»Nicht hier!«, ermahnte sie ihn. »Wir können es hier nicht tun.«
Ihr kurzer, enger Rock war die Schenkel hochgerutscht. Jack schob ihn sogar noch weiter hoch, bis rauf zu ihrer Hüfte. Darunter trug sie nichts als ihre schwarze Netzstrumpfhose. Er streichelte über ihre Schenkel. Sie fröstelte und knabberte mit ihren Zähnen an seinem Hals. Er berührte sie zwischen den Beinen. Ihre geschwollenen Schamlippen zeichneten sich durch das Rautenmuster der Strumpfhose ab. Jack steckte seinen Finger hinein. Sie war glitschig, heiß und feucht.
»Karen«, keuchte er. »Oh Gott, Karen.«
Im selben Moment hörte er das Geräusch, als es an ihnen vorbeizog. Sssschhhhhhh – sssschhhhh – ssssschhhh. Dieses lang gezogene, schwere, zementartige Schleifen.
Sie erstarrten alle beide. Ihre Atemluft verdampfte in der Dunkelheit.
»Was war das?«, fragte Karen.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Jack, der immer noch lauschte und in Alarmbereitschaft war. Sein Steifer fiel in sich zusammen. Er zog den Finger aus Karens Scheide.
»Randy?«, rief er. Dann lauter: »Randy?«
Keine Antwort. Er wartete, lauschte. Dann schrie er fast schon hysterisch: »Randy!«
»Oh Gott«, keuchte Karen. »Was ist mit ihm passiert?«
Jack rannte durch den dunklen Gang zurück. Karen zog ihren Rock herunter, stopfte ihre Brüste wieder in den BH und setzte ihm nach.
»Randy! Bist du da?«, rief Jack.
Sie erreichten die offene Tür des Zimmers, in dem Randy sich eben an die Wand gehockt hatte. Es war leer. Jack suchte mit der Taschenlampe jeden Zentimeter gründlich ab, leuchtete von einer Ecke zur anderen, nahm sogar die Decke in Augenschein. Braune Blumentapete, eine verschimmelte Kopie von Susanna und die Alten. Ein Bett, auf dem sich braun verkrustete Spuren von Inkontinenz fanden. Doch kein Randy, nirgendwo.
»Randy!«, schrie Jack in den Gang. Seine Stimme wurde von der abgestandenen Luft gedämpft.
»Wahrscheinlich war ihm langweilig«, meinte Karen. »Weit kann er ja nicht gekommen sein.«
»Ich habe ihm befohlen, hier zu warten!«, erwiderte Jack. »Ich habe ihm befohlen, hier zu warten und sich nicht zu bewegen. Herrgott! Hätten wir ihn doch besser mitgenommen!«
»Jack, es ist nicht deine Schuld.«
»Ich weiß nicht, welcher Teufel mich geritten hat, ihn dort allein zurückzulassen.«
Karen streckte die Hand aus und berührte ihn sanft am Arm. »Ach, komm schon, Jack, du weißt, woran du gedacht hast. Und ich ebenfalls.«
Jack schrie: »Randy! Randy! Kannst du mich hören! Randy!«
Er lauschte. Keine Antwort. Er hörte nur den Regen, der in den Rinnen gurgelte, und das leise Knarzen eines Gebäudes, um das sich seit mehr als 60 Jahren niemand mehr gekümmert hatte. Willkommen zurück, Jack!, schien es ihm zuzuflüstern.
»Wir müssen nach ihm suchen«, entschied Jack. »Allmächtiger Gott! Wie lange waren wir weg? Zwei Minuten? Drei? Habe ich ihm nicht gesagt, dass er dort sitzen bleiben und warten und sich nicht von der Stelle rühren soll? Hast du gehört, wie ich das zu ihm gesagt habe? Randy!«
Sie liefen den Gang zurück bis zur Treppe. Jack war kalt und er war gereizt. Er musste immer wieder schlucken. Was, wenn Randy recht behalten hatte und sich doch ein Perverser hier im Haus vergnügte? Er konnte Randy jetzt schon ermordet und seinen Körper weggeschleift haben. Wie sollten sie ihn jemals finden?
Und falls sie ihn doch fanden, war es vielleicht schon zu spät. Randy konnte gequält, missbraucht oder stranguliert worden sein. Und währenddessen hatte Jack den Finger in seine Sekretärin gesteckt. Was sollte er bloß der Polizei erzählen? Und Maggie erst?
Sie rannten die Stufen hinunter. Ihre Schritte hallten in der bedrückenden Stille. Karen sagte atemlos: »Er wird schon irgendwo stecken, Jack. Hat sich bestimmt nur umgesehen.«
»Randy!«, brüllte Jack und leuchtete mit der Taschenlampe den Gang im zweiten Stock ab. Er wartete, doch es kam keine Antwort.
»Weißt du, wie viele Zimmer es in diesem Haus gibt, verflucht noch mal?«, fragte er Karen.
Sie antwortete: »Tut mir leid, Jack. Es ist auch meine Schuld.«
»Natürlich ist es nicht deine Schuld. Ich bin sein Vater. Ich hätte ihn nicht hierher bringen dürfen. Diese ganze Fahrt heute Abend war eine absolute Schnapsidee. Ich weiß nicht, was mich auf diese bescheuerte …«
Aus weiter Entfernung erscholl schlagartig der dumpfe Schrei eines kleinen Kindes, das einen nachtschwarzen Brunnen herabfällt. Er hörte eine Stimme, die Aaaaaaaahi-Auuuuuuu! schrie und dann abrupt wieder verstummte.
»Hast du das gehört?«, erkundigte er sich bei Karen.
»Ja, da war was, keine Ahnung. Vielleicht eine Katze.«
»Katze? Das war Randy. Randy!«
Keine Antwort. Jack rannte den Gang im zweiten Stock entlang, bis er zur Treppe am anderen Ende des Gebäudes gelangte. »Randy? Randy? Randy, ich bin’s, Daddy!«
Sie verbrachten zwei Stunden damit, jede einzelne Etage abzusuchen, an jedem Türgriff zu rütteln. Das Haus hatte über hundert Zimmer und lediglich das, in dem sie Randy zurückgelassen hatten, war nicht abgeschlossen gewesen. Nirgendwo eine Spur von dem Jungen – nicht in den Gängen, nicht in der Küche, nicht im gesamten ersten Stockwerk.
Schließlich kamen sie die Treppe hinunter in die Halle. Es war inzwischen fast 02:00 Uhr morgens und die Batterien in Jacks Taschenlampe begannen zu schwächeln. Karen meldete sich zu Wort: »Ich muss Bessy anrufen und ihr sagen, dass ich nicht zurückkomme.« Bessy war eine Kellnerin mit dicken Knöcheln, die seit Karens Scheidung bei ihr eingezogen war und Sherrywine beaufsichtigte, wann immer Karen tanzen oder etwas trinken gehen wollte.
»Hier gibt es kein Telefon«, merkte Jack an.
»Aber an der Tankstelle in Lodi gab es ein Telefon.«
»Na, und was denkst du, was ich jetzt mache? Meinst du vielleicht, ich lasse Randy hier zurück, damit du deine Babysitterin anrufen kannst? Herrgott, Karen, vielleicht ist er ermordet worden!«
»Hier ist er nicht, Jack! Er läuft irgendwo herum! Wir sind die Gänge Dutzende Male rauf und runter gelaufen! Wahrscheinlich ist er zum Auto zurückgegangen, um sich ein wenig hinzulegen. Wir haben noch gar nicht im Auto nachgesehen.«
»Den Keller haben wir auch noch nicht überprüft.«
Karen massierte sich kräftig den Arm – eine Geste unterdrückter Nervosität. »Jack, ich habe Angst!«, gab sie zu.
»Ich meine, was, wenn es Lester wirklich gibt?«
»Es dauert nicht lang, im Keller nachzusehen.«
»Jack, ich hasse Keller. Ich hasse sie wirklich.«
»Na gut, willst du vielleicht lieber hier auf mich warten?«
Karen sah sich um, sah auf die blinden, schweigenden Statuen, die an jedem Treppenaufgang aufgestellt waren. »Hier? In der Dunkelheit?«
»Dann warte eben draußen.«
Karen biss sich auf die Unterlippe. »Nein, ich komme mit. Solange die Taschenlampe ihren Geist noch nicht aufgibt.«
Die Kellertür befand sich auf der Westseite der Halle. Sie war breiter als die meisten anderen im Haus. Ihre Eichentäfelung war verblichen. Jack zog am Griff und erwartete, dass abgeschlossen war, hoffte es sogar, doch sie schwang ihnen federleicht entgegen. Feuchte, kalte Zugluft drang aus der Dunkelheit zu ihnen herauf und Karen zitterte am ganzen Körper.
»Meinst du wirklich, er steckt da unten?«
Jack richtete die funzelnde Maglite durch die Türöffnung. Das immer schwächer werdende Licht schälte eine Steintreppe und ein primitives Eichengeländer aus der Finsternis.
»Randy!«, rief er. Seine Stimme hallte nicht im Geringsten. Er hätte genauso gut in ein Kissen schreien können. »Randy?«