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Toleranz gegenüber Schlafverlust variiert etwas mit dem Alter der Testperson. Jüngere Testpersonen zeigen einen früheren Beginn von Störungen und mehr körperliche Reaktionen, während ältere Testpersonen -

Eine Hand legte sich sanft auf Ralphs Schulter und ließ ihn von dem Buch hochschrecken.

»Ich frage mich, wie sie aussehen?« flüsterte ihm eine ekstatische Stimme ins Ohr, und mit den Worten kam ein Schwall Atemluft, die wie verdorbener Speck roch, der langsam in einer Pfanne voll Knoblauch und ranziger Butter schmort. »Deine Eingeweide, meine ich. Ich frage mich, wie sie aussehen, wenn ich sie auf den Boden quellen lasse. Was meinst du dazu, du gottloser babytötender Zenturio? Glaubst du sie sind gelb oder schwarz oder rot oder was?«

Etwas Hartes und Scharfes wurde an Ralphs linke Seite gepreßt und strich dann langsam an den Rippen entlang.

»Ich kann es kaum erwarten, bis ich es herausfinde«, flüsterte die ekstatische Stimme. »Ich kann es kaum erwarten.«

Ralph drehte ganz langsam den Kopf herum und hörte die Sehnen in seinem Hals knacken. Er kannte den Namen des Mannes mit dem üblen Mundgeruch nicht, der ihm etwas in die Seite bohrte, das sich so sehr nach einem Messer anfühlte, daß es unmöglich etwas anderes sein konnte - aber er erkannte ihn trotzdem auf der Stelle. Die Hornbrille trug ihren Teil dazu bei, aber das störrische graue Haar, das zerzaust in die Höhe stand und Ralph gleichzeitig an Don King und Albert Einstein erinnerte, gab den Ausschlag. Es war der Mann, der auf dem Bild in der Zeitung, das Harn Davenport mit erhobener Faust und Dan Dalton mit Davenports Schild FREIE ENTSCHEIDUNG STATT ANGST als Hut zeigte, neben Ed Deepneau im Hintergrund gestanden hatte. Ralph glaubte, daß er den Mann auch in einigen Fernsehberichten über die anhaltenden Abtreibungsdemonstrationen gesehen hatte. Eines von vielen Gesichtern in der singenden, Parolen schwenkenden Menge; ein weiterer Speerträger. Nur sah es jetzt so aus, als hätte dieser spezielle Speerträger die Absicht, ihn zu töten.

»Was meinst du?« fragte der Mann im Snoopy-Sweatshirt immer noch ekstatisch flüsternd. Der Klang seiner Stimme ängstigte Ralph mehr als die Klinge, die langsam an seiner Lederjacke hinauf und hinab glitt und die verwundbaren Organe an der linken Seite seines Körpers zu vermessen schien: Lunge, Herz, Nieren. Därme. »Was für eine Farbe?«

Sein Atem war ekelerregend, aber Ralph hatte Angst, sich wegzudrücken oder den Kopf zu drehen, da er befürchtete, jede Bewegung seinerseits könnte das Messer veranlassen, seine Suche einzustellen und zuzustoßen. Jetzt glitt es wieder an seiner Seite hinauf. Die braunen Augen des Mannes schwebten hinter den dicken Gläsern seiner Hornbrille wie seltsame Fische. Der Ausdruck darin war geistesabwesend und irgendwie ängstlich, fand Ralph. Die Augen eines Mannes, der Zeichen am Himmel sieht und vielleicht tief in der Nacht

Stimmen aus dem Schrank flüstern hört.

»Ich weiß nicht«, sagte Ralph. »Ich weiß nicht einmal, warum Sie mir überhaupt wehtun wollen.« Er warf schnelle Blicke nach links und rechts, ohne den Kopf zu drehen, und hoffte, er würde jemanden sehen, irgend jemanden, aber der Lesesaal blieb verlassen. Draußen wehte der Wind in Böen und heulte gegen die Fenster.

»Weil du ein Scheißzenturio bist!« spie der grauhaarige Mann heraus. »Ein elender Babymörder! Du stiehlst ungeborene Embryos! Verkaufst sie an den Höchstbietenden! Ich weiß alles über dich!«

Ralph ließ die rechte Hand langsam vom Kopf sinken. Er war Rechtshänder, daher wanderte alles, was er im Lauf des Tages aufhob, normalerweise in die rechte Tasche der Jacke, die er trug. Die alte graue Lederjacke hatte große, aufgenähte Taschen, aber er fürchtete, selbst wenn er unbemerkt die Hand hätte hineinschieben können, hätte er schwerlich etwas Tödlicheres als ein zusammengeknülltes Schokoriegelpapier gefunden. Er bezweifelte, daß er auch nur eine Nagelschere dabei hatte.

»Das hat Ed Deepneau Ihnen erzählt, richtig?« fragte Ralph und grunzte, als sich das Messer unterhalb der Stelle, wo die Rippen aufhörten, schmerzhaft in seine Seite bohrte.

»Sprich seinen Namen nicht aus«, flüsterte der Mann im Snoopy-Sweatshirt. »Wage es nicht, seinen Namen auszusprechen! Babydieb! Feiger Mörder! Zenturio!« Er stieß wieder mit dem Messer zu, und diesmal verspürte Ralph echte Schmerzen, als die Spitze durch die Lederjacke drang. Ralph glaubte nicht, daß er eine Schnittwunde hatte - jedenfalls noch nicht -, aber er war überzeugt, der Irre hatte bereits soviel Druck ausgeübt, daß ein häßlicher Bluterguß entstehen würde. Aber das war nicht weiter schlimm; er konnte sich glücklich schätzen, wenn er dies nur mit einem Bluterguß überstand.

»Okay«, sagte er. »Ich werde seinen Namen nicht erwähnen.«

»Sag, daß es dir leid tut!« zischte der Mann mit dem Snoopy-Sweatshirt und stieß wieder mit dem Messer zu. Diesmal drang es durch Ralphs Hemd, und er spürte das erste warme Rinnsal Blut an der Seite. Was ist gerade unter dieser Messerspitze? fragte er sich. Leber? Gallenblase? Was ist auf der linken Seite?

Er konnte sich entweder nicht erinnern oder wollte es nicht. Ein Bild war ihm in den Sinn gekommen, das zu einem organisierten Gedanken werden wollte - ein Hirsch, der während der Jagdzeit kopfunter am Haken eines Country Store hing. Glasige Augen, hängende Zunge und ein dunkler Schnitt am Bauch, wo ein Mann mit einem Messer - einem Messer wie diesem hier ihn aufgeschlitzt, die Innereien herausgezogen und lediglich Kopf, Fleisch und Decke übriggelassen hatte.

»Es tut nur leid«, sagte Ralph mit einer Stimme, die nicht mehr fest klang. »Wirklich.«

»Ja, ganz recht! Das sollte es auch, aber es tut dir nicht leid. Nie und nimmer!«

Wieder ein Stoß. Eine grelle Lanze aus Schmerz. Neuerliche nasse Wärme, die an seiner Seite hinunterrann. Und plötzlich wurde es heller in dem Raum, als hätten sich zwei oder drei der Kamerateams, die seit Beginn der Abtreibungsdemonstrationen durch Derry zogen, hier hereingedrängt und die Flutlichter über ihren Videokameras eingeschaltet. Es gab selbstverständlich keine Kameras; das Licht war in seinem Inneren angegangen.

Er drehte sich zu dem Mann mit dem Messer um - dem Mann, der das Messer nun wahrhaftig in ihn bohrte - und stellte fest, daß dieser Mann von einer wabernden grünen und schwarzen Aura umgeben war, bei der Ralph an (Sumpffeuer) die trübe Phosphoreszenz denken mußte, die er manchmal nach Einbruch der Dunkelheit in marschigen Wäldern gesehen hatte. Dornenranken von tiefster Schwärze waren durch sie geflochten. Er betrachtete die Aura seines Angreifers mit zunehmendem Unbehagen und spürte kaum, wie sich die Messerspitze zwei Millimeter tiefer in ihn bohrte. Er merkte am Rande, daß das Blut in seinem Hemd, entlang der Linie des Gürtels, sich allmählich sammelte, aber das war alles.

Er ist verrückt und hat wirklich vor, mich zu töten - das ist nicht nur Gerede. Er ist noch nicht ganz bereit, es zu tun, er hat sich noch nicht in die richtige Stimmung gebracht, aber fast. Und wenn ich wegzulaufen versuche, wenn ich mich auch nur einen Zentimeter von dem Messer entfernen will, das er in mich gebohrt hat - dann wird er es auf der Stelle tun. Ich glaube, er hofft, daß ich mich zu einem Fluchtversuch entschließe... dann kann er sich einreden, daß ich selbst schuld daran bin, daß ich es nicht anders gewollt habe.

»Du und deinesgleichen, oh Mann«, sagte der Mann mit dem zerzausten Haarschopf. »Wir wissen alles über euch.«