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»Jack, halt bloß Abstand!«, warnte Geoff ihn. »Er will dich töten – er will uns beide töten!«

Jack hielt inne, zögerte und biss sich auf die Unterlippe. Quintus Millers Glaslippen hatten sich zu einem glänzenden Lächeln verzogen.

Kommen Sie ruhig näher, Mr. Reed. Oder darf ich Sie Jack nennen? Es macht keinen Unterschied, denn früher oder später werde ich dich umbringen, Jack, das verspreche ich dir. Genau wie Lester starb, als er versuchte, dir unsere heiligen Geheimnisse anzuvertrauen. Niemand betrügt Quintus Miller, Jack. Niemand stellt sich ihm in den Weg. Die Quintessenz gab mir ihren Namen – und genau das bin ich. Ich habe meine Brüder umgebracht, alle vier, ihnen die Augen mit einem glühenden Schürhaken ausgestochen. Was glotzt ihr mich so an, niemand darf einen Gott anstarren, jedenfalls nicht so! Das habe ich zu ihnen gesagt. Und als sie schliefen, waren sie fällig … einer nach dem anderen. Ich habe ihnen den ledernen Streichriemen meines Vaters zwischen die Zähne geklemmt, damit sie keinen Laut von sich geben konnten … dann rammte ich den glühenden Schürhaken genau durch das Lid ins Auge. Ob das gezischt hat? Darauf kannst du Gift nehmen! Hast du schon mal Augenflüssigkeit brutzeln gehört, Jack? Ich schon! Achtmal! Jeder meiner Brüder war blind und tot. Dann kam meine Mutter. Ich habe sie verätzt und ihr den heißen Schürhaken genau dorthin gerammt, wo ich aus ihrem Leib gekrochen war. Die Stelle versiegelt und gereinigt, damit keine Frau je damit prahlen konnte, mich auf die Welt gebracht zu haben.

Jack sah zur Seite. Eines der Betonstücke, das aus Lesters Grab herausgeschossen war, lag genau neben seinem Fuß. Er schaute zurück auf Quintus Miller, den Glasmann, der sich auf der Windschutzscheibe des Valiant abzeichnete, und kam zu dem Ergebnis, dass ihm genügend Zeit blieb, das Betonstück hochzuheben, auszuholen und es Quintus Miller gegen den Kopf zu rammen, bevor dieser ihn aufhalten konnte.

Eine Sekunde. Weniger als eine Sekunde. Heben, ausholen, treffen.

Mein Vater war nicht da … mein größter Fehler. Ich wollte auch ihm meine Läuterung zuteilwerden lassen. Aber er war in jener Nacht ohne mein Wissen außer Haus gegangen … sogar ohne dass meine Mutter davon wusste. Er schlief auf der anderen Seite der Stadt bei einer anderen Frau. Behauptete immer, dass er mit dem Hund spazieren ging, aber ich wusste es besser! Er kopulierte, das tat er! Mein Vater war stark … stark wie ein Löwe, genau wie ich. Mit einem großen Schwanz. An seinen Schwanz werde ich mich immer erinnern. Er flößte mir Angst ein, als ich ein kleiner Junge war. Ich wollte diesen Schwanz exorzieren, diese ganze Erinnerung exorzieren … aber er war nicht da …

Jack griff nach dem Betonstück. Holte aus. Und schlug zu.

… ich öffnete die Tür und – der Hund! …

Quintus Millers gläserner Schädel zerplatzte wie eine Glühbirne. Die Scherben fielen auf den Fahrersitz.

Doch zu Jacks grenzenlosem Entsetzen lachte das zertrümmerte Gesicht noch immer. Eine Glashand schoss aus der Windschutzscheibe und packte Jack am Hinterkopf. Jack grunzte, warf seinen Kopf hin und her und drückte sich gegen den Kotflügel des Wagens. Doch Quintus Millers Griff war zu brutal und zu fest. Jack wurde immer näher an die gebrochene Windschutzscheibe herangezogen, bis sein Gesicht genau vor dem Glasmund mit dem zertrümmerten Kopf hing.

Also wirklich, Jack … jetzt hast du mich echt enttäuscht. Ich wollte eine Jagd. Ich wollte ein Duell mit euch, bei dem es auf Geistesstärke, nicht auf reine Körperkraft ankommt. Ich müsste jetzt einfach nur deinen Hals über das Glas ziehen, dann wäre es aus mit dir … und denk ja nicht, dass ich es nicht tue, denn ich werde es tun. Ich bin ja nicht so blöd, dass mir das Jagen wichtiger wäre als das Erlegen meiner Beute … ich hab dich gefangen, Jack, und jetzt schlägt gleich dein letztes Stündlein.

Jack riss seinen Kopf zurück, so weit er konnte. Doch obwohl Quintus nur Glashände besaß, war er ungeheuer stark und Jack rutschte immer weiter auf die zertrümmerte Stelle genau über Quintus’ Lippen zu.

Hast du jemals gesehen, wie jemandem die Kehle vollständig durchtrennt wurde? Das ist mal in The Oaks passiert, als einer der Verrückten eine Kaffeetasse zerbrach und sich direkt vor Mr. Estergomys Augen damit aufschlitzte … es gibt kaum etwas Schärferes als zerbrochenes Porzellan. Es schneidet scharf wie eine Klinge, ganz gerade sogar … aber Glas taugt auch, mit dem Unterschied, dass die Schnittkanten meist gezackt sind …

»Uh«, grunzte Jack und versuchte mit aller Macht, seinen Kopf freizubekommen. Doch die Glashand umklammerte ihn so fest, dass er sich nicht losreißen konnte, während der transparente Mund ihn gefühllos anlächelte, um ihm beim Sterben zuzusehen.

Seine Kehle war lediglich noch einen Zentimeter weit von Quintus Millers zerborstenem Schädel entfernt, als Jack ein lautes, schmetterndes Geräusch hörte und Quintus’ Griff sich abrupt lockerte. Jack befreite sich, kam auf die Knie und rollte sich über den Boden ab. Dann fand er sich mit der Wange auf dem Beton wieder, direkt neben den Fragmenten von Quintus’ zerbrochenem Glasarm. Geoff stand mit einem Betonbrocken in der Hand neben ihm. Er musste Quintus’ Arm am Ellbogen zertrümmert haben.

»Lass uns hier abhauen«, sagte Geoff und half ihm auf. Die zerbrochene Scheibe des Valiant zersprang urplötzlich in tausend Stücke, eine Ansammlung von künstlichen Diamanten, die auf die Sitze prasselten. Zusammen rannten Jack und Geoff zur Ausfahrt. Von Zeit zu Zeit schauten sie zurück, um sich zu vergewissern, dass sich der Beton nicht wölbte und Quintus Miller bereits die Verfolgung aufgenommen hatte.

Keuchend und stöhnend liefen sie durch die East Kilbourn Avenue. Irgendwann meinte Jack: »Ich kann nicht mehr, Geoff. Sorry. Bin nicht mehr in Form.«

Geoff nickte und beugte sich vor, um seine Zehen zu berühren. »Ich auch nicht. Zu viel Pfeife geraucht. Ich hätte lieber weiter Squash spielen sollen.«

»Herrgott, ich könnte einen Drink gebrauchen!«, stellte Jack fest.

Gemeinsam humpelten sie immer noch schwitzend und keuchend die Straße entlang. »Glaubst du, Otto ist tot?«, erkundigte sich Jack bei seinem Begleiter.

Geoff nickte. »Sah zumindest ganz danach aus.«

»Diese ganze Geschichte ist meine Schuld«, stellte Jack fest. »So viele Menschen sind bereits umgekommen.«

Geoff berührte ihn aufmunternd an der Schulter. »Ach, weißt du … so läuft’s nun mal auf der Welt – ist schon immer so gewesen … und du hast es doch nur gut gemeint.«

»Gut gemeint? Herrje!«

Sie ließen die East Kilbourn Avenue hinter sich und hielten weiter aufmerksam nach Rissen im Gehweg Ausschau.

»Er wird alles dransetzen, uns zu töten, das weißt du.«

»Da hast du wohl recht. Wenn du ihm vorhin nicht den Arm gebrochen hättest, wäre ich von ihm wie ein Kartoffelsack aufgeschlitzt worden.«

»Zumindest wissen wir jetzt mit Sicherheit, dass Randy noch lebt.«

»Ja, Gott sei Dank!«, bestätigte Jack. »Und ich werde ihn da rausholen.«

Sie rannten keuchend den Gehweg entlang, als plötzlich ein Polizeiauto neben ihnen hielt. Es hatte das Blaulicht eingeschaltet. Zwei Polizisten stiegen aus und rannten auf sie zu.

»Polizei! Hände hoch! Hände gut sichtbar über den Kopf!«

Jack und Geoff kamen der Aufforderung wie in Zeitlupe nach. Einer der Beamten hielt die Waffe auf sie gerichtet, während der andere sich ihnen vorsichtig näherte.

»Sie sind Jack Reed, nicht wahr?«, fragte er Jack. Er war jung und sein Gesicht von Pickeln übersät. Über seinem Mund züchtete er einen spärlichen schwarzen Schnurrbart.

»Ich bin Jack Reed, das stimmt. Was soll das hier?«

»Sie sind verhaftet, weil Sie eine Anweisung des Bezirksgerichts missachtet haben. Ich werde Ihnen jetzt Ihre Rechte vorlesen.«