay?«

»Okay.«

»Kurz nachdem Candy mit dem Baby gegangen war - Nat hat Gott sei Dank nicht geweint, ich weiß nicht, wie ich damit fertiggeworden wäre -, kam eine Frau herein. Zuerst dachte ich, sie müßte im falschen Zimmer sein, weil ich sie nicht von Eve kannte, und als mir endlich in den Kopf ging, daß sie mich sehen wollte, sagte ich ihr, daß ich keine Besucher wünschte. Sie hörte nicht auf mich. Sie machte die Tür zu und hob den Rock, damit ich ihren linken Schenkel sehen konnte. Eine tiefe Narbe verlief daran entlang, fast ganz von der Hüfte bis zum Knie.

Sie sagte, ihr Name sei Gretchen Tillbury, sie sei Beraterin für mißhandelte Ehefrauen bei Woman-Care, und ihr Mann habe ihr 1978 mit einem Küchenmesser das Bein aufgeschlitzt. Sie sagte, wenn der Mann aus der Wohnung unter ihr keinen Druckverband angelegt hätte, wäre sie verblutet. Ich sagte ihr, das täte mir sehr leid, ich wollte aber erst über meine eigene Situation sprechen, wenn ich Gelegenheit gehabt hätte, darüber nachzudenken.« Nach einer Pause fuhr Helen fort: »Aber weißt du, das war eine Lüge. Ich hatte genügend Zeit gehabt, darüber nachzudenken, denn Ed hatte mich zum erstenmal vor zwei Jahren geschlagen, lange bevor ich mit Nat schwanger wurde.

Ich habe es einfach... verdrängt.«

»Ich verstehe, daß man das tun kann«, sagte Ralph.

»Diese Frau... nun, sie müssen Leuten wie ihr Unterricht geben, wie man die Abwehrhaltung anderer überwindet.«

Ralph lächelte. »Ich glaube, darin besteht ihre halbe Ausbildung.«

»Sie sagte, ich könnte es nicht hinausschieben, ich befände mich in einer schlechten Lage und müßte mich auf der Stelle damit auseinandersetzen. Ich sagte, was immer ich tun würde, ich müßte es nicht vorher mit ihr besprechen oder mir ihren Mist anhören, nur weil ihr Mann sie einmal geschnitten hatte. Ich hätte fast gesagt, daß er es wahrscheinlich getan hatte, weil sie nicht aufhörte zu reden und ihn in Frieden ließ, kannst du dir das vorstellen? Aber ich war echt sauer, Ralph. Verletzt... verwirrt... beschämt... aber zum größten Teil einfach wütend.«

»Ich glaube, das ist eine ziemlich normale Reaktion.«