Выбрать главу

Das ist er, Leute - mein letzter Versuch. Danach bleibt nur Dr. Litchfield, und wenn der vorschlägt, Honigwaben zu lutschen oder Kamillentee zu trinken, werde ich wahrscheinlich durchdrehen, und beide Sprechstundenhilfen und die Sekretärin werden nötig sein, mich von ihm runterzuziehen.

SCHLAFMITTEL, stand auf dem Schild dieses Abschnitts von Gang 3.

Ralph, der nie besonders viel Medikamente eingenommen hatte (andernfalls wäre er zweifellos schon viel früher hier gelandet), wußte nicht genau, was er erwartete, aber ganz sicher nicht diese hemmungslose, fast unanständige Produktvielfalt. Sein Blick schweifte über Verpackungen (die meisten in beruhigendem Dunkelblau), deren Aufschriften er las. Die meisten Namen waren seltsam und irgendwie geheimnisvolclass="underline" Compoz, Nytol, Sleepinal, Z-Power, Sominex, Sleepinex, Drow-Zee. Es gab sogar eine No-name-Marke.

Das kann nicht dein Ernst sein, dachte er. Nichts davon wird dir helfen. Es wird Zeit, daß du aufhörst, Mist zu bauen, weißt du das nicht? Wenn man anfängt, bunte Fußspuren auf dem Bürgersteig zu sehen, wird es höchste Zeit, mit dem Herumalbern aufzuhören und einen Arzt aufzusuchen.

Aber unmittelbar danach hörte er Dr. Litchfield, hörte ihn so deutlich, als wäre in seinem Kopf ein Tonband eingeschaltet worden: Ihre Frau leidet an nervösen Kopfschmerzen, Ralph unangenehm und schmerzhaft, aber nicht lebensgefährlich. Ich glaube, wir werden das Problem in den Griff bekommen.

Unangenehm und schmerzhaft, aber nicht lebensgefährlich - ja, richtig, das hatte der Mann gesagt. Und dann hatte er nach seinem Rezeptblock gegriffen und das Rezept für die ersten nutzlosen Tabletten ausgeschrieben, während winzige Klumpen fremder Zellen in Carolyns Kopf weiterhin ihre Mikrosalven der Zerstörung ausgesandt hatten, und vielleicht hatte Dr. Jamal recht gehabt, vielleicht war es da schon zu spät gewesen, aber vielleicht redete Jamal auch Scheiße, vielleicht war Jamal nur ein Mann in einer fremden Welt, der zurechtzukommen versuchte, ohne viel Aufsehen zu erregen. Vielleicht dies und vielleicht das; Ralph wußte es nicht mit Sicherheit und würde es nie erfahren. Er wußte nur, daß Litchfield nicht dabei gewesen war, als es an die beiden letzten Aufgaben ihrer Ehe gegangen war: für sie, zu sterben, und für ihn, ihr dabei zuzusehen.

Möchtest du das tun? Zu Litchfield gehen und ihm zusehen, wie er nach seinem Rezeptblock greift?

Vielleicht klappte es diesmal, sagte er sich. Gleichzeitig streckte sich seine Hand fast aus freien Stücken aus und griff nach einer Packung Sleepinex auf dem Regal. Er drehte sie herum, hielt sie ein Stück von sich weg, damit er das Kleingedruckte auf der Rückseite sehen konnte, und ließ den Blick langsam und gründlich über die Liste der Wirkstoffe wandern. Er hatte keine Ahnung, wie man die meisten der zungenbrecherischen Worte auch nur aussprach, und noch weniger, was sie waren oder wie sie einem beim Schlafen helfen sollten.

Ja, antwortete er der Stimme. Vielleicht klappte es diesmal.

Aber vielleicht lag die wahre Lösung einfach darin, einen anderen Arzt zu su-

»Kann ich Ihnen helfen?« fragte eine Stimme unmittelbar hinter Ralphs Schulter.

Er war gerade dabei, die Packung Sleepinex wieder an ihren Platz zu stellen, weil er etwas nehmen wollte, das sich nicht so sehr nach einer finsteren Droge aus einem Roman von Robin Cook anhörte, als die Stimme zu sprechen anfing. Ralph zuckte zusammen und stieß ein Dutzend verschiedene Packungen synthetischen Schlafs auf den Boden.

»Oh, Entschuldigung - wie ungeschickt!« sagte Ralph und sah über die Schulter.

»Überhaupt nicht. Einzig und allein meine Schuld.« Und bevor Ralph mehr als zwei Packungen Sleepinex und eine Packung Drow-Zee Gelkapseln aufheben konnte, hatte der Mann im weißen Kittel, der ihn angesprochen hatte, den ganzen Rest aufgehoben und verteilte alles mit der Behendigkeit eines professionellen Pokerspielers. Laut dem goldenen Namensschild auf seiner Brust handelte es sich um JOE WYZER, RITE AID APOTHEKER.

»Und jetzt«, sagte Wyzer, der sich die Hände abwischte und mit einem freundlichen Grinsen zu Ralph umdrehte, »fangen wir noch mal von vorne an. Kann ich Ihnen helfen? Sie sehen ein wenig hilflos aus.«

Ralphs erste Reaktion - Zorn darüber, daß er gestört wurde, während er eine wichtige und bedeutsame Unterredung mit sich selbst führte - wich einem wachsamen Interesse. »Nun, ich weiß nicht«, sagte er und deutete auf die Auswahl von Schlafmitteln. »Helfen die tatsächlich?«

Wyzers Grinsen wurde breiter. Er war ein großer Mann mittleren Alters mit heller Haut und schütterem braunen Haar, das er in der Mitte scheitelte. Er streckte die Hand aus, und Ralph hatte kaum zur höflichen Erwiderungsgeste angesetzt, als seine ganze Hand schon verschluckt wurde. »Ich bin Joe«, sagte der Apotheker und klopfte mit der freien Hand auf sein goldenes Namensschild. »Früher war ich Joe Wyze, aber heute bin ich älter und Wyzer.«

Das war mit Sicherheit ein uralter Witz, aber für Joe Wyzer, der brüllend lachte, hatte er eindeutig nichts von seiner Wirkung eingebüßt. Ralph lächelte ein höfliches schmales Lächeln mit einer winzigen Spur Angst an den Rändern. Die Hand, die seine umfangen hatte, war eindeutig kräftig, und er fürchtete, wenn der Apotheker noch ein bißchen mehr zudrückte, würde seine eigene Hand den Tag in einem Gips beenden. Er wünschte sich, zumindest vorübergehend, daß er mit seinem Problem doch zu Paul Durgin gegangen wäre. Dann schüttelte Wyzer ihm die Hand zweimal mit Nachdruck und ließ sie los.

»Ich bin Ralph Roberts. Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. Wyzer.«

»Meinerseits. Und nun zur Wirksamkeit dieser ausgezeichneten Produkte. Lassen Sie mich Ihre Frage mit einer Gegenfrage beantworten: Scheißt ein Bär in einer Telefonzelle?«

Ralph lachte auf. »Selten, würde ich sagen«, antwortete er, als er wieder sprechen konnte.

»Korrekt.« Wyzer betrachtete die Schlaftabletten, eine Wand aus Blautönen. »Gott sei Dank bin ich Apotheker und kein Händler, Mr. Roberts; ich würde verhungern, wenn ich versuchen müßte, das Zeug an der Tür zu verkaufen. Leiden Sie an Schlaflosigkeit? Ich frage teilweise, weil Sie nach Schlaftabletten suchen, aber hauptsächlich, weil Sie das hagere und hohläugige Aussehen haben.«

Ralph sagte: »Mr. Wyzer, ich wäre der glücklichste Mensch auf der Welt, wenn ich einmal fünf Stunden pro Nacht schlafen könnte, ich würde mich aber auch schon mit vier zufriedengeben.«

»Wie lange geht das schon so, Mr. Roberts? Oder würden Sie Ralph vorziehen?«

»Ralph ist okay.«

»Gut. Und ich bin Joe.«

»Ich glaube, es hat im April angefangen. Einen Monat oder sechs Wochen nach dem Tod meiner Frau.« »Herrje, tut mir leid, daß Sie Ihre Frau verloren haben. Mein Beileid.«

»Danke«, sagte Ralph, dann wiederholte er den alten Spruch. »Ich vermisse sie sehr, aber ich war froh, daß ihr Leid ein Ende hatte.«

»Aber jetzt leiden Sie. Seit... mal sehen.« Wyzer zählte rasch mit seinen großen Fingern. »Seit über einem halben Jahr.«

Plötzlich faszinierten diese Finger Ralph. Diesmal keine Kondensstreifen, aber die Spitze jedes einzelnen schien in einen hellen, silbernen Dunst gehüllt zu sein, wie Alufolie, durch die man irgendwie hindurchsehen konnte. Plötzlich mußte er wieder an Carolyn und die Phantomgerüche denken, über de sie sich letzten Herbst beschwert hatte - Gewürznelken, Abwasser, angebrannter Speck. Vielleicht war dies das männliche Gegenstück dazu und der Anfang seines eigenen Gehirntumors, der sich nicht durch Kopfschmerzen, sondern durch Schlaflosigkeit ankündigte.