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»Abgemacht.«

Aber das Verherrlichte & Angebetete Baby weinte nicht. Kaum hatte Ralph es aus dem Papoose genommen, schlang es ihm freundschaftlich einen Arm um den Hals und nestelte seine Kehrseite in die Beuge seines rechten Arms, als wäre der sein eigener, persönlicher Liegestuhl.

»Mann«, sagte Gretchen. »Ich bin beeindruckt.«

»Blig!« sagte Natalie, ergriff Ralphs Unterlippe und zog sie wie eine Jalousie heraus. »Ganna-wig! Andoo-sis!«

»Ich glaube, sie hat gerade etwas über die Andrews Sisters gesagt«, sagte Ralph. Helen warf den Kopf zurück und lachte ihr herzliches Lachen, das von ganz unten, von den Fersen, heraufzukommen schien. Erst als Ralph es hörte, wurde ihm klar, wie sehr er es vermißt hatte.

Natalie ließ Ralphs Unterlippe zurückschnappen, als er sie in die Küche führte, um diese Tageszeit der sonnigste Raum im ganzen Haus. Er stellte fest, daß Helen sich neugierig umsah, als er den Herd einschaltete, und ihm wurde klar, daß sie lange nicht mehr hiergewesen war. Zu lange. Sie nahm das Bild von Carolyn, das auf dem Küchentisch stand, und betrachtete es eingehend, während ein verhaltenes Lächeln um ihre Lippen spielte. Die Sonne ließ die Spitzen ihres Haars aufleuchten, das sie kurzgeschnitten hatte, bildete eine Korona um ihren Kopf, und Ralph erlebte eine plötzliche Offenbarung: Er liebte sie zum großen Teil deshalb, weil Carolyn sie geliebt hatte - sie waren beide von Carolyn ins Herz geschlossen worden.

»Sie war so hübsch«, murmelte Helen. »Oder nicht, Ralph?«

»Ja«, sagte er und stellte die Tassen hin (sorgsam darauf achtend, daß sie außer Reichweite von Natalies rastlosen, neugierigen Händen blieben). »Das wurde einen oder zwei Monate bevor die Kopfschmerzen anfingen aufgenommen. Ich nehme an, es ist exzentrisch, ein gerahmtes Portrait auf dem Küchentisch vor der Zuckerdose stehen zu haben, aber dies scheint das Zimmer zu sein, in dem ich neuerdings die meiste Zeit verbringe, daher... «

»Ich finde, das ist ein reizender Platz dafür«, sagte Gretchen. Ihre Stimme war tief und bezaubernd heiser. Ralph dachte: Wenn sie mir vorhin ins Ohr geflüstert hätte, dann hätte die alte Hosenmaus mit Sicherheit mehr gemacht, als sich nur einmal im Schlaf herumzudrehen.

»Ich auch«, sagte Helen. Sie bedachte ihn mit einem zaghaften Lächeln, ohne ihm in die Augen zu sehen, dann ließ sie die Umhängetasche von der Schulter gleiten und stellte sie auf den Küchentresen. Natalie fing ungeduldig an zu plappern und die Hände auszustrecken, als sie die Plastikhülle des PlaytexFläschchens sah. Ralph sah deutlich, aber glücklicherweise nur kurz, eine Erinnerung aufblitzen: Helen, die zum Red Apple stolperte, ein Auge zugeschwollen, Blut auf der Wange und Natalie auf einer Hüfte, wie ein Teenager seine Schulbücher tragen würde.

»Möchtest du es versuchen, alter Freund?« fragte Helen. Ihr Lächeln war etwas zuversichtlicher, und sie sah ihm direkt in die Augen.

»Klar, warum nicht. Aber der Kaffee...« »Ich kümmere mich um den Kaffee, Väterchen«, sagte Gretchen. »Zu meiner Zeit habe ich eine Million Tassen gemacht. Haben Sie Kondensmilch?«

»Im Kühlschrank.« Ralph setzte sich an den Tisch, ließ Natalie den Kopf an seine Schulter lehnen und das Fläschchen mit ihren winzigen, faszinierenden Händen umklammern. Das tat sie mit vollkommener Selbstsicherheit, steckte den Schnuller in den Mund und fing gleich an zu saugen. Ralph sah grinsend zu Helen auf und tat so, als bemerke er nicht, daß sie wieder ein wenig zu weinen angefangen hatte. »Sie lernen schnell, oder nicht?«

»Ja«, sagte sie und riß ein Küchentuch von der Rolle über dem Spülbecken. Sie wischte sich damit die Augen ab. »Ich komme nicht darüber hinweg, wie unbefangen sie bei dir ist, Ralph - so war sie doch vorher nicht, oder?«

»Ich kann mich wirklich nicht erinnern«, log er. Sie war es nicht gewesen. Nicht abweisend, nein, aber längst nicht so anschmiegsam.

»Drück weiter auf den Plastikmantel der Flasche, okay? Sonst schluckt sie zuviel Luft und wird völlig aufgebläht.«

»Roger.« Er sah zu Gretchen. »Alles klar?«

»Bestens. Wie nehmen Sie ihn, Ralph?«

»Nur in der Tasse, das reicht schon.«

Sie lachte und stellte die Tasse außerhalb von Natalies Reichweite auf den Tisch. Als sie sich hinsetzte und die Beine übereinanderschlug, sah Ralph hin - er konnte nicht anders. Als er wieder aufsah, lächelte Gretchen unmerklich und ironisch.

Und wenn schon, dachte Ralph. Ein alter Bock bleibt ein alter Bock, schätze ich. Auch ein alter Bock, der es auf nicht mehr als zwei oder zweieinhalb Stunden Schlaf pro Nacht bringt.

»Erzähl mir von deinem Job«, sagte er, als Helen sich setzte und von ihrem Kaffee trank.

»Nun, ich finde, sie sollten Mike Hanions Geburtstag zu einem nationalen Feiertag machen - sagt dir das was?«

»Ein wenig«, sagte Ralph lächelnd.

»Ich war ziemlich sicher, daß ich Derry verlassen müßte. Ich habe mich bei Bibliotheken bis hinauf nach Portsmouth beworben, aber mir war nicht wohl dabei. Ich werde fünfunddreißig und lebe erst sieben Jahre hier, aber Derry ist meine Heimat ich kann es nicht erklären, aber es ist so.«

»Das mußt du nicht erklären, Helen. Ich finde, das Zuhause gehört zu den Dingen, die einem Menschen eben zufallen, wie der Teint oder die Farbe der Augen.«

Gretchen nickte. »Ja«, sagte sie. »Genau so.«

»Mike rief mich am Montag an und sagte mir, daß eine Assistentinnenstelle in der Banderbibliothek freigeworden wäre. Ich konnte es kaum glauben. Ich meine, ich laufe schon die ganze Woche herum und kneife mich selbst. Oder etwa nicht, Gretchen?«

»Nun, du hast ziemliches Glück gehabt«, sagte Gretchen, »und das war schön anzusehen.«

Sie lächelte Helen zu, und für Ralph war dieses Lächeln eine Offenbarung. Plötzlich wurde ihm klar, daß er Gretchen Tillbury anstarren konnte soviel er wollte, und es würde nichts ausmachen. Selbst wenn der einzige Mann im Zimmer Tom Cruise gewesen wäre, hatte das nichts geändert. Er fragte sich, ob Helen es wußte, aber dann schalt er sich wegen seiner Dummheit. Helen mochte vieles sein, aber dumm war sie nicht.

»Wann fängst du an?« fragte er sie.

»In der Woche des Columbus Day«, sagte sie. »Am zwölften. Nachmittags und abends. Das Gehalt ist nicht gerade fürstlich, aber es wird uns über den Winter bringen, wie sich... meine Situation sonst auch entwickeln mag. Ist das nicht toll, Ralph?«

»Doch«, sagte er. »Riesig.«

Das Baby hatte die halbe Flasche getrunken und ließ Anzeichen erkennen, daß seine Konzentration nachließ. Der Schnuller glitt ihm halb aus dem Mund, und ein Milchtropfen lief ihm vom Mundwinkel herunter zum Kinn. Ralph wischte ihn weg, und seine Finger hinterließen eine Reihe delikater graublauer Linien in der Luft.

Natalie griff danach und lachte, als sie sich in ihrer Faust auflösten. Ralph stockte der Atem in der Kehle.

Sie sieht es. Das Baby sieht, was ich sehe.

Aber das ist verrückt, Ralph. Das ist verrückt, und du weißt es genau.

Aber das wußte er nicht. Er hatte es gerade gesehen - hatte gesehen, wie Nat versuchte, die Kondensstreifen der Aura zu packen, die seine Finger hinterließen.

»Ralph?« fragte Helen. »Geht es dir nicht gut?«

»Doch.« Er sah auf und stellte fest, daß Helen jetzt von einer üppigen elfenbeinfarbenen Aura umgeben war. Sie hatte den Seidenglanz eines teuren Slips. Die Ballonschnur, die davon aufstieg, war ebenfalls elfenbeinfarben und so breit und flach wie das Band um ein Hochzeitsgeschenk. Die Aura um Gretchen Tillbury war dunkelorange und ging an den Rändern ins Gelbliche über. »Wirst du wieder in das Haus einziehen?«

Helen und Gretchen wechselten wieder einen Blick, aber Ralph bemerkte es kaum. Er stellte fest, daß er ihre Gesichter oder Gesten oder ihre Körpersprache nicht sehen mußte, um ihre Gefühle zu erraten; er mußte nur ihre Auren ansehen. Die gelblichen Ränder von Gretchens Aura wurden dunkler, so daß alles einheitlich orange war. Gleichzeitig schrumpfte die von Helen und wurde heller, bis er sie kaum noch ansehen konnte. Helen hatte Angst davor, zurückzukehren. Gretchen wußte es und war wütend deswegen.