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Leydeckers Stimme hatte leicht zu zittern angefangen.

»Am deutlichsten kann ich mich daran erinnern, wie der Kerl geweint hat, wie er das Marienmedaillon um seinen Hals gehalten und beteuert hat, daß er zur Beichte gehen wollte. Da war ich echt stolz darauf, Katholik zu sein, das kann ich Ihnen sagen, Ralph... und was den Papst angeht, ich bin der Meinung, er dürfte keine Meinung zu dem Thema haben, solange er nicht selbst Kinder hat oder sich zumindest einmal ein Jahr um Heroinbabys kümmern mußte.«

»Okay«, sagte Ralph. »Was haben Sie dann für ein Problem mit Susan Day?«

»Sie ist eine verdammte Aufwieglerin!« brüllte Leydecker. »Sie kommt in meine Stadt, und ich muß sie beschützen. Gut. Ich habe gute Männer, und mit etwas Glück wird ihr Kopf noch an der richtigen Stelle sitzen und ihre Titten in die richtige Richtung zeigen, wenn sie die Stadt verläßt, aber was passiert davor? Und danach? Glauben Sie, das interessiert die auch nur im geringsten? Und was das betrifft, glauben Sie, die Leute von Woman-Care kümmern sich einen Scheißdreck um die Folgen?«

»Ich weiß nicht.«

»Die Befürworter von Woman-Care neigen nicht ganz so sehr zu Gewalttaten wie die Friends of Life, aber was den entscheidenden Faktor betrifft, nämlich wieviel Scheiße sie bauen, die wir ausbaden müssen, ist kein großer Unterschied zwischen ihnen. Wissen Sie, worum es hier ging, als das alles angefangen hat?«

Ralph versuchte, sich an seine erste Unterhaltung über Susan Day zu erinnern, die er mit Ham Davenport geführt hatte. Einen Moment wäre er fast darauf gekommen, aber dann entwischte es ihm wieder. Die Schlaflosigkeit hatte wieder gewonnen. Er schüttelte den Kopf.

»Bebauungspläne«, sagte Leydecker und lachte voll mißfälligem Staunen. »Stinknormale Bebauungspläne. Klasse, was? Im Frühsommer kamen George Tandy und Emma Wheaton, zwei der konservativeren Stadträte, auf die Idee, beim Bauausschuß einen Antrag zu stellen, ob man den Bebauungsplan des Viertels mit Woman-Care nicht ändern könnte; der Hintergedanke war, die Klinik einfach wegzumanipulieren. Ich bezweifle, daß das der richtige Ausdruck ist, aber Sie verstehen, worum es geht, oder?«

»Klar.«

»Hm-hmm. Also haben die Befürworter Susan Day eingeladen, damit sie in die Stadt kommt und eine Rede hält, ihnen hilft, gegen die Abtreibungsgegner Front zu machen. Das Problem ist nur, die Gegner hatten nie die geringste Chance, den Bebauungsplan für Bezirk 7 zu ändern, und das wußten die Leute von Woman-Care! Verdammt, eine ihrer Direktorinnen, June Halliday, sitzt im Stadtrat. Sie und die Wheaton spucken einander fast an, wenn sie auf dem Flur aneinander vorbeigehen.

Die Änderung des Bebauungsplans für Bezirk 7 war von vorneherein nichts weiter als ein Hirngespinst, denn rechtlich gesehen ist Woman-Care ein Krankenhaus, genau wie das Derry Home, das nur einen Steinwurf entfernt liegt. Wenn man den Bebauungsplan ändert und Woman-Care illegal macht, dann gilt das auch für eines von nur drei Krankenhäusern in Derry County - dem drittgrößten County im Bundesstaat Maine. Deshalb wird es nie dazu kommen, aber das macht nichts, denn darum ging es gar nicht in erster Linie. Es ging darum, aufmüpfig und dreist zu sein. Ein Ärgernis zu sein. Und für die meisten Befürworter geht es darum, recht zu haben.«

»Recht? Ich verstehe Sie nicht.«

»Es ist nicht genug, daß eine Frau jederzeit da reingehen und sich das ärgerliche kleine Fischchen, das in ihr wächst, wegmachen lassen kann, wenn sie will; die Befürworter wollen den Streit bis zum Ende ausgetragen wissen. Tief in ihrem Innersten wollen sie, daß Leute wie Dan Dalton zugeben, sie haben recht, und dazu wird es nie kommen. Eher werden die Araber und die Juden beschließen, daß alles nur ein Irrtum war, und die Waffen niederlegen. Ich bin für das Recht einer Frau, eine Abtreibung durchführen zu lassen, wenn sie wirklich eine braucht, aber das Katholischer-als-der-Papst-Gehabe der Befürworter finde ich zum Kotzen. Was mich betrifft, sind sie die neuen Puritaner, sie denken, wenn man nicht so denkt, wie sie selbst, kommt man in die Hölle... nur ist ihre Version davon ein Ort, wo man nur Hillbilly-Musik im Radio hören kann und Putenschnitzel zu essen bekommt.«

»Sie klingen ziemlich verbittert.«

»Sitzen Sie einmal drei Monate auf dem Pulverfaß, dann wollen wir sehen, wie Ihnen zumute ist. Sagen Sie mir eines glauben Sie, Pickering hätte Ihnen gestern ein Messer in die Achselhöhle gebohrt, wenn Woman-Care, die Friends of Life und Susan-Laß-meine-heilige-Pflaume-in-Ruhe-Day nicht wären?«

Ralph tat so, als würde er ernsthaft über die Frage nachdenken, aber in Wirklichkeit betrachtete er John Leydeckers Aura. Sie war von einer gesunden, dunkelblaue Farbe, aber die Ränder wallten in einem rasch wechselnden grünen Licht. Dieses Phänomen interessierte Ralph; er hatte eine Ahnung, als ob er wußte, was es bedeutete.

Schließlich sagte er: »Nein, ich glaube nicht.«

»Ich auch nicht. Sie sind in einem Krieg verwundet worden, der eigentlich schon entschieden ist, Ralph, und Sie werden nicht der letzte sein. Aber wenn Sie zu den Woman-Care Leuten -oder zu Susan Day - gehen und Ihr Hemd aufmachen, auf die Verletzung zeigen und sagen würden: >Das ist teilweise eure Schuld, also steht für den Teil gerade, der auf euer Konto geht<, würden sie die Hände hochheben und antworten: >O nein, großer Gott, nein, es tut uns leid, daß Sie verletzt worden sind, Ralph, wir verabscheuen Gewalt, aber es war nicht unsere Schuld, wir müssen Woman-Care geöffnet halten, wir müssen die Barrikaden mit Kämpferinnen besetzen, und wenn ein wenig Blut vergossen werden muß, so sei es.< Aber es geht gar nicht um Woman-Care, und das ist es, was mich so fuchsteufelswild macht. Es geht um -«

»-Abtreibung.«

»Scheiße, nein! Das Recht auf Abtreibung in Maine und in Derry ist sicher, was Susan Day Freitag abend im Bürgerhaus auch immer sagen mag. Es geht darum, wessen Mannschaft die bessere ist, um mehr nicht. Es geht darum, auf wessen Seite Gott ist. Es geht darum, wer recht hat. Ich wünschte mir, sie würden alle einfach nur >We Are the Champions< singen und sich betrinken.«

Ralph warf den Kopf zurück und lachte. Leydecker lachte mit ihm.

»Sie sind Arschlöcher«, kam er achselzuckend zum Ende. »Aber sie sind unsere Arschlöcher. Hört sich das an, als würde ich Witze machen? Keineswegs. Woman-Care, Friends of Life, Body Watch, Daily Bread... sie sind alle unsere Arschlöcher, Arschlöcher von Derry, und es macht mir wirklich nichts aus, auf die unseren aufzupassen. Darum habe ich diesen Job angenommen, und darum bleibe ich dabei. Aber Sie müssen mir schon verzeihen, wenn ich nicht ganz so verrückt darauf bin, wenn ich dazu verknackt zu werden, auf eine langbeinige amerikanische Schönheit aus New York aufzupassen, die hierher fliegt, eine aufrührerische Rede hält und mit einigen weiteren Zeitungsberichten und Kapitel fünf ihres neuen Buchs wieder nach Hause fliegt.

In die Gesichter wird sie uns sagen, was für eine wunderschöne ländliche Gemeinde wir sind, und wenn sie wieder in ihrer Maisonette-Wohnung in der Park Avenue South sitzt, wird sie ihren Freundinnen erzählen, daß sie es bis jetzt noch nicht geschafft hat, den Gestank der Papierfabriken aus den Haaren zu shampoonieren. Sie ist eine Frau, wir werden ihr Geschrei anhören... und mit etwas Glück wird sich die ganze Sache wieder beruhigen, ohne daß jemand getötet oder verstümmelt wird.«

Ralph war inzwischen überzeugt, was das grüne Flackern zu bedeuten hatte. »Aber Sie haben Angst, oder nicht?« fragte er.

Leydecker sah ihn überrascht an. »Sieht man das, ja?«

»Nur ein bißchen«, sagte Ralph und dachte: Nur in Ihrer Aura, John, sonst nicht. Nur in Ihrer Aura.

»Ja, ich habe Angst. Auf persönlicher Ebene habe ich Angst davor, daß ich meinen Auftrag versaue, der überhaupt nichts Positives hat, das kompensieren könnte, was alles schiefgehen kann. Auf beruflicher Ebene habe ich Angst, daß ihr etwas passiert, solange sie unter meinem Schutz steht. Auf Gemeindeebene habe ich Todesangst davor, was passieren könnte, sollte es zu einer Art Konfrontation kommen und der Geist aus der Flasche befreit werden... noch Kaffee, Ralph?«