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»Wie viele Drohungen?« fragte er. »Mehr als ein Dutzend?«

»Etwa dreißig«, sagte Gretchen. »Davon nehmen ihre Leibwächter ein halbes Dutzend ernst. In zweien ist davon die Rede, das Bürgerhaus in die Luft zu sprengen, sollte sie nicht absagen. Einer - ein echtes Herzblatt -behauptet, daß er eine Big Squirt Wasserpistole hat, die mit Batteriesäure gefüllt ist. >Wenn ich Dich damit direkt treffe, wird Dich nicht einmal mehr eine Deiner Lesbenfreundinnen ansehen können, ohne zu kotzen<, stand darin.«

»Nett«, sagte Ralph.

»Damit kommen wir auf jeden Fall zum Wesentlichen«, sagte Gretchen. Sie kramte in ihrer Handtasche, holte eine kleine Dose mit rotem Deckel heraus und stellte sie auf den Tisch. »Ein kleines Geschenk von Ihren dankbaren Freundinnen bei Woman-Care.«

Ralph hob die Dose auf. Auf einer Seite sah er das Bild einer Frau, die einem Mann mit Schlapphut und Augenmaske a la Panzerknacker eine Gaswolke ins Gesicht sprühte. Auf der anderen Seite stand ein einziges Wort in grellroten Großbuchstaben:

BODYGUARD.

»Was ist das?« fragte er unwillkürlich erschrocken. »Tränengas?«

»Nein«, sagte Gretchen. »Tränengas ist rechtlich gesehen eine fragwürdige Sache in Maine. Dieses Zeug ist viel milder... aber wenn man jemand eine volle Ladung ins Gesicht sprüht, wird er mindestens zwei Minuten nicht mehr daran denken, einen zu überfallen. Es betäubt die Haut, reizt die Augen und verursacht Brechreiz.«

Ralph nahm den Deckel ab, betrachtete das rote Sprühventil darunter und drückte den Deckel wieder darauf. »Großer Gott, gute Frau, weshalb sollte ich diese Spraydose mit mir herumschleppen.«

»Weil Sie offiziell zum Zenturio ernannt worden sind«, sagte Gretchen.

»Zum was?« fragte Ralph, aber die Erinnerung stellte sich bereits ein: Ed Deepneau, der in der Gischt des Rasensprengers auf und ab ging und die Regenbogen mit seinem Körper zerstörte, während Grace Slick »White Rabbit« sang.

»Zum Zenturio«, wiederholte Helen. Nat schlief fest in ihren Armen, und Ralph stellte fest, daß die Auren wieder verschwunden waren. »So nennen die Friends of Life ihre Hauptgegner - die Anführer der Opposition.«

»Okay«, sagte Ralph. »Jetzt habe ich verstanden. Ed hat an dem Tag, als er dich... geschlagen hat, von Leuten geredet, die er Zenturionen nannte. An dem Tag hat er eine Menge geredet, und alles war verrückt.«

»Ja, Ed steckt hinter alledem, und er ist verrückt«, sagte Helen. »Wir glauben nicht, daß er diese Zenturiogeschichte außerhalb eines kleinen Kreises von Eingeweihten erwähnt hat - Leute, die fast so plemplem sind wie er selbst. Der Rest der Friends of Life... ich glaube nicht, daß die eine Ahnung haben. Ich meine, du etwa? Hattest du bis letzten Monat eine Ahnung, daß er verrückt ist?«

Ralph schüttelte den Kopf. Nein, und das ist das Beängstigende, dachte er, sagte es aber nicht.

»Die Hawking Labors haben ihn jetzt gefeuert«, sagte Helen. »Gestern. Sie haben ihn so lange gehalten, wie sie konnten - er ist ein As in seinem Beruf -, aber schließlich mußten sie ihn gehenlassen. Drei Monatsgehälter Abfindung aufgrund fristloser Kündigung... nicht schlecht für einen Mann, der seine Frau verprügelt und mit falschem Blut gefüllte Puppen an die Fenster der örtlichen Frauenklinik wirft.« Sie klopfte auf die Zeitung. »Diese letzte Demonstration war der Tropfen, der das Faß zum

Überlaufen brachte. Er wurde zum dritten- oder viertenmal verhaftet, seit er sich mit den Friends of Life eingelassen hat.«

»Ihr habt jemanden eingeschleust, richtig?« sagte Ralph. »Daher wißt ihr das alles.«

Gretchen lächelte. »Wir sind nicht die einzigen, die jemanden eingeschleust haben; ein geflügeltes Wort bei uns ist, daß es gar keine Friends of Life gibt, nur eine Bande von Doppelagenten. Die Polizei von Derry hat jemanden; die Staatspolizei auch. Und das sind nur die, von der unser... unsere Person weiß. Verdammt, das FBI könnte sie ebenfalls überwachen. Man kann die Friends of Life so ungeheuer leicht infiltrieren, Ralph, weil sie überzeugt sind, daß in seinem tiefsten Inneren jeder auf ihrer Seite steht. Aber wir sind überzeugt, daß unsere Person als einzige in den inneren Kreis vorgedrungen ist, und wenn man dort angelangt ist, dann ist Dan Dalton nur der Schwanz, mit dem Ed Deepneau wedelt.«

»Das habe ich mir schon gedacht, als ich sie zum erstenmal im Fernsehen gesehen habe«, sagte Ralph.

Gretchen stand auf, sammelte die Kaffeetassen ein, ging zum Waschbecken und spülte sie aus. »Ich bin jetzt seit dreizehn Jahren in der Frauenbewegung aktiv, und ich habe eine Menge irrsinnige Scheiße mit ansehen müssen, aber so etwas ist mir noch nicht untergekommen. Er macht diesen Trotteln weis, daß Frauen in Derry unfreiwillig Abtreibungen unterzogen würden, daß die Hälfte von ihnen nicht einmal wüßten, daß sie schwanger seien, bevor die Zenturionen kämen und ihnen die Babys wegnähmen.«

»Hat er ihnen von der Müllverbrennungsanlage drüben in Newport erzählt?« fragte Ralph. »Die in Wirklichkeit ein Babykrematorium sein soll?«

Gretchen drehte sich mit aufgerissenen Augen zu ihm um. »Woher wissen Sie das?«

»Oh, ich habe es von Ed selbst erfahren, höchstpersönlich und aus nächster Nähe. Angefangen hat es im Juli 1992.« Er zögerte nur einen Augenblick, dann schilderte er ihnen, was sich an dem Tag zugetragen hatte, als er Ed beim Flughafen traf, und wie Ed dem Mann im Lastwagen vorwarf, er würde tote Babys in Fässern mit der Aufschrift Dünger transportieren. Helen hörte stumm zu, aber ihre Augen wurden immer größer und runder. »Dasselbe hat er an dem Tag erzählt, als er dich verprügelte«, kam Ralph zum Ende, »aber da hatte er es schon ziemlich ausgeschmückt.«

»Das erklärt wahrscheinlich, warum er so auf Sie fixiert ist«, sagte Gretchen, »aber das Warum spielt in durchaus realem Sinne überhaupt keine Rolle. Tatsache ist, er hat seinen verdrehteren Freunden eine Liste dieser sogenannten Zenturionen gegeben. Wir wissen nicht, wer alles darauf steht, aber ich und Helen und Susan Day, logischerweise... und Sie.«

Warum ich? hätte Ralph fast gefragt, aber dann wurde ihm klar, daß auch das eine sinnlose Frage gewesen wäre. Vielleicht hatte Ed ihn auserkoren, weil er, Ralph, die Polizei gerufen hatte, als er Helen verprügelt hatte; wahrscheinlich aber aus keinem ersichtlichen Grund. Ralph erinnerte sich, daß er irgendwo gelesen hatte, David Berkowitz - auch als Son of Sam bekannt - habe behauptet, er hätte manchmal auf Befehl seines Hundes getötet.

»Was meinen Sie, werden sie versuchen?« fragte Ralph. »Bewaffneten Überfall, wie in einem Chuck-Norris-Film?«

Er lächelte, aber Gretchen erwiderte das Lächeln nicht. »Leider haben wir keine Ahnung, was sie versuchen könnten«, sagte sie. »Die wahrscheinlichste Antwort ist, gar nichts. Aber andererseits könnte es sich Ed oder einer der anderen in den Kopf setzen, Sie aus Ihrem eigenen Küchenfenster hinauszuwerfen. Bei dem Spray handelt es sich im Grunde genommen um nichts anderes als verdünntes Tränengas. Eine kleine Versicherungspolice, mehr nicht.«

»Versicherung«, sagte er nachdenklich.

»Du befindest dich in einer sehr erlesenen Gesellschaft«, sagte Helen mit matten Lächeln. »Der einzige andere männliche Zenturio auf ihrer Liste - jedenfalls soweit wir wissen - ist Bürgermeister Cohen.«

»Habt ihr dem auch so eine gegeben?« fragte Ralph und hob die Spraydose auf. Sie sah nicht gefährlicher aus als die Gratisproben Rasierschaum, die er von Zeit zu Zeit mit der Post bekam.

»Das war nicht nötig«, sagte Gretchen. Sie sah wieder auf die Uhr. Helen bemerkte die Geste und stand mit dem schlafenden Baby auf dem Arm auf. »Er hat die Erlaubnis, eine Schußwaffe bei sich tragen zu dürfen.«