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Es war ein trüber, Kopfschmerzen verursachender Nachmittag und dunkle Wolken hingen tief am Himmel. Es roch, als ob es bald regnen würde. Sie saßen auf Sitzsäcken im Empfangszimmer des Physikprofessors und tranken Kaffee aus Garfield-Tassen. Jack war kurz davor aufzugeben. Er hatte eine Horde unkontrollierbarer, krimineller Irrer in die Freiheit entlassen und fühlte sich für jedes Leben, das sie auslöschten, persönlich verantwortlich. Langsam begann er zu glauben, dass selbst Geoff und Karen ihm die Schuld dafür gaben.

»Wenn wir sie nur irgendwie ausfindig machen könnten«, sagte er. »Sie irgendwie finden, bevor sie wieder zuschlagen und sich neue Menschen schnappen.«

Geoff blätterte durch einen voluminösen, muffig riechenden Schmöker mit dem Titel Rituale und Magie in vorchristlicher Zeit. »Ich habe versucht, das Ritual zu finden, mit dessen Hilfe die Druiden in den Boden gelangt sind. Vielleicht können wir sie mit eigenen Waffen schlagen.«

»Du meinst, indem wir selbst in den Boden gehen?«, fragte Jack.

»Na, wie sollen wir sie denn sonst finden?«

»Das weiß Gott allein«, erwiderte Jack.

»Wartet mal – da kommen wieder Nachrichten«, mischte sich Karen ein. Sie nahm die Fernbedienung und stellte den Ton lauter. Auf dem Bildschirm sah man ein paar Bauarbeiter mit Schutzhelmen, die mit der Polizei und Fernsehreportern redeten.

Einer der Arbeiter sagte: »… graben, um Elektrokabel zu verlegen, wissen Sie? Und plötzlich spielten meine Wünschelruten verrückt. Also wollte Louis hier wissen, was zum Teufel da los war – entschuldigen Sie, dass ich mich so derb ausdrücke –, und plötzlich fiel er direkt in den Bürgersteig und zack, weg war er.«

»Sie meinen, er ist direkt in Ihre Baugrube gefallen?«, fischte eine Fernsehreporterin nach einer rationalen Erklärung.

Der Arbeiter schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein, gute Frau. Er war gar nicht in der Nähe der Baugrube. Er ist direkt in die Straße hineingefallen. Er ist im festen Boden verschwunden.«

Die Reporterin wandte sich der Kamera zu: »Ein weiteres unerklärliches Verschwinden hier auf der East Wisconsin Avenue, der 18. Fall in der Region Milwaukee innerhalb von nur 24 Stunden. Ein Bauarbeiter versinkt im Boden und gibt seinen Arbeitskollegen und der Öffentlichkeit Rätsel auf. Die Polizei hält nach eigenen Worten ›Augen und Ohren offen‹. Schon jetzt mehren sich Stimmen, die das Einsetzen einer Sondereinheit fordern. Hunderte Einwohner von Milwaukee fliehen per Auto oder Flugzeug aus der Region, bis eine Erklärung für das plötzliche und massenhafte Verschwinden von Menschen gefunden ist. Alle Straßen in Richtung General Mitchell Field …«

Jack schnappte sich die Fernbedienung, schaltete auf stumm und wandte sich mit ernstem Gesicht an Geoff. »Weißt du, was jetzt passieren wird? Es kommt zu einer Massenhysterie. Wir müssen uns schnell was einfallen lassen.«

Doch Geoff wirkte nachdenklich. »Hast du gehört, was der Bauarbeiter sagte?«

»Klar. Sein Freund verschwand im festen Boden.«

»Ja, aber ich meine davor.«

»Keine Ahnung. Dass sie Elektrokabel verlegten?«

Geoff schloss sein Buch und legte es zur Seite. »Er sagte: ›Meine Wünschelruten spielten verrückt.‹«

»Ach ja?«, fragte Jack immer noch ratlos.

»Überleg doch mal …«, begann Geoff, »die Versorgungsunternehmen setzen Wünschelruten ein, bevor sie die Straße ausbaggern, um Wasser- und Gasleitungen aufzuspüren und Erdarbeiten durchzuführen, ohne etwas zu beschädigen. Aber die Druiden benutzten ebenfalls Wünschelruten, um Leylinien zu lokalisieren. Sie setzten dafür Haselnusszweige ein … aber das Prinzip war genau das gleiche.«

»Worauf willst du hinaus?«, wollte Jack wissen.

»Nun, wenn Quintus Miller und seine Kumpels die Wünschelruten verrückt spielen lassen, dann könnten wir vielleicht jemanden ins Boot holen, der weiß, wie man die Dinger benutzt, um Jagd auf diese Scheißkerle zu machen.«

»Und was ist mit dem Typen aus dem Fernsehen – dem Bauarbeiter?«, mischte sich Karen ein.

»Gute Idee«, meinte Geoff. »Jack, warum rufst du nicht bei den Elektrizitätswerken an und schaust, ob du herausfinden kannst, wie der Typ heißt.«

»Und was unternimmst du in der Zwischenzeit?«

Geoff nahm wieder sein Buch in die Hand. »Ich werde mir das Wissen anlesen, wie wir uns gegen diese Irren zur Wehr setzen können, wenn wir sie denn finden.«

»Ich dachte, wir müssten ihnen das Rückgrat brechen oder so?«, erkundigte sich Karen.

»Das stimmt … aber das muss genau so passieren, wie es im uralten Ritual der Druiden festgelegt ist. Ihr müsst bedenken, dass sie ihre Menschlichkeit einbüßen, wenn sie durch die Erde reisen. Sie sind fast so etwas wie Übermenschen. Wenn wir sie Awen als Opfer darbringen, müssen wir sicherstellen, dass sie auch geopfert bleiben. Sonst kehren sie vielleicht als noch wildere Kreaturen zurück und machen Jagd auf uns.«

Karen schauderte. Jack griff nach dem Telefonhörer.

Z E H N

Sie trafen Otto Schröder im Watertower Park neben dem knapp 50 Meter hohen gotischen Wasserturm, der diesen Teil des Ostens von Milwaukee verdächtig nach Disneyland aussehen ließ. Der Himmel war strahlend blau, doch es wehte ein kräftiger Wind. Otto Schröder trug eine gefleckte Wollmütze, die auch seine Ohren bedeckte, und eine lederne Fliegerjacke mit einem Kragen aus Lammwolle. Er trat hektisch auf der Stelle, um sich warmzuhalten.

»Ich friere unheimlich schnell«, sagte er zur Begrüßung. »Ich hätte mir besser einen Bürojob suchen sollen, glaube ich. Schlechte Durchblutung. Aber jetzt ist es zu spät dafür.«

»Kommen Sie, lassen Sie uns eine Tasse Kaffee auftreiben«, forderte Jack ihn auf.

»Schon gut. Ich habe gerade erst zu Mittag gegessen. Ich sollte mich sowieso nicht mit Ihnen treffen. Mein Vorarbeiter hat mir verboten, mit jemandem über die Angelegenheit zu sprechen.«

»Na ja, wir sind ja nicht irgendjemand«, klärte Geoff ihn auf. »Wir wissen zufällig ganz genau, was mit Ihrem Freund passiert ist.«

Otto Schröder schniefte und wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. »Er ist im Asphalt versunken. War einfach weg. Keine Ahnung, ob die Bullen mir das abgekauft haben oder nicht.«

»Wir glauben Ihnen jedenfalls«, bestätigte ihm Jack. »Und abgesehen davon können wir wahrscheinlich sogar die Verantwortlichen ausfindig machen.«

Otto Schröder starrte Jack aus dem Auge, das er nicht wegen der Kälte zugekniffen hatte, misstrauisch an. Er war stämmig und breitschultrig und mindestens zehn Zentimeter kleiner als sein Gegenüber. Er hatte wettergegerbte, rote Wangen, hellgraue Augen und eine ausgeprägte germanische Nase.

»Sonst haben Sie niemanden dort gesehen?«

Otto Schröder schüttelte den Kopf. »Nein, Sir. Niemanden. Es war keiner auch nur ansatzweise in der Nähe, als er verschwand.«

»Haben Sie Hände gesehen, die ihn festhielten?«, erkundigte sich Jack.

»Was meinen Sie damit? Ich hab’s Ihnen doch gerade schon mal gesagt: Da war absolut keiner weit und breit.«

»Was Mr. Reed meint, ist, ob Sie Hände aus dem Beton ragen sahen?«, klärte Geoff den Mann auf.

Otto Schröder sah erst Jack, dann Geoff, dann wieder Jack an. »Was soll das? Wollen Sie mich verarschen? Oder sind Sie meschugge?«

Jack antwortete: »Wir meinen es absolut ernst. Es gibt da draußen einige sehr gefährliche Menschen, die eine Möglichkeit gefunden haben, sich unter der Erdoberfläche fortzubewegen. Sie können durch Wände, sogar durch Türen gehen. Durch Ziegelsteine, Beton oder sogar massive Felsen. Für sie macht das keinen Unterschied.«

»Sie sind meschugge«, stellte Otto Schröder fest. »Ich habe extra früher gegessen, um Sie zu treffen, eine volle Stunde meines Lebens verschwendet und jetzt stellt sich heraus, dass Sie verrückt sind.«