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»Da kommen sie schon wieder mit dieser Abtreibungsklinik!« rief McGovern aus. »Herrgott!«

»Still«, sagte Lois in einem herrschenden Tonfall, der sich sehr von ihrem sonstigen zaghaften Murmeln unterschied. McGovern warf ihr einen überraschten Blick zu und verstummte.

»- John Kirkland bei Woman-Care mit dem ersten von zwei Berichten«, kam Lisette Benson zum Ende, und das Bild wechselte zu einem Reporter, der vor einem langen, flachen Back-Steingebäude stand. Eine Legende am unteren Bildschirmrand informierte die Zuschauer, daß es sich hier um eine LIVE VOR ORT-Reportage handelte. An einer Seite von Woman-Care verlief eine Fensterreihe. Zwei waren eingeworfen worden, mehrere andere mit roter Farbe beschmiert, die wie Blut aussah. Gelbes Absperrungsband der Polizei war zwischen dem Reporter und dem Gebäude gespannt; drei uniformierte Polizisten aus Derry und ein Beamter in Zivil standen in einer kleinen Gruppe am anderen Ende zusammen. Es überraschte Ralph nicht besonders, daß er in dem Polizisten John Leydecker erkannte.

»Sie nennen sich selbst Friends of Life, Lisette, und sie behaupten, ihre Demonstration heute morgen sei eine spontane Bekundung ihres Mißfallens nach Bekanntwerden der Neuigkeit gewesen, daß Susan Day - die von radikalen Pro-Life-Gruppen landesweit >Amerikas Babymörderin Nummer eins< genannt wird - nächsten Monat nach Derry kommen wird, um eine Rede im Bürgerhaus zu halten. Aber mindestens ein Beamter der Polizei von Derry glaubt nicht, daß es sich tatsächlich so abgespielt hat.«

Eine Bandaufzeichnung wurde in Kirklands Bericht eingespielt, angefangen mit einer Nahaufnahme von Leydecker, der resigniert das Mikrofon vor seinem Gesicht betrachtete.

»Diese Tat war ganz und gar nicht spontan«, sagte er. »Eindeutig wurden eine Menge Vorbereitungen getroffen. Wahrscheinlich waren sie schon die ganze Woche bereit und haben nur darauf gewartet, daß Susan Days Entscheidung, hierherzukommen und eine Rede zu halten, öffentlich bekanntgegeben würde, was heute morgen durch die Zeitung geschehen ist.«

Die Kamera splittete das Bild. Kirkland warf Leydecker seinen durchdringendsten Geraldo-Blick zu. »Was meinen Sie mit eine Menge Vorbereitungen?« fragte er.

»Die meisten Schilder, die sie dabei hatten, trugen Ms. Days Namen. Außerdem hatten sie mehr als ein Dutzend hiervon bei sich.«

Eine überraschend menschliche Regung stahl sich durch Leydeckers Polizist-wird-interviewt-Maske; Ralph hielt sie für Mißfallen. Er hob einen großen Probenbeutel aus Plastik, und Ralph war einen gräßlichen Augenblick davon überzeugt, daß sich ein zerquetschtes und blutiges Baby darin befände. Dann wurde ihm klar, daß es eine Puppe war, worum auch immer es sich bei der roten Substanz handeln mochte.

»Die haben sie nicht im K-Mart gekauft«, sagte Leydecker dem Fernsehreporter. »Das kann ich Ihnen garantieren.«

Die nächste Einstellung zeigte eine Weitwinkeltotale der beschmierten und eingeworfenen Scheiben. Die Kamera fuhr langsam daran entlang. Das Zeug auf den beschmierten Scheiben sah mehr denn je wie Blut aus, und Ralph entschied, daß er die letzten zwei oder drei Gabeln Makkaroni mit Käse nicht mehr wollte.

»Die Demonstranten kamen mit Babypuppen bewaffnet, deren Inneres mit einer Mischung aus Karo-Sirup und roter Lebensmittelfarbe gefüllt worden war«, sagte Kirkland aus dem Off. »Sie warfen die Puppen auf das Gebäude, während Anti-Susan-Day-Parolen gesungen wurden. Zwei Fenster wurden zertrümmert, aber sonst kam es nicht zu nennenswerten Schäden.«

Die Kamera blieb stehen und verweilte auf einer besonders schlimm verschmierten Scheibe.

»Die meisten Puppen sind aufgeplatzt«, sagte Kirkland, »und die Substanz, die verspritzt wurde, hatte so große Ähnlichkeit mit Blut, daß die Angestellten hier, die Zeugen des Bombardements wurden, einen ziemlichen Schrecken bekamen.«

Das Bild der verschmierten Scheibe wich dem einer reizenden dunkelhaarigen Frau in weiten Hosen und Pullover.

»Oh, seht euch das an, das ist Barbie!« rief Lois. »Herrje, ich hoffe, Simone sieht zu! Vielleicht sollte ich -«

Nun war McGovern derjenige, der sie zum Schweigen brachte.

»Ich hatte schreckliche Angst«, sagte Barbara Richards zu Kirkland. »Zuerst dachte ich, sie würden wirklich tote Babys oder Embryos werfen, die sie irgendwie in die Finger bekommen hatten. Auch nachdem Dr. Harper hier vorbeigelaufen war und gesagt hatte, daß es sich nur um Puppen handelte, war ich mir nicht sicher.«

»Sie sagten, sie haben gesungen?« fragte Kirkland.

»Ja. Am deutlichsten hörte ich: >Laßt den Todesengel nicht nach Derry kommen.<«

Der Bericht wechselte wieder zu Kirkland live am Schauplatz. »Die Demonstranten wurden heute morgen gegen neun Uhr von Woman-Care zum Polizeirevier von Derry in der Maine Street abtransportiert, Lisette. Soweit ich weiß, wurden zwölf verhört und wieder freigelassen; sechs weitere wurden wegen Ruhestörung angeklagt, ein geringfügiges Vergehen. Sieht so aus, als wäre ein weiterer Schuß im andauernden Gefecht um die Abtreibung in Derry abgefeuert worden. Das war John Kirkland mit den Nachrichten auf Kanal Vier.«

>»Ein weiterer Schuß im -<«, begann McGovern und warf die Arme hoch.

Lisette Benson war wieder auf dem Bildschirm erschienen. »Wir schalten jetzt um zu Anne Rivers, die vor weniger als einer Stunde mit zwei der sogenannten Friends of Life geredet hat, die nach der Demonstration heute morgen verhaftet wurden.«

Anne Rivers stand auf den Stufen des Polizeireviers in der Maine Street, Ed Deepneau auf einer Seite, ein großes, blasses Individuum mit Ziegenbärtchen auf der anderen. Ed sah schick und richtiggehend stattlich in seiner grauen Tweedjacke und der Marinehose aus. Der große Mann mit dem Ziegenbärtchen trug etwas, das sich nur ein Liberaler in seinen kühnsten Träumen von angemessener Kleidung eines »Proletariers in Maine« ausdenken konnte: verblichene Jeans, verblichenes blaues Baumwollhemd, breite rote Feuerwehrhosenträger. Ralph brauchte nur einen Augenblick, bis er ihn identifiziert hatte. Es war Dan Dalton, Inhaber von Secondhand Rose, Secondhand Clothes. Als Ralph ihn zum letztenmal gesehen hatte, da hatte er hinter den hängenden Gitarren und Vogelkäfigen in seinem Schaufenster gestanden und Harn Davenport gegenüber eine Geste gemacht, die besagen sollte: Wen interessiert einen Scheißdreck, was du denkst?

Aber es war natürlich Ed, der in mehr als einer Weise adrett und gefaßt aussah, der seine ganze Aufmerksamkeit auf sich zog.

McGovern schien offenbar genauso zu denken. »Mein Gott, ich kann nicht glauben, daß das derselbe Mann ist«, murmelte er.

»Lisette«, sagte die gutaussehende Blondine, »ich habe hier bei mir Edward Deepneau und Daniel Dalton, beide aus Derry, beide wurden heute Morgen nach der Demonstration festgenommen. Ist das richtig, meine Herren? Wurden Sie verhaftet?«

Sie nickten, Ed mit einem Anflug von Humor, Dalton mit mürrischer, verkniffener Entschlossenheit. Bei dem Blick, den er Anne Rivers zuwarf, hätte man denken können - Ralph zumindest -, daß er sich zu erinnern versuchte, in welche Abtreibungsklinik er sie schon einmal mit gesenktem Kopf und vorgezogenen Schultern laufen gesehen hatte.

»Wurden Sie auf Kaution freigelassen?«

»Wir wurden auf eigene Sicherheitsleistung freigelassen«, antwortete Ed. »Die Vorwürfe waren geringfügig. Es war nicht unsere Absicht, daß jemand zu Schaden kommt, und es ist niemand zu Schaden gekommen.«

»Wir wurden nur deshalb verhaftet, weil die gottlose verfilzte Stadtverwaltung ein Exempel an uns statuieren wollte«, sagte Dalton, und Ralph glaubte zu sehen, wie Ed kurz das Gesicht verzog. Ein Nicht-schon-wieder-Ausdruck.