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Er schloss die Augen. Momente des Glücks! Momente der Hoffnung! Aber wissen Sie, was dann passierte? Schotten dicht! Eine Leylinie nach der anderen wurde abgeriegelt, von der Dunkelheit verschluckt – Dunkelheit, die mit tosendem Donnergrollen in die Erdoberfläche eindrang. Das waren Sie, Pater Bell! Das waren Sie mit Ihren verdammten Beschwörungsformeln und Ihrem Weihwasser! Und das war das Letzte, was wir von der Außenwelt zu sehen bekamen. Sie haben uns aufgehalten, Pater Bell, Sie haben uns in eine Falle gelockt! Aber nun wollen wir raus, mein Freund! Nun wollen wir raus!

Pater Bell hob den Kopf. Sein Adamsapfel hob und senkte sich langsam.

»Ich kann es nicht tun, Gordon. Ich kann euch nicht gehen lassen.«

Wollen Sie leiden?

»Ich leide seit mehr als 60 Jahren. Ich kann euch nicht freilassen.«

Das Gesicht öffnete die Augen. Unvermittelt schoss eine weitere Hand aus der Wand und schnappte nach Pater Bells Linker. Er wurde mit Gesicht und Körper gegen den Stein gedrückt, seine Arme überdehnten sich. Er drehte den Kopf zur Seite und starrte Jack schmerzerfüllt und ängstlich an.

»Holman!«, warnte Jack das kreidebleiche Gesicht. »Rühr ihn nicht an! Lass ihn los!«

Er braucht Schmerzen, entgegnete das Gesicht. Das Leid Christi. Quintus hat mich dafür ausgesucht. Ich bin gut darin, anderen Menschen Leid zuzufügen.

Es folgte ein ohrenbetäubender Knall, der Jack entsetzt zurückspringen ließ. Pater Bell schrie – und das in einer so hohen Tonlage, dass Jack sich anfangs nicht sicher war, ob er ihn wirklich gehört hatte. Der rechte Arm des alten Mannes war bis zum Ellbogen in der Wand versunken. Dann folgte ein weiterer Knall und sein linker Arm verschwand in derselben Weise.

Pater Bell brüllte unaufhörlich und versuchte verzweifelt, seine Arme aus der Wand zu befreien. Gordon Holmans Gesicht verschwand kurz, tauchte dann aber auf der anderen Seite des Zimmers wieder auf, direkt neben der Tür.

Die Kreuzigung von Pater Bell, freute sich Holman.

»Lass ihn gehen!«, forderte Jack. »In Gottes Namen, lass ihn gehen!«

In Gottes Namen? Wir tun gar nichts in Gottes Namen. Und warum sollte irgendeiner von uns Mitgefühl für Pater Bell empfinden? Denk mal daran, was er uns angetan hat – er hält uns seit über 60 Jahren hier gefangen.

Jack ging zu dem alten Mann, der wimmerte und am ganzen Körper zitterte. Er versuchte, Pater Bells Arme aus der Wand zu ziehen, doch genau wie Randys Wollpuppe waren sie untrennbar mit der Mauer verschmolzen. Fleisch und Stein waren eins geworden.

»Lass ihn gehen!«, wiederholte Jack an Gordon Holman gewandt.

Es gibt jetzt nur noch eine Möglichkeit, ihn herauszuholen, erklärte Holman. Dazu müsste man ihm die Arme amputieren.

»Er ist 88 Jahre alt!«, protestierte Jack. »Was auch immer er mit 25 getan hat, er ist jetzt ein alter, völlig hilfloser Greis!«

Das stimmt. Genauso hilflos, wie wir es die ganze Zeit waren.

»Oh Gott!« brabbelte Pater Bell. »Oh Gott, es tut weh, oh Gott, es tut so weh.«

»Bist du verrückt?«, brüllte Jack Gordon Holman an.

Holman kicherte. Selbstverständlich bin ich verrückt. Das sind wir hier alle. Was hast du denn in einem Irrenhaus erwartet?

»Lass ihn gehen!«

Wenn er uns gehen lässt, lassen wir ihn gehen.

»Und wenn nicht?«

Dann haben wir immer noch deinen Sohn, wir haben immer noch den kleinen Randy. Wenn Pater Bell uns also nicht ziehen lässt, musst du drei Kardinäle finden, um uns zu befreien, und das dürfte gar nicht so einfach werden. Wenn du dich weigerst, werden wir Randy in etwas verwandeln, was nicht mehr im Entferntesten an einen kleinen Jungen erinnert.

»Ich bitte dich, ich bitte dich«, wimmerte Pater Bell. Über seine eingefallenen Wangen kullerten Tränen.

Jack lehnte sich dicht neben ihm gegen die Wand. »Pater Bell, Sie müssen sie freilassen. Sie müssen den Bannkreis lösen. Um Himmels willen, Pater Bell, das ist Ihre einzige Chance, hier lebend herauszukommen.«

»Ich kann nicht!«, wimmerte Pater Bell. »Sie haben ja keine Ahnung, was dann passieren wird.«

Wird er uns helfen?, erkundigte sich Gordon Holman. Vielleicht ist noch etwas mehr Überzeugung nötig.

»Kannst du nicht sehen, dass er niemals nachgeben wird?«, wollte Jack wissen.

Oh … ich weiß nicht. Warte mal ab, bis wir seine Hände anzünden. Das können wir tun, weißt du? Alles, was mit den Elementen zusammenhängt. Erde, Wasser, Luft, Feuer. Schau dich mal im nächsten Zimmer um, dann wirst du sehen, wie er für Gott Kerzen anzündet.

Das weiße Gesicht löste sich erneut in Luft auf. Blind vor Wut stapfte Jack durch das Zimmer und hämmerte an der Stelle, wo es eben noch gewesen war, gegen die Wand.

»Er ist ein alter Mann, du Arschloch! Lass ihn gehen!« Sein Zorn war umso größer, weil er Pater Bell gegen seinen Willen und trotz zahlreicher Warnungen hergebracht hatte. Jack fühlte sich für Pater Bells Leiden voll verantwortlich.

»Vater im Himmel steh mir bei!«, flüsterte Pater Bell.

Jack wandte sich ihm zu: »Pater, hören Sie! Sie sind kein Priester mehr. Das haben Sie selbst gesagt. Sie müssen sich also nicht als Sünder fühlen, wenn Sie diese Menschen ziehen lassen! Das ist nicht mehr Ihre Baustelle! Sobald Sie das tun, sind Sie frei! Wollen Sie hier mit zwei in der Wand vergrabenen Armen jämmerlich krepieren? Wollen Sie das wirklich? Gefällt Ihnen die Vorstellung, als Märtyrer zu enden?«

Pater Bell drehte sich um und starrte Jack an. Da öffnete sich sein Mund zu einem lautlosen Schrei voller Höllenqualen. Er schauderte und schüttelte sich, stieß den Kopf gegen die Wand, konnte sich aber nicht befreien.

»Was ist denn los?«, fragte Jack voller Entsetzen. »Was tun sie Ihnen an?«

Schau dich mal im nächsten Zimmer um, dann wirst du sehen, wie er für Gott Kerzen anzündet.

Sofort rannte Jack aus Quintus Millers Zimmer zur benachbarten Tür. Sie war verschlossen. Verzweifelt rüttelte er am Griff, doch nichts tat sich.

Pater Bell jammerte: »Oh Gott, oh Gott, steh mir bei!«

Jack hob den Messingdeckel, der den Türspion bedeckte. Was er sah, ließ ihm die Haare zu Berge stehen und ihn würgte es. Pater Bells Hände ragten aus der Wand zu Quintus Millers Zimmer, als ob er an einem Pranger stünde. Sämtliche seiner Fingerspitzen brannten. Und obwohl Pater Bell hektisch damit herumfuchtelte, als ob er hoffte, dadurch die Flammen zu löschen, war Jack doch klar, dass das Feuer viel zu heiß, viel zu heftig war.

Mit aller Kraft rüttelte er so lange an der Tür, bis er den Rahmen knacken hörte. Doch die Zarge war viel zu robust und gab nicht nach. Man hatte sie konstruiert, um geistesgestörte Kriminelle ein Leben lang einzusperren. Selbst ein Mann in höchster Verzweiflung wäre daran gescheitert.

Ihm blieb nichts anderes übrig, als zuzusehen, wie sich das Fleisch an Pater Bells Fingerspitzen rötete, Blasen schlug und dann schwarz wurde. Seine Fingernägel kringelten sich wie angesengte Zwiebelschalen.

Schon jetzt traten bei jeder verzweifelten Bewegung Pater Bells Fingerknochen aus der Haut. Wenn das Feuer so weiterloderte, würde er in weniger als einer Minute gar keine Hände mehr haben.