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»Wir haben ihn!«, brüllte er über den Lärm des Kompressors hinweg. »Wir haben ihn doch noch erwischt!«

Otto trat ein paar Schritte zurück: »Heilige Mutter Gottes!«, keuchte er.

»Los doch, Otto, graben Sie ihn aus!«, drängte Jack ihn. »Beeilen Sie sich! Bevor es dunkel wird!«

Doch Schröder schüttelte den Kopf. »Sie wollen ihn da raus haben? Dann müssen Sie das schon selbst erledigen. Herrgott. So was hab ich ja noch nie gesehen.« Er legte den Presslufthammer ab, zog sich die überdimensionierten Kopfhörer von den Ohren und kletterte aus der Grube.

»Kommen Sie, Otto, seien Sie vernünftig! Sie sind doch schon so weit gekommen!«, versuchte Geoff ihn zu überreden.

»Aber sicher«, entgegnete Otto. »Und ich bin derjenige, der sowieso schon viel zu viele Risiken eingegangen ist. Ich habe diesen Laster ausgeborgt, ich habe Stadteigentum beschädigt. Wer soll denn das Loch später wieder zuschütten, hm? Verraten Sie mir das mal! Und wer hält seine Rübe dafür hin, dass hier überhaupt gebuddelt wurde? Sie etwa? Mein Gefühl sagt mir nach allem, was ich bisher so mitbekommen habe, dass Sie abhauen, sobald die Situation brenzlig wird.«

»Meine Güte, geben Sie das Ding schon her. Ich mach es ja«, bot sich Jack an. Er setzte die überdimensionierten gelben Muscheln auf die Ohren, brachte den Presslufthammer in Position, was gar nicht so einfach war, und betätigte den Hebel. Mit einem ohrenbetäubenden brrr-brrrr-brrr-brrrrrrrrpp! sprang das Werkzeug zur Seite, hätte sich beinahe Jacks Griff entwunden und fiel um.

Jack wollte sich gerade bücken, um die Höllenmaschine wieder aufzuheben, als er Geoffs warnenden Ruf hörte: »Jack!«

Er sah auf. Mit einem dumpfen, schabenden Geräusch schälte sich ein betonfarbener Kopf gefolgt von betonfarbenen Schultern aus dem Boden. Der Kopf wirbelte herum und starrte ihn trotz geschlossener Augen an. Jack erkannte ihn auf Anhieb. Es war Lester – der Gefangene, der als Erster nach Pater Bell verlangt hatte.

Du Schweinehund!, fauchte Lester. Dafür wird dich Quintus umbringen.

Otto starrte Lesters Schädel ungläubig an und schluckte. »Da ist ein Kopf«, brachte er schließlich heraus. Er zog Geoff am Ärmel. »Sehen Sie das? Da ist ein Kopf!«

»Schon okay, Otto«, versuchte Geoff ihn zu beruhigen. »Keine Panik. Deshalb sind wir ja hier.« Und doch war es auch für Geoff das erste Mal, dass er einen der Irren aus The Oaks zu Gesicht bekam. Er konnte es selbst kaum glauben.

Lass mich frei!, forderte Lester an Jack gewandt. Lass mich frei oder Quintus wird deinen Sohn töten.

»Willst du damit sagen, dass er noch am Leben ist?«, fragte Jack.

Natürlich ist er am Leben. Er ist besonders wertvoll, dein lieber Sohn! Er wird unser letztes Opfer sein; der Unschuldige, den die alten Götter verlangt haben! Derjenige, dessen Leben uns alle befreien wird!

Jack stand auf und umfasste den Presslufthammer mit beiden Händen. »Du kommst nicht frei, Lester. Du kannst mir drohen, so viel du willst, aber ich denke nicht daran, dich aus deinem Gefängnis herauszuholen. Stattdessen werde ich deinen Scheißkopf mit dem Presslufthammer in Stücke zerfetzen.«

Du kannst meinen Körper ruhig auseinandernehmen, erwiderte Lester trotzig. Meinen Körper kannst du zerstören, aber nicht meine Seele! Quintus wird mich wiederherstellen! Das wirst du schon sehen! Solange meine Überreste noch auf dieser Erde zu finden sind, wird Quintus mich regenerieren können! Und Quintus sorgt dafür, dass dein Sohn langsam und qualvoll umkommt, glaub mir! Er zermalmt ihn wie ein wehrloses Vogelbaby in seinem Nest!

Da rief Geoff: »Jack?«, wandte sich dann an Otto und sagte: »Schalten Sie den Kompressor ab, Otto, ja? Wir brauchen den Presslufthammer nicht mehr.«

Der Kompressor kam ruckelnd zum Stehen. Auf einmal kam es ihnen auf dem Dach des Parkhauses so still wie auf einem Friedhof vor. Der Wind blies schwach, aber eisig, wie er einst über Stonehenge, die Osterinsel und die Steine in Carnac geweht hatte. Die meisten Parkplätze waren besetzt, aber niemand befand sich in der Nähe. Die Aufführung von Schwanensee musste bereits begonnen haben.

An Jack gewandt sagte Geoff: »Du musst mir jetzt vertrauen, Jack. Quintus Miller wird deinen Sohn nicht anrühren – noch nicht. Das traut er sich nicht, nicht, wenn Randy als letztes Opfer auserkoren wurde. Diese Verrückten kommen nicht frei, bevor sie dieses letzte Opfer dargebracht haben, so steht es zumindest in Druggetts Buch. Und wenn sie erst einmal ein Kind erwählt haben, müssen sie auch bei ihrer Entscheidung bleiben. Sie können nicht nachträglich ein anderes Opfer bestimmen. Randy ist sicher, zumindest für den Moment.«

Wenn du mich auch nur anrührst, du Dreckskerl, dann wird sich Quintus an dir rächen, knurrte Lester. Du wirst dir wünschen, deine Mutter hätte nie die Beine breitgemacht, um dich rauszulassen.

»Da wäre ich mir nicht so sicher, mein Freund. So wie Quintus Miller mit dir umgesprungen ist, tippe ich bei ihm auf einen klassischen Fall von Schizophrenie. Er ist offensichtlich ziemlich überzeugt davon, Awen zu sein, der Gott der Druiden. Awen war ein grausamer Gott, ein extrem unerbittlicher Gott. Insofern dürfte es ihn nicht sonderlich kümmern, was mit dir passiert.«

Ich bin unsterblich, flüsterte Lester. Was immer ihr mir antut, ihr könnt mich niemals vernichten.

»Na ja, auch in dieser Hinsicht gehe ich davon aus, dass du falsch liegst«, antwortete Geoff. Er wischte sich nervös die Hände an seiner Jeans ab, ging zu seinem Auto und schloss den Kofferraum auf: »Hilf mir mal, Jack«, bat er seinen Auftraggeber. Jack war klar, dass Geoff nicht halb so zuversichtlich war, wie er vorgab.

Geoff wuchtete einen dreieckigen Holzrahmen aus seinem heruntergekommenen Auto. Jedes der drei Bretter war etwa anderthalb Meter lang und grob aus schwerer Eiche gesägt. Anschließend hatte man sie provisorisch zusammengenagelt. Jack half Geoff, das Dreieck auf den Boden zu legen. Es wog fast 140 Kilo.

»Was zum Teufel ist das?«, erkundigte sich Otto misstrauisch.

»Die Schreinerei der Universität hat das für mich angefertigt«, erklärte Geoff lächelnd. »Kein besonders schwieriger Job. Es handelt sich um eine exakte Kopie eines druidischen Folterinstruments. Jedenfalls haben die Handwerker versucht, sich so genau wie möglich an die Skizze zu halten.«

»Ein was?«

»Ein Folterinstrument. Die Druiden bogen die Körper ihrer Opfer nach hinten über eine Seite des Dreiecks – siehst du das hier? – und banden ihre Hand- und Fußgelenke zusammen. Dann zogen sie die Knoten mithilfe von Aderpressen immer enger, bis die Opfer so weit nach hinten gezogen wurden, dass ihnen das Rückgrat brach. Anschließend sprachen die Druiden die Opferworte und sorgten so dafür, dass der Geist ihrer Opfer in Vergessenheit geriet, als ob er nie existierte.«

Jack starrte auf Lesters Kopf, der aus dem aufgerissenen Beton ragte. Der Wahnsinnige sah sie aufmerksam an.

»Es war gar nicht so einfach, die notwendigen Opferworte in der Literatur zu finden«, erklärte Geoff.

»Aber sie stehen in Druggetts Buch über die Druiden. Man fand sie auf einem Grabstein in Wales.

Caimich mi a nochd

Eadar uir agus eare,

Eadar run do reachd,

Agus dearc mo dhoille.«

Kaum hatte Geoff seine Rezitation beendet, fing Lester ohne Vorwarnung zu schreien an. Der Schrei war für menschliche Ohren zwar unhörbar, doch er erklang in ihren Köpfen wie eine Messerschneide, die über eine Schieferplatte gezogen wurde.