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Nach einiger Zeit sagte Jack: »Ich bin mir ziemlich sicher, dass Randy irgendwo da unten ist.«

»Im Keller?«

»Der Hund hat gebellt; es war das einzige Mal, dass er gebellt hat. Ich habe ihn an der Kackwurst schnüffeln lassen und er ist danach schnurstracks auf die Wand zugelaufen.«

»Glaubst du, dass Randy auch in der Wand steckt?«

»Ich weiß es nicht«, gestand Jack, während er sich die Augen rieb. »Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich glauben soll. Ich weiß, was ich gesehen habe, aber ich will es immer noch nicht wahrhaben.«

»Aber du bist trotzdem überzeugt, dass die Polizei dir glauben wird?«

»Karen, die Indizien …«

»Jack, Schätzchen, wenn’s nach meiner bescheidenen Erfahrung geht, schert sich die Polizei einen Scheißdreck um Indizien.«

Wieder schwiegen sie sich an. Der Regen rieselte auf die Bäume. Jack kramte seinen Autoschlüssel hervor und steckte ihn in die Zündung. »Er ist mein Sohn, Karen«, sagte er. »Alleine schaffe ich es nicht, ihn zu finden. Ich denke, dass er sich tatsächlich in der Wand verbirgt und Gott allein weiß, wie er da hineingeraten ist. Dieser Lester, über den er die ganze Zeit redete …«

»Schau!«, keuchte Karen.

Stirnrunzelnd sah Jack auf. Zwischen den dunklen Eichenstämmen konnte er eben noch eine grau-weiße, gesichtslose Gestalt mit Kapuze erkennen, die allein im Regen stand. Sie war nicht größer als ein siebenjähriges Kind. Doch warum sollte ein siebenjähriges Kind hier draußen sein und sie beobachten?

Jack öffnete die Tür des Kombis, doch in diesem Moment hielt ihn Karen am Arm fest. »Warte, es winkt uns zu.«

Die kleine Gestalt hatte beide Arme erhoben. Es winkt nicht nur, dachte Jack. Es winkt uns zu sich.

»Es will, dass wir ihm folgen«, stellte er fest.

»Was, hast du jetzt völlig den Verstand verloren? Du willst doch nicht noch mal dorthin zurück?«

»Du musst ja nicht mit«, erklärte ihr Jack. »Aber Karen … solange es auch nur den Hauch einer Chance gibt, dass ich Randy finde …«

Müde sah Karen ihn an. Sie wusste, dass er gehen musste. »Ich werde das Radio einschalten und auf dich warten, Jack. Aber wenn du in 20 Minuten nicht zurück bist …«

»Wenn ich in 20 Minuten nicht zurück bin, dann ruf die Bullen. Ich mein es ernst. Das musst du tun. Komm bloß nicht hinterher, um mich zu suchen.«

Er stieg aus dem Auto. Die kleine grau-weiße Gestalt stand immer noch zwischen den Eichen und gab ihm Zeichen. Jack zwängte sich durch die Lücke neben dem Tor und stapfte mit hochgestelltem Kragen die Kieseinfahrt entlang. Die Gestalt ließ die Hände herabsinken und wartete auf ihn. Durch die Bäume und den Regen konnte man sie kaum erkennen, doch es schien, dass Randy recht gehabt hatte. Die Gestalt besaß kein Gesicht. Vielleicht war es wieder nur eine Zeitung, die völlig durchgeweicht im Wind flatterte.

Bevor er noch näher herankommen konnte, hielt die Gestalt auf die Rückseite von The Oaks zu. Sie bewegte sich merkwürdig ruckhaft, so ähnlich wie ein Kind in einem neuen Regenmantel, der ihm viel zu groß war, gleichzeitig wirkten die Gesten seltsam unkoordiniert. Ein bisschen wie eine Zeichentrickfigur im Zeitraffer.

Jack näherte sich ebenfalls dem hinteren Teil des Gebäudes. Die kleine Erscheinung wartete neben der geöffneten Tür des Gewächshauses auf ihn. Sie gestikulierte nicht mehr. Als Jack nur noch 20 Meter von ihr entfernt war, sprang sie ins Innere und verschwand aus seinem Blickfeld.

Jack graute es, denn er wusste genau, wohin ihn dieses Versteckspiel führen würde. Am Eingang zum Anbau zögerte er und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Du musst nicht wieder hineingehen. Du könntest genauso gut die Polizei anrufen.

Die kleine grau-weiße Gestalt war nirgendwo in Sicht. Sie konnte sich höchstens direkt hinter der Tür verstecken, falls sie noch in der Nähe war. Auf dem Boden des Gewächshauses zeichneten sich zu seinem Erstaunen keine nassen Fußstapfen ab.

Doch Randy war irgendwo im Haus, da war Jack sich absolut sicher. Er konnte es regelrecht spüren. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich auf die Suche nach seinem Sohn zu machen.

Er durchquerte das verlassene Gewächshaus und betrat durch den Empfangsraum die Halle. Es schien noch stiller als sonst zu sein. Die Kellertür stand immer noch halb offen, so wie er sie vorhin zurückgelassen hatte. Er näherte sich ihr mit schnellen Schritten und öffnete sie mit den Fingerspitzen. Das Herz schlug ihm bis zum Hals.

Er wollte gerade hinuntersteigen, als eine Stimme zu flüstern begann.

Willkommen zurück, Jack.

Er wirbelte herum. Die blinde Statue gegenüber der Halle hatte ihre Marmoraugen geöffnet und blickte ihm direkt ins Gesicht.

Schön, dass du kommen konntest, Jack, sagte die Statue.

Jack zwang sich dazu, die Halle in ihre Richtung zu durchqueren. Seine Füße schienen kaum vorwärtszukommen, als ob er gelähmt wäre. Er stellte sich vor der Skulptur auf und starrte sie ebenfalls an. Ihr Gesicht war weiß, kalt und schien ihn spöttisch zu mustern. Sie lebte und sah aus wie eine Frau – und doch hatte sie etwas sehr Unmenschliches an sich. Eine marmorne Visage mit einem Herz aus Stein.

Du bist auf der Suche nach Randy, mutmaßte die Statue.

»Er ist hier?«, brachte Jack mit heiserer Stimme hervor.

Natürlich ist er hier. Wir haben ihn versteckt.

»Wer sind ›wir‹?«

Nun, mein Name ist Lester … aber es gibt noch viele von uns hier. Mach dir keine Sorgen, Jack, deinem Randy geht es gut.

»Wo ist er? Ich will ihn sehen.«

Alles zu seiner Zeit.

»Ich will ihn zurück, verdammt! Mir ist es egal, wer oder was ihr seid, ihr besitzt kein Recht, ihn hier festzuhalten!«

Heldenhafte Worte, Jack! Aber jetzt übertreib es mal nicht. Wir haben Randy, vergiss das nicht, und einige von uns brennen darauf, ihm etwas anzutun! Einige der Frauen … nun, selbst Quintus hat Schwierigkeiten, einige von ihnen unter Kontrolle zu halten.

»Quintus? Wer ist Quintus?«

Lass es mich so ausdrücken, Jack – die Statue schielte ihn an – jede soziale Gruppe hat einen Anführer. Quintus ist zufällig unserer. Natürlich nur, solange es uns passt.

»Was wollt ihr?«, wollte Jack wissen. »Geht es um Geld? Sag mir einfach, was zur Hölle ihr verlangt!«

Wir wollen den Priester, zischelte die Statue. Jetzt schien sie über jemanden zu sprechen, den sie wirklich verabscheute. Du musst uns den Priester bringen. Sonst wird Randy zermalmt; genauso wie wir Joseph Lovelittle den Garaus gemacht haben. Und auch dir würde dann etwas Schreckliches zustoßen.

»Priester? Was denn für ein Priester? Wovon redest du?«, wollte Jack von dem Standbild wissen.

Wir wollen den Priester! Bring uns den Priester! Wenn du uns nicht den Priester bringst, wird dein Randy zermalmt, zermalmt, zu Staub zermalmt!

Jack hob beide Hände. »Bitte! Hör mir zu! Wenn du willst, dass ich euch einen Priester bringe, werde ich euch einen bringen! Aber welchen genau? Einen bestimmten? Oder ist euch jeder Priester recht?«

Den Priester!, schrie die Statue und riss dabei den Mund so weit auf, dass man ihre weiße Marmorzunge sehen konnte. Den Priester! Den Priester! Du musst uns den Priester bringen!

Jack brüllte zurück: »Ich bringe euch gar niemanden – nicht, bevor ihr den Beweis angetreten habt, dass Randy wirklich bei euch ist – zeigt mir, dass es ihm gut geht! Habt ihr mich verstanden? Sonst könnt ihr es vergessen! Dann verschwinde ich jetzt und komme nie wieder zurück!«