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Iphigenie. Pylades.

Pylades:

Wo ist sie? daß ich ihr mit schnellen Worten

Die frohe Botschaft unsrer Rettung bringe!

Iphigenie:

Du siehst mich hier voll Sorgen und Erwartung

Des sichern Trostes, den du mir versprichst.

Pylades:

Dein Bruder ist geheilt! Den Felsenboden

Des ungeweihten Ufers und den Sand

Betraten wir mit fröhlichen Gesprächen;

Der Hain blieb hinter uns, wir merkten's nicht.

Und herrlicher und immer herrlicher

Umloderte der Jugend schöne Flamme

Sein lockig Haupt; sein volles Auge glühte

Von Mut und Hoffnung, und sein freies Herz

Ergab sich ganz der Freude, ganz der Lust,

Dich, seine Retterin, und mich zu retten.

Iphigenie:

Gesegnet seist du, und es möge nie

Von deiner Lippe, die so Gutes sprach,

Der Ton des Leidens und der Klage tönen!

Pylades:

Ich bringe mehr als das; denn schön begleitet

Gleich einem Fürsten pflegt das Glück zu nahn.

Auch die Gefährten haben wir gefunden.

In einer Felsenbucht verbargen sie

Das Schiff und saßen traurig und erwartend.

Sie sahen deinen Bruder, und es regten

Sich alle jauchzend, und sie baten dringend,

Der Abfahrt Stunde zu béschleunigen.

Es sehnet jede Faust sich nach dem Ruder,

Und selbst ein Wind erhob vom Lande lispelnd,

Von allen gleich bemerkt, die holden Schwingen.

Drum laß uns eilen, führe mich zum Tempel,

Laß mich das Heiligtum betreten, laß

Mich unsrer Wünsche Ziel verehrend fassen!

Ich bin allein genug, der Göttin Bild

Auf wohlgeübten Schultern wegzutragen:

Wie sehn ich mich nach der erwünschten Last!

Er geht gegen den Tempel unter den letzten Worten, ohne zu bemerken, daß Iphigenie nicht folgt; endlich kehrt er sich um.

Du stehst und zauderst — Sage mir — du schweigst!

Du scheinst verworren! Widersetzet sich

Ein neues Unheil unserm Glück? Sag an!

Hast du dem Könige das kluge Wort

Vermelden lassen, das wir abgeredet?

Iphigenie:

Ich habe, teurer Mann; doch wirst du schelten.

Ein schweigender Verweis war mir dein Anblick.

Des Königs Bote kam, und wie du es

Mir in den Mund gelegt, so sagt ich's ihm.

Er schien zu staunen und verlangte dringend,

Die seltne Feier erst dem Könige

Zu melden, seinen Willen zu vernehmen;

Und nun erwart ich seine Wiederkehr.

Pylades:

Weh uns! Erneuert schwebt nun die Gefahr

Um unsre Schläfe! Warum hast du nicht

Ins Priesterrecht dich weislich eingehüllt?

Iphigenie:

Als eine Hülle hab ich's nie gebraucht.

Pylades:

So wirst du, reine Seele, dich und uns

Zugrunde richten. Warum dacht ich nicht

Auf diesen Fall voraus und lehrte dich

Auch dieser Fordrung auszuweichen!

Iphigenie:

Schilt

Nur mich, die Schuld ist mein, ich fühl es wohl;

Doch konnt ich anders nicht dem Mann begegnen,

Der mit Vernunft und Ernst von mir verlangte,

Was ihm mein Herz als Recht gestehen mußte.

Pylades:

Gefährlicher zieht sich's zusammen; doch auch so

Laß uns nicht zagen oder unbesonnen

Und übereilt uns selbst verraten. Ruhig

Erwarte du die Wiederkunft des Boten,

Und dann steh fest, er bringe, was er wilclass="underline"

Denn solcher Weihung Feier anzuordnen

Gehört der Priesterin und nicht dem König.

Und fordert er, den fremden Mann zu sehn,

Der von dem Wahnsinn schwer belastet ist,

So lehn es ab, als hieltest du uns beide

Im Tempel wohlverwahrt. So schaff uns Luft,

Daß wir aufs eiligste, den heil'gen Schatz

Dem rauh unwürd'gen Volk entwendend, fliehn.

Die besten Zeichen sendet uns Apoll,

Und eh wir die Bedingung fromm erfüllen,

Erfüllt er göttlich sein Versprechen schon.

Orest ist frei, geheilt! — Mit dem Befreiten

O führet uns hinüber, günst'ge Winde,

Zur Felseninsel, die der Gott bewohnt;

Dann nach Myken, daß es lebendig werde,

Daß von der Asche des verloschnen Herdes

Die Vatergötter fröhlich sich erheben

Und schönes Feuer ihre Wohnungen

Umleuchte! Deine Hand soll ihnen Weihrauch

Zuerst aus goldnen Schalen streuen. Du

Bringst über jene Schwelle Heil und Leben wieder,

Entsühnst den Fluch und schmückest neu die Deinen

Mit frischen Lebensblüten herrlich aus.

Iphigenie:

Vernehm ich dich, so wendet sich, o Teurer,

Wie sich die Blume nach der Sonne wendet,

Die Seele, von dem Strahle deiner Worte

Getroffen, sich dem süßen Troste nach.

Wie köstlich ist des gegenwärt'gen Freundes

Gewisse Rede, deren Himmelskraft

Ein Einsamer entbehrt und still versinkt.

Denn langsam reift, verschlossen in dem Busen,

Gedank ihm und Entschluß; die Gegenwart

Des Liebenden entwickelte sie leicht.

Pylades:

Leb wohl! Die Freunde will ich nun geschwind

Beruhigen, die sehnlich wartend harren.

Dann komm ich schnell zurück und lausche hier

Im Felsenbusch versteckt auf deinen Wink —

Was sinnest du? Auf einmal überschwebt

Ein stiller Trauerzug die freie Stirne.

Iphigenie:

Verzeih! Wie leichte Wolken vor der Sonne,

So zieht mir vor der Seele leichte Sorge

Und Bangigkeit vorüber.

Pylades:

Fürchte nicht!

Betrüglich schloß die Furcht mit der Gefahr

Ein enges Bündnis: beide sind Gesellen.

Iphigenie:

Die Sorge nenn ich edel, die mich warnt,

Den König, der mein zweiter Vater ward,

Nicht tückisch zu betrügen, zu berauben.

Pylades:

Der deinen Bruder schlachtet, dem entfliehst du.

Iphigenie:

Es ist derselbe, der mir Gutes tat.

Pylades:

Das ist nicht Undank, was die Not gebeut.

Iphigenie:

Es bleibt wohl Undank; nur die Not entschuldigt.

Pylades:

Vor Göttern und vor Menschen dich gewiß.

Iphigenie:

Allein mein eigen Herz ist nicht befriedigt.

Pylades:

Zu strenge Fordrung ist verborgner Stolz.

Iphigenie:

Ich untersuche nicht, ich fühle nur.

Pylades:

Fühlst du dich recht, so mußt du dich verehren.

Iphigenie:

Ganz unbefleckt genießt sich nur das Herz.

Pylades:

So hast du dich im Tempel wohl bewahrt;

Das Leben lehrt uns, weniger mit uns

Und andern strenge sein; du lernst es auch.

So wunderbar ist dies Geschlecht gebildet,

So vielfach ist's verschlungen und verknüpft,

Daß keiner in sich selbst noch mit den andern

Sich rein und unverworren halten kann.

Auch sind wir nicht bestellt, uns selbst zu richten;

Zu wandeln und auf seinen Weg zu sehen,