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»Herrgott«, sagte Ralph. »Das ist zynisch.«

McGovern zuckte die Achseln. »Die meisten pensionierten Lehrer sind zynisch, Ralph. Wir sehen sie kommen, so jung und stark, so überzeugt, daß es bei ihnen anders sein wird, und wir sehen, wie sie ihren eigenen Mist bauen und dann darin herumkrabbeln, genau wie ihre Eltern und Großeltern. Ich glaube, Helen wird zu ihm zurückkehren, Ed wird sich eine Weile zusammenreißen, und dann wird er sie wieder verprügeln, und sie wird wieder weggehen. Wie in einem dieser kitschigen Westernsongs in der Musicbox draußen im Nicky's Lunch, und manche Leute müssen so einen Song eine lange, lange Zeit anhören, bis sie zu dem Ergebnis kommen, daß sie ihn nicht mehr hören wollen. Aber Helen ist eine kluge junge Frau. Ich glaube, mehr als eine Strophe braucht sie nicht mehr.«

»Mehr als eine Strophe bekommt sie vielleicht auch nicht mehr«, sagte Ralph leise. »Wir reden hier nicht von einem betrunkenen Ehemann, der seiner Frau eine runterhaut, weil er seinen Lohnscheck beim Pokern verloren hat und sie es gewagt hat, deswegen zu keifen.«

»Ich weiß«, sagte McGovern, »aber du hast mich nach meiner Meinung gefragt, und ich habe sie dir gesagt. Ich glaube, Helen braucht noch eine Strophe aus der Musicbox, bevor sie es fertigbringt und Schluß macht. Und selbst dann werden sie einander manchmal über den Weg laufen. Dies ist nach wie vor eine ziemlich kleine Stadt.« Er verstummte und sah blinzelnd die Straße hinab. »Oh, sieh mal«, sagte er und zog die linke Braue hoch. »Unsere Lois. Sie wandelt in Schönheit, wie die Nacht.«

Ralph warf ihm einen ungeduldigen Blick zu, aber McGovern bemerkte ihn entweder nicht oder wollte ihn nicht bemerken. Er stand auf und griff mit den Fingern wieder an die Stelle, wo der Panama sitzen sollte, dann ging er die Stufen hinunter, um sie vor dem Haus zu empfangen.

»Lois!« rief McGovern, sank vor ihr auf ein Knie und breitete theatralisch die Arme aus. »Wäre unser beider Leben doch durch das Sternenband der Liebe verknüpft! Verknüpfe dein Schicksal mit meinem und laß dich im goldenen Wagen meiner Leidenschaft in andere Breiten hinforttragen!«

»Herrje, sprichst du von Flitterwochen oder von einer Nacht?« fragte Lois und lächelte unsicher.

Ralph stieß McGovern in den Rücken. »Steh auf, du Narr«, sagte er und nahm Lois die kleine Tüte ab. Er sah hinein und fand drei Dosen Bier.

McGovern stand auf. »Entschuldige, Lois«, sagte er. »Es lag am Licht der Abenddämmerung und deiner Schönheit. Mit anderen Worten, ich plädiere auf vorübergehende Unzurechnungsfähigkeit.«

Lois lächelte ihm zu, dann wandte sie sich an Ralph. »Ich habe gerade gehört, was passiert ist«, sagte sie, »und da bin ich so schnell ich konnte hergekommen. Ich war den ganzen Nachmittag in Ludlow und hab mit den Mädchen gepokert.« Ralph mußte McGovern nicht ansehen, um zu wissen, daß dessen linke Augenbraue - die sagte: Mit den Mädchen gepokert! Wie wunderbar, typisch, ganz unsere Lois! - bis zum Anschlag in die Höhe gezogen sein würde. »Geht es Helen einigermaßen?«

»Ja«, sagte Ralph. »Vielleicht nicht unbedingt gut - sie behalten sie über Nacht im Krankenhaus -, aber sie ist nicht in Lebensgefahr oder so.«

»Und das Baby?«

»Ausgezeichnet. Ist bei einer Freundin von Helen.«

»Na gut, kommt auf die Veranda, ihr beiden, und erzählt mir alles darüber.« Sie hakte sich mit einem Arm bei McGovern und mit dem anderen bei Ralph unter und ging mit ihnen zurück. Und so stiegen sie die Stufen hinauf, wie zwei in die Jahre gekommene Musketiere, die die Dame, um deren Gunst sie in ihrer Jugend gebuhlt hatten, wohlbehalten zwischen sich führten, und als sich Lois auf den Schaukelstuhl setzte, gingen in der Harris Avenue die Lampen an und leuchteten in der Dämmerung wie eine doppelte Perlenkette.

Ralph schlief in dieser Nacht ein, als sein Kopf noch nicht einmal richtig auf dem Bässen lag, und am Freitag morgen wachte er pünktlich um 3:30 Uhr wieder auf. Er wußte sofort, daß es keinen Zweck haben würde, noch einmal einschlafen zu wollen; ebenso gut konnte er sich gleich in den Ohrensessel am Fenster setzen.

Er blieb aber noch einen Moment liegen, sah in die Dunkelheit und versuchte, sich an den Traum zu erinnern, den er gehabt hatte. Es gelang ihm nicht. Er erinnerte sich nur, daß Ed darin vorgekommen war... und Helen... und Rosalie, die Hündin, die er manchmal durch die Harris Avenue hinken sah, bevor Pat, der Zeitungsjunge, kam.

Dorrance kam auch darin vor. Dorrance Marstellar. Vergiß den nicht.

Ja, richtig. Und als wäre ein Schlüssel im Schloß gedreht worden, erinnerte sich Ralph plötzlich an die seltsame Bemerkung von Dorrance, als Ed sich letztes Jahr mit dem vierschrötigen Mann gestritten hatte... woran er sich heute abend nicht hatte erinnern können, als McGovern den Namen des alten Mannes erwähnt hatte.

Er hatte Ed aufhalten wollen und ihn so lange an die eingedrückte Haube seines Autos gedrückt, bis er sich wieder beruhigt hatte, und Dorrance hatte gesagt,

(Ich würde das nicht tun) daß Ralph ihn nicht anfassen sollte.

»Er sagte, daß er meine Hände nicht mehr sehen könnte«, murmelte Ralph und schwang die Füße aus dem Bett. »Das war es.«

Er blieb noch eine Weile sitzen, hielt den Kopf gesenkt und die Finger zwischen den Schenkeln gefaltet, und sein Haar stand zerzaust in die Höhe. Schließlich stand er auf und schlurfte ins Wohnzimmer. Es wurde Zeit, auf den Sonnenaufgang zu warten.

Kapitel 4

Obwohl sich Zyniker immer plausibler als die blauäugigen Optimisten dieser Welt anhörten, irrten sie sich nach Ralphs Erfahrung zumindest in fünfzig Prozent aller Fälle, und er freute sich, daß McGovern sich hinsichtlich Helen Deepneau geirrt hatte - in ihrem Fall schien eine Strophe des »Heartbreak-Prügel-Blues« auszureichen.

Am Mittwoch der darauffolgenden Woche, als Ralph sich gerade überlegt hatte, daß es besser wäre, die Frau aufzuspüren, von der Helen im Krankenhaus gesprochen hatte (Tillbury, ihr Name war Gretchen Tillbury), um sich zu vergewissern, daß mit Helen alles in Ordnung war, bekam er einen Brief von ihr. Der Absender war schlicht - nur Helen und Nat, High Ridge -, aber er reichte aus, Ralph sichtlich zu erleichtern. Er setzte sich in seinen Sessel auf der Veranda, riß das Ende des Umschlags auf und schüttelte zwei Blätter heraus, die mit Helens schräger Handschrift vollgeschrieben waren.

»Lieber Ralph«, begann der Brief, »ich nehme an, inzwischen mußt Du denken, daß ich doch wütend auf Dich bin, aber das bin ich wirklich nicht. Es ist nur so, daß wir die ersten paar Tage mit niemand Verbindung aufnehmen sollen weder telefonisch noch brieflich. Hausvorschriften. Es gefällt nur hier ausgezeichnet, und Nat ebenfalls. Logisch - es sind mindestens sechs Kinder in ihrem Alter hier, mit denen sie herumkrabbeln kann. Was mich betrifft, ich habe hier mehr Frauen kennengelernt, die wissen, was ich durchgemacht habe, als ich mir je hätte träumen lassen. Ich meine, man sieht die Fernsehsendungen - Oprah im Gespräch mit Frauen, die Männer lieben, die sie als Punchingbälle gebrauchen -, aber wenn es einem selbst passiert, dann nimmt man immer an, es passierte auf eine Weise wie keiner anderen vorher, auf eine Weise, die brandneu auf der Welt ist. Die Erleichterung darüber, daß das nicht stimmt, war das Beste, das mir seit langer, langer Zeit widerfahren ist... «

Sie erzählte von den Aufgaben, die sie übertragen bekommen hatte - Gartenarbeit, Mithilfe beim Streichen eines Geräteschuppens, die Sturmläden mit Essig und Wasser abwaschen -, und von Nats Abenteuern beim Laufenlernen. Der Rest des Briefes handelte davon, was passiert war und was sie unternehmen wollte, und da spürte Ralph zum erstenmal die emotionale Aufgewühltheit, die Helen empfinden mußte, ihre Angst vor der Zukunft und, als Gegengewicht zu dem allen, die feste Entschlossenheit, das Richtige für Nat zu tun... und für sich selbst auch. Helen schien gerade herauszufinden, daß sie auch ein Anrecht auf das Richtige hatte. Ralph war froh, daß sie das herausgefunden hatte, aber traurig, wenn er an die finstere Zeit dachte, die sie hatte durchmachen müssen, um zu dieser simplen Einsicht zu kommen.