Выбрать главу

»Kannst du sprechen?«, fragte Randy ihn, während er einen zögerlichen Schritt nach vorne wagte. »Kannst du die Augen öffnen?«

Es gibt keinen Grund für mich, die Augen zu öffnen. Niemand ist so blind wie die, die nicht sehen wollen.

»Wer bist du?«, wollte Randy wissen. »Wieso ist dein Gesicht in der Wand eingemauert?«

Ich heiße Lester. Na ja, manchmal heiße ich Lester. Oft auch Belphegor. Ist ein cooler Name, oder? Belphegor.

»Warum ist dein Gesicht in der Wand?«

Warum bist du überhaupt hier, Randy? Du heißt doch Randy, oder? Ich habe gehört, wie dein Vater dich Randy genannt hat.

»Mein Dad will dieses Haus kaufen und zu einem Hotel umbauen.«

Will er das? Nun, da wird sich so mancher ziemlich drüber freuen. Manche nicht, denn manche wollen, dass alles so bleibt, wie es ist. Aber einige werden sich freuen.

»Ich weiß nicht. Mir gefällt dieser Ort nicht. Es ist alles so alt hier und es stinkt.«

Nun, das mag sein. Aber wenn du herkommen würdest, um hier zu leben, hättest du etliche neue Freunde.

»Aber wir sind doch mitten in der Pampa!«, protestierte Randy. »Wer lebt denn schon hier draußen?«

Wir. Wir alle. Und wir könnten deine Freunde sein. Und ich könnte dein ganz besonderer Freund werden.

Randy zögerte. Er konnte die Schritte seines Vaters hören, der die Treppe erklomm, gefolgt vom Klipp-Klapp von Karens abgewetzten Absätzen.

»Ich muss los!«, sagte er zu dem Gesicht.

Komm mal her, komm näher zu mir, bat ihn das Gesicht.

»Lieber nicht.«

Komm näher. Willst du, dass wir Freunde werden?

»Klar, aber …«

Dann komm näher.

Randy trat auf die Wand zu und legte vorsichtig eine Hand darauf, genau unter das Gesicht, das sagte: Magst du Geheimnisse, Randy? Magst du Zaubertricks? Magst du nackte Frauen?

Randy wusste nicht, was er darauf erwidern sollte.

Der Mund des Gesichts verzog sich langsam zu einem verschwörerischen Lächeln. Ich kann dir Geheimnisse verraten, Randy. Ich kann dir Zaubertricks beibringen, von denen du noch nicht einmal zu träumen gewagt hast. Und nackte Frauen kann ich dir auch zeigen.

Randy schauderte, ohne zu wissen, woran es lag.

Jacks Stimme hallte im Gang wider. »Randy? Bist du da? Randy, wo zum Teufel steckst du?«

Wenn du das alles willst, dann komm wieder hierher zurück, Randy, komm in dieses Zimmer und sprich mit mir. Aber erzähl niemandem, dass du mich gesehen hast. Überhaupt niemandem. Nicht deinem Vater, nicht deiner Mutter, niemandem. Und ganz besonders niemand anderem, der in der Wand ist.

»Randy!«, rief Jack, diesmal mit entschieden mehr Nachdruck.

»Was meinst du damit, niemand anderem, der in der Wand ist?«, beeilte sich Randy zu fragen.

Merk dir eins: Manche von uns sind nicht so nett wie ich. Manche sind regelrecht gemein. Und einige sind wirklich gefährlich. Man sollte sie hinter Schloss und Riegel bringen.

In diesem Moment stieß Jack die Tür weit auf und rief: »Randy? Bist du da drinnen?« Das Gesicht, das sich Lester nannte, zerschmolz, als ob es aus Gelee bestand. Als Jack das Zimmer betrat und Randy sah, war die Tapete wieder glatt, absolut eben.

»Kannst du nicht antworten, wenn ich dich rufe?«, wollte Jack wissen. »Ich hab überall nach dir gesucht.«

Von der Fußbodenleiste ertönte ein schwaches Sssssschhhhhhhh – ssssschhhhhhh. Jack legte Randy die Hand auf die Schulter, runzelte die Stirn und forderte ihn auf zu lauschen.

Randy sah erwartungsvoll zu ihm auf.

»Hast du das gehört?«, wollte Jack wissen. »So ein Pst-Geräusch.«

Daniel Bufo hatte zu ihnen aufgeschlossen. Seine Kreppsohlen schmatzten auf dem Linoleumboden. »Wahrscheinlich Ratten!«, bemerkte er, während er sich mit einem Taschentuch den Hals abwischte.

»Na ja, könnten auch Eichhörnchen sein!«, erwiderte Jack.

Daniel Bufo sah sich im Zimmer um und rümpfte die Nase. »Hier müsste man dringend mal ein bisschen sauber machen.«

Sie verließen den Raum. Randy drehte sich um, als er die Tür erreichte, und sah zurück zur Wand mit dem braunen Tapetenblumenmuster. Er wusste nicht, ob er seinem Daddy von Lester erzählen sollte oder nicht. Wenn er es sich genauer überlegte, klang es regelrecht verrückt. Und sein Daddy würde ein Riesendrama daraus machen, zuerst die Wände abtasten und, wenn er nichts finden konnte, die Hand auf Randys Stirn legen und sich erkundigen, ob er sich krank fühlte. Und wie sollte er das mit den nackten Frauen erklären? Sein Vater würde ihn keine nackten Frauen sehen lassen, das stand ja wohl fest.

Also entschloss sich Randy, sein Geheimnis für sich zu behalten, zumindest für den Augenblick. Vielleicht würden sie ja nie wieder hierhin zurückkehren. Und Lester hatte ihn schließlich gebeten, niemandem von ihm zu erzählen. Merk dir eins. Manche sind regelrecht gemein. Und einige sind wirklich gefährlich.

»Ich höre dann also bald von Ihnen?«, erkundigte sich Daniel Bufo. »Aber sicher doch!«, bestätigte Jack. Sie standen draußen im Regen, während Karen und Randy bereits im Auto warteten. Karen zog sich mithilfe des Rückspiegels die Lippen nach; Randy malte mit dem Finger Bilder auf die beschlagene Scheibe.

»Ich habe heute Morgen mit den jetzigen Eigentümern gesprochen«, erzählte ihm Daniel Bufo, während er die Augen leicht zusammenkniff. »Ich muss Ihnen sagen, dass sie ziemlich zugeknöpft sind.«

»Meinen Sie damit, dass sie nicht verkaufen wollen?«

»Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Sie geben keine eindeutige Antwort, wenn Sie wissen, was ich meine. Ich habe ihnen mitgeteilt, dass ich Kundschaft aus Milwaukee habe, die an dem Objekt interessiert ist. Aber sie haben nicht darauf reagiert, nur ›hmmm‹ gemacht und dann aufgelegt.«

»Nur hmmm?«, vergewisserte sich Jack.

Daniel Bufo beugte sich zu ihm vor. Von der Nasenspitze des Immobilienmaklers hing ein Tropfen Regenwasser und sein Atem roch nach ungarischer Salami und Mundspray. »Es würde mir helfen, wenn ich ihnen einen Preis nennen könnte.«

»Wollen Sie damit sagen, dass sie keinen bestimmten Preis im Kopf haben?«

»Ich bin mir nicht sicher, ob sie wirklich verkaufen wollen, um ehrlich zu sein.«

»Aber sie haben Ihnen auch nicht klar und deutlich gesagt, dass sie gar nicht verkaufen wollen?«

»Nein, Sir. Sie sagten ›hmmm‹.«

»Nun«, sagte Jack, »ich dachte an 500, vielleicht 550, etwas um den Dreh.«

Daniel Bufo verzog das Gesicht. »Das ist ein ziemlich niedriges Angebot, Mr. Reed«, sagte er ohne große Begeisterung. »Hier gibt es knapp sieben Hektar Wald und dann noch das Gebäude selbst.«

»Hat denn sonst noch jemand ein Angebot abgegeben?«

»Nein, Sir.«

»Also, dann ist das mein Angebot. Fragen Sie die Eigentümer und lassen Sie mich wissen, was sie davon halten. Schlimmstenfalls sagen sie dazu ›hmmm‹.«

»Ja, wahrscheinlich.« Daniel Bufo nahm sein Taschentuch heraus und putzte sich die Nase. »Das wäre wirklich etwas, wenn wir dieses Gebäude aus unseren Büchern streichen könnten, glauben Sie mir. Das ist bei uns im Büro ein Running Gag, wissen Sie? Immer wenn jemand sich beschwert, dass ein Objekt kaum an den Mann zu bringen ist, kommt als Antwort, dass es fast so schwierig läuft wie bei The Oaks

»So heißt das Anwesen? The Oaks – die Eichen?«

»So wurde es getauft, als es ein Pflegeheim war.«

»The Oaks!«, wiederholte Jack langsam. Er trat einen Schritt zurück und sah noch einmal auf das Gebäude, seine dunklen, im Regen glitzernden Türme. Er wusste nicht, weshalb es ihn dermaßen ansprach, aber er hatte sich in das Haus verliebt, in seinen baufälligen Charme und seine Geheimnisse. Er drehte sich zum Auto und Karen winkte ihm zu. Randy drückte sich gelangweilt die Nase am Fenster platt. Wahrscheinlich wünschte er sich gerade, doch lieber in die Schule gegangen zu sein.