Выбрать главу

»Gott, du bist ein Arschloch, Jack. Das bist du schon immer gewesen. Es geht darum, das Selbstvertrauen von Frauen zu stärken. Zu lernen, dass wir uns nicht immer hirnlosen Chauvischweinen wie dir unterwerfen müssen.«

»Ich kann mich nicht daran erinnern, dass du mich bei Randys Geburt hirnloses Chauvischwein genannt hättest. In der Nacht, in der er gezeugt wurde, übrigens auch nicht.«

Karen hielt die Hand vor den Mund, um sich das Lachen zu verkneifen, und Maggie warf ihr einen vernichtenden Blick zu.

»Kann ich heute Abend vorbeikommen, um ihn zu sehen?«, erkundigte sich Maggie.

»Wenn du willst«, antwortete Jack.

»Passt dir 20:00 Uhr?«

Jack nickte.

»20:00 Uhr, hast du mich verstanden?«, wiederholte Maggie.

»Sicher, sicher, um acht«, versicherte Jack ihr. Er wandte sich ab, weil er ganz genau wusste, was Maggie als Nächstes tun würde, nämlich die Tür zuschlagen und in voller Montur wutentbrannt durch die Werkstatt poltern.

»Ach du Scheiße!«, bemerkte Karen. »Mensch, es tut mir leid. Ich wollte nicht lachen.«

»Hast du eine Sekretärin bei der Zeitarbeitsfirma auftreiben können?«, wollte Jack wissen.

Sein Herz schlug schneller als gewöhnlich und sein Mund fühlte sich ein wenig trocken an, dabei war es gar nicht Maggie, die ihn so sehr auf die Palme gebracht hatte. Randy zu retten und Quintus Miller aufzuhalten, war ihm momentan viel wichtiger, als sich mit seiner Noch-Ehefrau zu streiten. Und doch schoss ihm durch den Kopf: Warum kann Maggie nicht einfach …

»Er wird in einer Stunde hier sein«, antwortete Karen ihm, während sie ihre Textverarbeitung beendete und nach der Handtasche griff.

»Er wird in einer Stunde da sein?«

»Na ja, Sekretäre gibt es doch auch«, belehrte ihn Karen. »Du bist viel zu altmodisch, das ist dein Problem.«

»Willst du etwa, dass ich mich alt fühle?«

Jack öffnete die Tür zum Büro und folgte Karen nach draußen. Wenn es nach den anzüglichen Blicken seiner Mechaniker ging, glaubten sie wohl, er würde Karen für einen Quickie zur Mittagspause entführen. Aber momentan war es ihm reichlich egal, was die Leute über ihn dachten. Im Untergrund trieben sich 137 entflohene Irre herum und niemand außer ihm und Karen wusste davon. Alle anderen, die dem Geheimnis auf die Spur gekommen waren, lebten nicht mehr.

Sie fuhren wieder zurück in Richtung Madison. Vereinzelte Sonnenstrahlen drangen durch die dichte Wolkendecke. Karen stellte fest: »Mein Gott, ich wünschte, du hättest dieses Haus niemals zu Gesicht bekommen. Es ist verflucht.«

»Sowohl ich als auch das Haus«, antwortete ihr Jack.

Es war das erste Mal, dass er The Oaks im Sonnenschein sah, doch irgendwie wirkte das Gebäude so noch verwahrloster und weniger einladend. Seine Türme flirrten im Nebel des nachmittäglichen Hitzeschleiers und Hunderte von Tauben saßen auf dem Dach und wimmelten wie Läuse auf den Zinnen und Dachrinnen.

Jack konnte nicht mehr nachvollziehen, warum ihn das Haus bei seinem ersten Besuch regelrecht in Ekstase versetzt hatte. Mit seinem jetzigen Kenntnisstand schien ihm selbst das Staatsgefängnis ein geeigneterer Kandidat für den Umbau in ein Ferienressort zu sein als dieses Anwesen.

Vielleicht waren es die immer noch lebenden Insassen gewesen, die ihn angezogen hatten, die verführerische Verrücktheit von Quintus Miller. Jetzt, wo das wegfiel, war The Oaks nichts weiter als eine leere Hülle.

Jack hatte ein Stemmeisen aus dem Kofferraum für den Fall mitgenommen, dass man sie angriff. Doch er bezweifelte, dass es ihnen im Ernstfall weiterhelfen würde. Er hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, sich eine Knarre zu besorgen, dann aber doch darauf verzichtet. Das eiserne Werkzeug in seiner Hand reichte ihm im Moment völlig und verlieh ihm ein deutlich größeres Selbstvertrauen.

Karen erkundigte sich: »Glaubst du, dass einige von ihnen im Haus zurückgeblieben sind?«

»Nein, das denke ich eher nicht«, antwortete Jack. »Zumindest hoffe ich es. Du musst ja bedenken, dass sie mehr als 60 Jahre lang eingesperrt waren. Die wollten alle raus, und zwar so weit weg wie möglich. Außerdem sind sie ja auf der Suche nach neuen Menschenopfern. Die dürften sie hier kaum finden.«

»Von uns mal abgesehen«, merkte Karen an.

Die Tür zum Gewächshaus stand halb offen. Jack zögerte, doch dann stieß er sie vollständig auf und trat ein.

»Gott, ich hasse diesen Ort«, meinte Karen.

Sie betraten die Halle durch die Lounge. Die blinden Statuen am Fuß der Treppe hießen sie willkommen. Die Sonne, die durch die oberen Fenster hereinschien, leuchtete auf sie herab. Karens Stöckelschuhe klackerten auf dem Marmorboden.

»Riechst du was?«, wollte Jack wissen.

Karen schnüffelte. »Ich habe entzündete Nebenhöhlen – ich rieche nichts.«

»Irgendwie verbrannt«, erklärte Jack. »Wie brennendes Papier.«

Sie stiegen die Westtreppe hinauf und liefen dann den Gang zum Turm hinüber. Karen hielt sich dicht bei Jack. Sie war eindeutig nervös. »Jetzt kann ich es auch riechen«, bemerkte sie. »Wie eine brennende Zeitung, findest du nicht?«

Jack schwieg. Er musste an Maggie denken. Er hatte sie nicht so anschreien wollen. Sie konnte nichts dafür, dass sie nicht miteinander klarkamen. Und natürlich machte sie sich Sorgen um Randy, schließlich war sie seine Mutter. Der einzige Grund, weshalb er so gebrüllt hatte, war sein Schuldgefühl, weil er Randy verloren hatte. Er hasste es, lügen zu müssen. Aber was hätte er ihr schon sagen können? Tut mir leid, unser Sohn wurde von einem mörderischen Irren gekidnappt und in den Untergrund gezogen. Mach dir keine Sorgen, ich werde ihn rechtzeitig für deine Emanzen-Gala am Samstag zurückholen?

Sie erreichten den Zugang zum Westturm, eine schwer verriegelte Doppeltür, genau wie bei seinem Konterpart im Osten.

»Oh Mann, hier riecht es aber ganz besonders stark verbrannt«, stellte Karen fest und musste prompt zweimal niesen.

Gesundheit, dachte Jack.

»Wie sollen wir da reinkommen?«, fragte Karen. »Wir besitzen ja keinen Schlüssel. Nur der dicke, fette Immobilientyp hat einen.«

Jack rammte das spitze Ende seines Stemmeisens hinter dem Schließband in die Tür. Dann hebelte er sie auf. Das Eichenholz knarzte und die Schrauben lockerten sich. Er setzte das improvisierte Werkzeug noch einmal an. Nach fünf anstrengenden und verschwitzten Minuten sprang die Halterung plötzlich aus dem Holz und die Tür stand offen.

Doch bereits bevor sie eintraten, bemerkten sie, weshalb es so verbrannt roch. Sie befanden sich in einer riesigen Bibliothek. Genau wie Elmer Estergomys Klinik erstreckte sie sich über zwei Ebenen. An jeder Wand waren bis unter die Decke vollgestopfte Regale mit Büchern zu finden, Tausende und Abertausende von Bänden auf engstem Raum. Doch mindestens hundert von ihnen lagen in der Mitte des Raums auf einem Teppich und waren angezündet worden. Beißender, blauer Rauch machte ihnen das Atmen schwer. Jack kniete sich neben die brennenden Bücher und fuhr mit der Hand durch ihre schwärzlichen Überreste. Ein Wunder, dass nicht das ganze Gebäude abgefackelt war. Der Rauch hatte die Fenster braun gefärbt und der Bibliothekssessel aus Pferdehaar schwelte nach wie vor. Im Teppich prangten riesige Löcher.

Jack stocherte mit dem Stemmeisen in der Asche herum und zog ein halb verbranntes Buch heraus.

»Wirf mal einen Blick auf den Titel!«, sagte er zu Karen. »Awen, der Göttliche Name.«

Er griff nach einem weiteren Lederband aus dem Scheiterhaufen und blätterte eine Reihe verkohlter Seiten durch. »Ursprung und Geschichte der Druiden. Oder das hier: Die Kuldeer im christlichen Britannien. Und hier haben wir Die Druiden im Gallischen Krieg.«

Karen streifte die Bücher nur mit einem kurzen Blick und konzentrierte sich dann darauf, mit der Hand den Rauch wegzufächeln und Kaugummi zu kauen. »Mensch, stinkt das hier. Ekelhaft!«