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Jack deutete mit dem Kopf auf Randys Gesicht in der Wand. »Das ist mein Junge, Pater Bell«, erklärte er mit müder, vor lauter Emotionen ganz brüchiger Stimme. »Das ist mein Sohn.«

»Ich weiß, Mr. Reed, und ich kann mir gut vorstellen, wie Sie sich fühlen. Aber wir müssen einen anderen Weg finden, um Randy zu befreien. Wir dürfen nicht das Risiko eingehen, Quintus Miller auf freien Fuß zu setzen.«

»Sie meinen, Sie wollen das Risiko nicht eingehen.«

Pater Bells Nasenflügel blähten sich. »Na gut, wenn Sie es so ausdrücken möchten: Ich möchte das Risiko nicht eingehen. Aber was viel wichtiger ist: Ich werde keinerlei Verantwortung übernehmen.«

»Hab ich Sie darum gebeten?«, konterte Jack.

Daddy!, flüsterte Randy. Bitte, Daddy, sie werden mir wehtun, wenn du ihnen nicht hilfst.

Jack befreite sich abrupt aus Pater Bells Griff und lief auf die Wand zu. »Hier, Randy – nimm meine Hände. Kannst du das? Kannst du die Hände hinausstrecken? Komm, Raumflieger, ich zieh dich raus!«

»Nein!«, schrie Pater Bell und kam ihm hinterher. Er warf sich mit voller Wucht mit seinen knochigen Schultern gegen Jack, um ihn von der Wand wegzustoßen. Doch da schnellten zwei schneeweiße Hände hervor, die viel zu groß waren, um Randy zu gehören. Eine davon ergriff Pater Bell am rechten Handgelenk. Der alte Mann schrie vor Angst und versuchte, seinen Arm loszureißen, doch sein Gegner war viel zu stark.

Jack stolperte, fand im letzten Moment das Gleichgewicht wieder und schnellte sofort vor, um Pater Bell zu helfen. Doch da wandte ihm Randy das Gesicht zu und fletschte seine Zähne.

Hau ab, du blöder Scheißkerl! Musst du denn deine Nase wirklich in alles hineinstecken!, tobte eine bedrohliche Stimme aus dem Zement.

Jack schrak zurück. »Randy?«, rief er. »Randy?«

Doch er musste zusehen, wie Randys Gesicht urplötzlich wie trockene Kreide in sich zusammenfiel und in der Mitte auseinanderbrach. Hinter ihm erschien das Gesicht eines Mannes. Es war genauso weiß und maskenhaft, doch mit einer engen Stirn und zwei Augen, die sich fast berührten. Die Lippen waren zurückgezogen und gaben den Blick auf lange Zähne in geschwundenem Zahnfleisch frei.

»Holman«, flüsterte Pater Bell. »Gordon Holman!«

Genau der, Pater Bell, krähte die Fratze ihm entgegen. Sie besitzen wirklich ein großartiges Gedächtnis für Gesichter!

Jack trat vorsichtig hinter Pater Bell und wartete auf eine Gelegenheit, Holmans Arm zu packen, um den ehemaligen Geistlichen zu befreien. Doch der schrie hysterisch und schrilclass="underline" »Nein, nicht! Bleiben Sie weg! Das ist viel zu gefährlich!«

Ach, kommen Sie, Pater Bell. Wir sind alle gefährlich!

»Gordon, lass mich los!«, befahl Pater Bell. »Ich hab mich um dich gekümmert, Gordon, weißt du das nicht mehr? Ich hab dir Kaugummi mitgebracht. Und die ganzen Fernsehzeitschriften.«

Holman lächelte bei der Erinnerung. Sie waren ein guter Priester. Wir haben Sie alle gemocht, ganz ehrlich. Bis kurz vor dem Ende! Wir haben Ihnen vertraut.

»Komm schon, lass mich gehen«, appellierte Pater Bell. »Sei ein braver Junge. Du tust mir an der Hand weh.«

Doch das schmale, kreideartige Gesicht in der Wand verengte die Augen zu Schlitzen und setzte ein wissendes, überlegenes Lächeln auf. Sie haben gehört, was ich gesagt habe, Pater Bell – bis kurz vor dem Ende. Dann haben Sie uns betrogen und haben uns in diese Falle eingesperrt. In die Falle, Pater Bell! Wir kommen nicht vorwärts, aber wir kommen auch nicht mehr zurück.

Mit Panik in der Stimme verlangte Pater Belclass="underline" »Lass mich gehen, Gordon. Das führt doch zu nichts Gutem.«

Das Gesicht brach in wieherndes Gelächter aus. Da haben Sie recht, Pater Bell! Zu gar nichts Gutem!

In diesem Moment griff Jack nach Holmans Arm und versuchte, Pater Bells Handgelenk aus der Umklammerung zu lösen. Doch der gänzlich unmenschliche Arm war hart, eiskalt und voller Muskeln. Jack war bei Weitem nicht stark genug. Kurz darauf hörte Jack unmittelbar über seinem Kopf die panische Stimme von Randy: Daddy! Daddy! Nicht!

Verwirrt und vor Schreck wie erstarrt, trat Jack einen Schritt zurück. Randys Kopf und Schultern ragten aus der Decke. Die Hand eines unsichtbaren Mannes musste ihn am Nacken gepackt und in das Zimmer hineingedrückt haben, als ob sie versuchte, einen Welpen zu ertränken.

»Randy!«, schrie Jack und streckte sich, sprang mehrmals in die Luft, doch die Decke war etwas zu hoch – ihm fehlten einige Zentimeter, um sie berühren zu können.

Daddy! Bitte! Rette mich! Daddy, sie tun mir weh! Daddy, sie werden …

Randy wurde gewaltsam in die Decke zurückgezerrt. Sie schloss sich über ihm wie ein Eimer mit frisch angerührtem Gips. Wütend und verzweifelt drehte sich Jack wieder zu Pater Bell und dem starrenden, weißen Gesicht in der Mitte des Hexagramms um.

»Ihr miesen Schweine! Ihr lasst meinen Jungen gehen, habt ihr mich verstanden? Ich habe euch doch den Priester gebracht, verdammt noch mal. Was wollt ihr denn noch? Lasst ihn sofort gehen!«

Doch die Stimme erwiderte leise und mit einem verschlagenen, hinterhältigen Unterton: Quintus sagt – nur wenn ihr uns rauslasst!

»Ihr wollt raus?«, wollte Jack wissen. »Dann lassen wir euch eben frei! Kommen Sie, Pater Bell! Was für einen Unterschied macht das jetzt schon noch?«

Doch Pater Bell war gänzlich anderer Meinung. »Mr. Reed! Sie sollten noch nicht einmal daran denken, sie gehen zu lassen! Niemals! Nicht in tausend Jahren! Mr. Reed – hören Sie nicht auf das, was er sagt. Ich bitte Sie, Mr. Reed! Auf keinen Fall!«

Mit einer wütenden Geste zeigte Jack auf die Decke. »Haben Sie das eben gesehen? Haben Sie den Jungen gesehen? Das ist mein Sohn! Und was macht es schon für einen Unterschied, ob wir ihnen die Freiheit schenken? Los, verraten Sie’s mir! Und hören Sie auf, mich so anzubrüllen. Ich kann sie sowieso nicht freilassen. Das können nur Sie! Und was tun Sie? Halten mir hier eine verfluchte Moralpredigt, dass es wichtiger ist, irgendeine theoretische ›Rache der Bekloppten‹ zu verhindern. Sie halten das für wichtiger, als meinen Sohn zu retten! Mann, Sie hätten in die Politik gehen sollen, nicht in die Kirche.«

»Mr. Reed«, setzte Pater Bell an. Er versuchte, an Jacks Vernunft zu appellieren, verzog zugleich aber das Gesicht vor lauter Schmerzen. »Nichts ist Theorie, was diese Leute betrifft, schon gar nicht ihre Verrücktheit. Sie schätzen sie völlig falsch ein. Wenn sie erst mal draußen sind, kann man sie weder aufhalten noch unter Kontrolle bekommen. Wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, werden sie jeden abschlachten, der sich ihnen in den Weg stellt.«

Oh, aber zuerst werden wir unseren Spaß mit dem Opfer haben, mischte sich Holman ein. Etwa so!

Bei diesen Worten riss er Pater Bells rechten Arm nach hinten und schmetterte den alten Mann gegen die Wand. Pater Bell schrie auf der erbärmliche Schrei eines Menschen, der mit leeren Händen auf die Welt gekommen ist und sie mit leeren Händen wieder verlässt.

Sie haben unsere Flucht vereitelt, Pater Bell, flüsterte Holman. Wir hatten es durch das Labyrinth geschafft, kämpften ums Überleben und gegen die Panik. Keine leichte Übung. Einige der Frauen waren zu diesem Zeitpunkt völlig durchgeknallt! Aber da waren wir. Die Leylinien erstreckten sich vor uns – nördlich, südlich, östlich, westlich; wohin auch immer wir gehen wollten. Einfach wunderbar. Die meisten von uns hatten noch nie so etwas Schönes gesehen. Da standen wir nun, Huren, verrückte Massenmörder und Brandstifter, absolut einig über unsere Zukunft. Freiheit, Licht! Und Quintus Miller, was für ein Teufelskerl! Wir atmeten seinen Zauber ein, nahmen seinen Ruhm in uns auf.