Выбрать главу

Nachdem seine Lebensgeister zurückgekehrt waren, rief er Karen im Büro an und bat sie darum, im Bierkeller gegenüber auf ihn zu warten. »Aber sag niemandem, dass du dich mit mir triffst. Sicher ist sicher, falls die Bullen schon nach mir suchen.«

»Im Kleiderschrank sind noch ein paar alte Hemden, Shorts und Jeans von Cecil, glaube ich. Schau mal ganz im unteren Fach nach«, forderte ihn Karen auf.

Jack fand ein riesiges, rot-weiß-kariertes Holzfällerhemd aus Schurwolle. Er musste die Ärmel hochkrempeln. Die Shorts waren so groß wie die aufgeblähten Segel eines Schiffes mitten auf dem Meer und die Jeans mit ihrer 56er-Bundweite groß genug für ihn und Karen zusammen, wenn jeder in eines der Hosenbeine stieg.

Er borgte sich den am wenigsten mit Rüschen besetzten Slip von Karen, den er finden konnte – ein weißes Satinhöschen mit einer Schleife vorn – und versuchte, möglichst viel Blut und Schmutz von seiner eigenen Hose zu entfernen. Dann glättete er sie mit Karens Reisebügeleisen, das er in der Küche fand. Während er bügelte, sah er fern. In den Nachrichten wurde über ein Feuer auf der Fähre von Milwaukee nach Ludington berichtet. Dann kam eine Meldung über ein paar Pfadfinderinnen, die auf mysteriöse Weise von einem Campingplatz am Mirror Lake verschwunden waren.

»Die Polizei fand die Zelte und die gesamte Campingausrüstung inklusive der Kleidung und persönlichen Besitztümer der Mädchen … doch auch am heutigen Morgen gibt es nach wie vor keine Spur von den 23 Mädchen und ihren vier Betreuerinnen … keine Anzeichen für einen Angriff oder etwas, das sie erschreckt oder zur Flucht bewogen hat … tatsächlich gab die Kriminalpolizei vor Kurzem bekannt, dass sie zwar Fußspuren der Mädchen fand, die in das Camp führen, aber keine in entgegengesetzter Richtung aus dem Camp heraus. Das macht den Fall noch mysteriöser und ist zudem äußerst merkwürdig, weil die letzten Regenschauer den gesamten Boden um den Zeltplatz herum aufgeweicht haben.«

Jack ließ das Bügeleisen sinken. Er fühlte sich, als hätte ihm jemand ins Gesicht geschlagen. Es hat schon angefangen, dachte er. Sie haben die Mädchen erwischt und in den Untergrund gezerrt, genau wie Essie Estergomy. Sie haben begonnen und meinen es todernst: 800 Opfer für jeden von ihnen. Und dann …

Jack zog die grob gereinigte Hose an, schaltete Bügeleisen und Fernseher aus, warf sich den Mantel über die Schultern und verließ das Haus. Es war noch kühl draußen, aber der Himmel klarte langsam auf. Jack stieg in seinen Wagen und fuhr mit quietschenden Reifen zurück in Richtung West Good Hope Road.

Er raste die mit Pfützen bedeckten Straßen entlang, bis er bei Reed Muffler & Tire ankam. Sein Kombi schepperte über die betonierte Auffahrt. Mike Karpasian stand neben der Werkstatt und sprach mit einem Kunden, doch als er Jack aus dem Auto steigen sah, entschuldigte er sich kurz und eilte zu ihm.

»Jack? Ist alles in Ordnung?«

»Nicht direkt. Ich habe einige dringende Familienangelegenheiten zu klären, aber sonst ist alles okay.«

»Du siehst ziemlich scheiße aus. Kann ich irgendetwas für dich tun?«

Jack klopfte ihm auf die Schulter. »Mach einfach die Kunden glücklich.«

»Klar, kein Problem. Aber ich brauche ein paar Unterschriften. Goodrich wird keine weiteren Reifen liefern, bis wir die letzte Rechnung bezahlt haben. Allwetterreifen sind gar keine mehr da.«

»Such einfach die Schecks raus, okay? Ich zeichne sie dir schnell ab.«

Jack durchquerte die Werkstatt, aus der laute Arbeitsgeräusche drangen, mit Mike Karpasian im Schlepptau. Als er das Büro betrat, sah Karen überrascht auf. Sie trug einen roten Sweater, den einer von Jacks Kunden »lebende Götterspeise« getauft hatte, dazu einen engen schwarzen Lederrock mit Korsettschnüren an der Seite.

»Was ist los?«, erkundigte sie sich und ließ die Finger über der Tastatur schweben.

»Wir müssen sofort los. Kannst du die Agentur anrufen und einen Zeitarbeiter bestellen? Und Mike will die Schecks unterschrieben haben.«

»Okay, kein Problem«, antwortete Karen. Sie reichte ihm einen Plastikschnellhefter, auf dem »Bitte abzeichnen!« stand, und wählte die Nummer von Milwaukee Office SOS, der Zeitarbeitsfirma, mit der sie meistens zusammenarbeiteten.

»Was ist passiert?«, erkundigte sie sich leise, während sie darauf wartete, dass jemand abnahm. »Ich dachte, wir wollten uns im Bierkeller treffen? Maggie hat heute Morgen dreimal angerufen und wollte wissen, wo du steckst. Sie meint, dass sie die Bullen ruft, wenn du Randy nicht bis zum Mittagessen nach Hause bringst.«

»Sie haben die ersten Menschen getötet«, erklärte Jack und warf einen vorsichtigen Blick auf Mike Karpasian, um sicherzugehen, dass er nicht zuhörte.

»Was? Was meinst du damit?«

»Eine ganze Gruppe Pfadfinderinnen ist heute Morgen am Mirror Lake verschwunden.«

»Bist du dir da sicher?«

»Es kam in den Nachrichten, als ich meine Hose gebügelt habe.«

»Vielleicht haben sie sich verirrt?«, schlug Karen vor.

Nachdem Jack alle Schecks unterschrieben hatte, hob er die Hand, um anzudeuten, dass er genau wusste, was Sache war. »Glaub mir, es ist Quintus Miller. Wir müssen zu dieser Bibliothek und herausfinden, wie zur Hölle wir ihn aufhalten können.«

Mike Karpasian drehte sich plötzlich um und sagte:

»Hey, Jack. Da ist Maggie!«

»Ach herrje«, entfuhr es Jack. Doch da war sie schon in ihrem breitschultrigen, braunen Anzug, der ihn immer an den Denver-Clan erinnerte, und stürmte durch die Werkstatt direkt auf ihn zu. Alle Mechaniker und Monteure drehten sich nach ihr um. Hey, das ist ja Jacks Alte … sieht so aus, als würde sie ihm gleich die Hölle heißmachen.

Maggie riss die Tür zum Büro so heftig auf, dass das Glas zitterte. »Wo ist Randy?«, wollte sie wissen.

Jack versuchte, sie zu ignorieren. »Hast du die Zeitarbeitsfirma schon erreicht?«, fragte er Karen.

»Wo ist Randy?«, wiederholte Maggie.

Ohne sie anzusehen, antwortete Jack: »Ihm geht’s gut, er ist bei einem Freund in Wauwatosa.«

»Was hat er denn in Wauwatosa zu suchen? Er muss doch in die Schule! Ich habe dort angerufen und sie haben ihn weder gestern noch heute dort gesehen.«

»Maggie, hör mal, er ist ganz leicht erkältet. Nichts Schlimmes, er schnieft nur ein bisschen. Ich konnte ihn schlecht allein zu Hause lassen und zur Arbeit mitnehmen konnte ich ihn auch nicht, also ist er bei einem Freund in Wauwatosa. In Ordnung? Man kümmert sich dort gut um ihn. Er kann mit anderen Kindern in seinem Alter spielen. Du musst dir also gar keine Sorgen machen.«

»Wo warst du gestern Nacht? Ich habe die ganze Zeit immer wieder bei dir angerufen.«

»Vielleicht hat das Telefon nicht funktioniert, keine Ahnung.«

»Ich will ihn sehen!«, beharrte Maggie.

»Na klar willst du das. Geht aber nicht. Du würdest Randy wahrscheinlich verärgern und meine Freunde ganz sicher auch. Und abgesehen davon: Woher soll ich wissen, dass du ihn mir nicht wegnehmen willst?«

»Weil ich dir mein Wort drauf gebe.«

Jack drehte sich zu ihr um und sagte: »Liebstes Weib, du hast mir früher auch schon dein Wort gegeben, dass du mich liebst, ehrst und zu mir stehst, in guten wie in schlechten Zeiten.«

»Und was ist mit Samstag?«, wollte Maggie wissen.

»Was soll sein?«, erkundigte sich Jack.

»Da ist die Gala, zu der ich Randy mitnehmen wollte.«

»Ich werde es mir überlegen. Wer wird eigentlich ausgezeichnet? Lesben?«