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»Lass uns zum Auto zurückgehen!«, schlug Jack vor.

Karen sah auf den Postsack. »Und was hast du damit vor?«

»Ich weiß es nicht. Erst mal hierlassen. Was soll ich sonst damit machen?«

Doch genau in diesem Augenblick blendete sie ein greller Lichtstrahl und eine Stimme sagte trocken: »Sie könnten ihn wegwerfen, Mister, und sich um Ihre eigenen Angelegenheiten scheren.«

Die Taschenlampe ruckelte näher. Jack hob schützend die Hand vor die Augen, doch er konnte nur die dunkle Silhouette eines Mannes in einer schwarzen, wasserdichten Feuerwehrjacke mit einem riesigen, schlottrigen Regenhut erkennen. An einer kurzen Leine befand sich etwas, das aussah wie ein Dobermann, der schnaufte und winselte und darauf drängte, dass sein Besitzer ihn endlich laufen ließ.

»Das war mein Hund!«, bemerkte die trockene Stimme und richtete die Lampe kurz auf die gegenüberliegende Seite des Swimmingpools. »Vielleicht haben Sie schon von Hunden mit zwei Schwänzen gehört, denen es gut ging. Aber ein Hund mit zwei Köpfen, das ist nicht mehr witzig. Er lebte sieben Monate und ich habe noch nie eine Kreatur Gottes so leiden sehen.«

Der Mann hielt inne und fuhr dann fort: »Darf ich Sie fragen, was Sie um 03:00 Uhr nachts auf fremdem Gelände verloren haben?«

»Wer sind Sie?«, erkundigte sich Jack.

»Tut mir leid, Freundchen. Ich hab zuerst gefragt.«

»Ich heiße Jack Reed. Ich kaufe The Oaks.«

Der Mann schwieg erneut, diesmal deutlich länger. Dann: »Sie kaufen The Oaks?«

»Ganz recht. Das können Sie sich von Mr. Bufo von Capitol Realtors bestätigen lassen.«

»Davon hat mir Mr. Bufo nie etwas gesagt.«

»Tja, vermutlich, weil das Geschäft noch nicht offiziell abgeschlossen wurde. Doch die Eigentümer haben mein Angebot akzeptiert.«

»Hm-hm!«, sagte der Mann. »Das haben sie bestimmt.«

»Was wollen Sie denn damit sagen?«

»Genau das, was ich gesagt habe. Das haben sie bestimmt, das war zu erwarten. Wahrscheinlich konnten sie ihr Glück kaum fassen.«

Gereizt entgegnete Jack: »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu verraten, wer Sie sind?«

»Kein Problem«, antwortete der Mann. Er richtete unvermittelt den Strahl der Taschenlampe auf sein eigenes Gesicht. Er war ziemlich alt, Jack schätzte ihn auf Mitte 70, trug deutsche oder auch slawische Züge im Gesicht. Seine Augen waren blassblau und seine Haut besaß die Farbe von Leberwurst. An beiden Seiten der Nase zogen sich zwei Reihen blutroter Narben nach unten.

»Ich heiße Joseph Lovelittle«, stellte er sich vor. »Meine Eltern haben den Namen Kleinlieb während des Ersten Weltkriegs abgelegt. Nicht klein genug, zu wenig Liebe. So ziemlich die Einzigen in Milwaukee, die das getan haben. Denn die meisten von ihnen sind stolz auf ihre deutsche Abstammung. Auch heute noch.«

Er senkte die Taschenlampe. »Ich sah Ihren Wagen da hinten auf der Straße stehen. Wissen Sie, ich schlafe so gut wie gar nicht, damit habe ich echte Probleme. Das war schon immer so. Und deshalb bekam ich den Job als Wachmann. Um etwa 02:00 Uhr morgens drehe ich mit Boy hier üblicherweise meine Runde. Er geht gerne nachts spazieren, genau wie ich. Nachts sieht man einfach mehr.«

»Haben Sie einen kleinen Jungen bei meinem Auto gesehen?«, erkundigte sich Jack. »Neun Jahre alt, helles Haar, blauer Anorak?«

Joseph Lovelittle schien darüber nachzudenken. »Nein, kann ich nicht behaupten«, antwortete er schließlich. »Ich habe auch durchs Fenster reingespäht. Vermissen Sie ihn?«

Jack nickte.

»Nun«, fuhr Joseph Lovelittle fort, »The Oaks ist kein idealer Ort, um nachts herumzustreunen. Ab und zu kommen Hausbesetzer hierher. Na ja, sagen wir besser Möchtegern-Hausbesetzer. Hippies, Drogensüchtige, Rocker, Sie wissen schon. Doch Boy und ich, wir geben unser Bestes, um sie von dort zu vertreiben. Und The Oaks ist wirklich kein Fleckchen Erde, an dem man sich gerne dauerhaft aufhält, selbst wenn man ein hartgesottener Rocker ist.«

»Haben Sie eine Idee, wo mein Sohn sich verstecken könnte?«, wollte Jack wissen. »Wir haben das ganze Gebäude nach ihm abgesucht.«

Jack sah zu Karen und fragte sich, ob er Joseph Lovelittle von den Händen erzählen sollte, die aus dem Kellerboden gekommen waren, und von dem Abdruck der Frau in der Wand, die sie angestarrt hatte. Sie schüttelte fast unmerklich den Kopf. Sie wussten ja noch gar nicht so genau, wer dieser »Joseph Lovelittle« überhaupt war, und durften bei einem Wildfremden auf keinen Fall einen exzentrischen oder ausgetickten Eindruck hinterlassen. Schließlich konnte er jederzeit die Polizei rufen, die sie dann wegen Hausfriedensbruch drankriegen konnte. Und außerdem: Vielleicht lag Jack mit seiner Vermutung gar nicht so falsch, dass irgendwo Gas austrat oder eine atmosphärische Besonderheit im Gebäude daran schuld war, dass man kurzzeitig erschreckende Halluzinationen durchlitt.

Hier draußen auf dem verregneten Tennisplatz kam selbst Jack die Vorstellung völlig bescheuert vor, dass ihn ein graugesichtiger Mann, der aus dem Betonboden gekommen war, gepackt hatte.

Joseph Lovelittle schnappte sich den durchnässten Postsack und warf ihn erstaunlich geschickt mit nur einer Hand zurück in den Pool. Dann setzte er sich in Richtung Haus in Bewegung und zerrte seinen halb erstickten Dobermann hinter sich her. Jack und Karen folgten ihm.

»Es hat keinen großen Sinn, nachts das Haus zu durchsuchen«, bemerkte Joseph Lovelittle. »Erst recht nicht ohne Schlüssel.«

»Randy kann ja wohl schlecht in einen Raum gelangen, der verschlossen ist«, gab Jack zu bedenken.

Joseph Lovelittles Regenmantel gab ein gummiartiges Quietschen von sich, während er lief. »Da bin ich mir nicht so sicher«, verriet er Jack. »Die Türen besitzen eine Selbstverriegelung, wenn Sie verstehen, was ich meine. Sie schließen automatisch, sobald man sie hinter sich zuzieht, und lassen sich dann nur noch von außen mit einem Schlüssel öffnen. Also kann es durchaus sein, dass Ihr Junge eine offene Tür entdeckt hat, in das entsprechende Zimmer lief und sich dann selbst eingeschlossen hat.«

»Ich bin mir sicher, dass wir ihn rufen oder klopfen gehört hätten, wenn das passiert wäre.«

Joseph Lovelittle grunzte amüsiert. »Diese Zimmer sind ziemlich schalldicht, wenn sie geschlossen sind. Das wurde damals extra so gemacht. Spezialanfertigung.«

Als sie den Kiesweg hinter dem Gewächshaus erreichten, sah Jack auf die Uhr. »Hören Sie! Wenn wir zurückkommen, sobald es wieder hell ist, würden Sie uns dann dabei helfen, das Gebäude zu durchsuchen?«

»Nur gegen Bezahlung«, antwortete Joseph Lovelittle sofort.

Jack griff hinten in seine Hosentasche und zog seine Geldklammer hervor. Er nahm einen 20-Dollar-Schein und reichte ihn Joseph Lovelittle wortlos. Joseph Lovelittle inspizierte ihn im Licht seiner Taschenlampe.

»In Ordnung, kommen Sie um sieben Uhr zurück. Bis dahin ist es hell genug, vorausgesetzt, dass der Regen irgendwann mal aufhört.« Er nieste zweimal in seine Hand und fuhr dann fort. »Ich werde genau hier auf Sie warten. Kommen Sie pünktlich, okay? Ich habe schon genug zu tun, ohne nach Kindern zu suchen, die eigentlich gar nicht hier sein sollten.«

»Ich könnte auch immer noch die Polizei rufen«, meinte Jack provozierend, obwohl er es nicht wirklich ernst meinte.

Joseph Lovelittle lachte. »Den Bullen müssten Sie fünfmal so viel zahlen wie mir, damit sie überhaupt erst mal hier rausfahren. Tsss! Sie hassen diesen Ort. Sie hassen ihn wirklich.«

»Wir werden um Punkt sieben hier sein«, bestätigte Jack. »In der Zwischenzeit – halten Sie doch nach meinem Jungen Ausschau, ja?«

Joseph Lovelittle leuchtete Jack direkt ins Gesicht. »Sie sind ziemlich nass, oder? Gehen Sie lieber mal ganz schnell duschen, bevor Sie sich noch eine Lungenentzündung einfangen.« Er schwieg und fügte dann hinzu: »Wissen Sie, an wen Sie mich erinnern? An Dick Van Dyke, an den erinnern Sie mich.«