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Eine der Frauen lachte, schrie gellend auf und brüllte dann immer wieder Pandora! Pandora! Pandora!, bis eine andere ihr heftig an den Haaren zog, um sie zum Schweigen zu bringen.

Lasst ihn gehen!, befahl Gordon Holman.

Zuerst zögerten die Frauen, doch als Holman einen warnenden Schritt nach vorne machte, gaben sie Jacks Arme frei, traten zurück und ließen ihn dort kauern, wo er war. Nur die fette Frau blieb für den Fall, dass er versuchte, sich durch einen Tauchgang in die Tiefen des Erdreichs in Sicherheit zu bringen, unter ihm liegen.

Willst du ein letztes Gebet sprechen?, erkundigte sich Gordon Holman.

Jack verharrte, wie er war, in der Hocke und dachte angestrengt nach. Wie lauteten noch einmal die Worte des Rituals? Der Text für die Verwandlung und für das Darbringen der Opfer? Als Geoff sie auf dem Parkplatz Lester entgegengeschmettert hatte, war dieser fast ausgeflippt.

Caimich mi a nochd,

Eadar uir irgendwas,

Eadar run do reachd,

Bei der vierten Zeile hatte er einen völligen Blackout.

Er war erstaunt, dass er sich überhaupt noch an so viel erinnern konnte. Für gewöhnlich ließ sein Gedächtnis eher zu wünschen übrig. Wenn man ihn anrief, versprach er, in ein paar Minuten zurückzurufen und das war’s dann – sofort hatte er es wieder vergessen. Wie sollte er sich in so einer Stresssituation das Gälische wieder in Erinnerung rufen – besonders ein Gälisch, das er nur einmal gehört und zweimal gelesen hatte?

»Caimich mi a nochd,

Eadar uir agus eare,

Eadar run do reachd,

Agus dearc mo dhoille.«

Unter der Erde herrschte absolute Stille. Jack blieb mit erhobenem Kopf weiter in der Hocke. Zuerst dachte er, dass Gordon Holman einfach auf den richtigen Moment wartete, um ihm den Garaus zu machen, doch dann ging ein Zittern durch den lehmigen Boden und er sah sich vorsichtig um. Da stand Gordon Holman. Er zitterte am ganzen Körper, schien wie gelähmt vor Entsetzen.

Jack warf einen Blick auf die Frauen. Die meisten von ihnen waren auf die Knie gesunken und zitterten ebenfalls. Der irre Mönch hatte jetzt die Stirn gerunzelt und lächelte nicht mehr, während der Kopfnicker so heftig nickte, dass er Gefahr lief, sich den Kopf von den Schultern zu schütteln.

Das Opfer, die Verwandlung. Das Ende eines Lebens, der Beginn eines neuen Lebens. Das war es, was diese elenden Geisteskranken so sehr ängstigte. Die Worte standen für Tod, für Veränderung und für Verunsicherung. Der Sieg der Magie über den menschlichen Willen. Es waren die Worte, welche die Druiden in Stonehenge, Carnac und Mystery Hill an ihre Anhänger gerichtet hatten; zu einer Zeit, da die ganze Welt noch von Magie beherrscht wurde.

Jack selbst konnte sich der Macht der Worte, die er soeben gesprochen hatte, kaum verschließen. Er fühlte, wie sich die Kraft der Leylinie um ihn konzentrierte und auf das Ritual zu warten schien, das er in Gang gesetzt hatte.

Und was nun?, überlegte Jack. Soll ich versuchen, einfach abzuhauen? Werden sie mich verfolgen? Wird die Wirkung der Worte nachlassen, sobald ich mich bewege?

Langsam und vorsichtig kam er auf die Beine. Gordon Holman, der immer noch zitterte, folgte seinen Bewegungen mit geschlossenen Augen, machte aber keine Anstalten, ihn aufzuhalten.

Es ist noch nicht an der Zeit, beklagte sich Gordon Holman.

Was meinst du damit, es ist noch nicht an der Zeit?

Ich habe mir noch nicht alle 800 genommen. Höchstens 50! Es ist nicht an der Zeit! Es kann noch nicht so weit sein!

Jack sah vor seinem inneren Auge Blitze vorbeiziehen, die durch die Bäume zuckten. Es regnete stark. Er nahm wahr, wie das eiskalte Wasser von den Zweigen tropfte und in die schwarzen, haarigen Wurzeln der Eichen eindrang.

Außerdem, ergänzte Gordon Holman dann mit deutlich größerer Zuversicht, außerdem hat Quintus uns noch nicht gerufen. Quintus hat uns noch nicht zurückgerufen. Quintus wird wissen, wann es an der Zeit ist! Quintus wird wissen, wann jeder von uns sich 800 genommen hat.

Gordon Holman lachte und die Frauen stimmten mit ein, wenn auch kläglich leise und wenig überzeugend. Jack hatte die ersten Worte des Opferrituals gesprochen. Was jetzt schon begonnen worden war, würde sich nicht mehr so leicht aufhalten lassen. Nicht, ohne ein Opfer darzubringen, nicht ohne einen Toten. Das Opferritual, das Geoff auf dem Parkdeck initiiert hatte, war erst abgeschlossen worden, als Quintus Miller Lester abschlachtete. Blut war nötig, menschliche Tonerde.

Doch Gordon Holman schnüffelte und bellte wie ein Hund. Keine Sorge! Keine Sorge!, schrie er seinen wahnwitzigen Begleitern zu. Quintus wird uns rufen, wenn es an der Zeit ist! Quintus wird seine Musik erklingen lassen und wir werden Bescheid wissen! Quintus wird uns mit seiner Flöte zu sich rufen! Der Ruf! Der Ruf! Wir haben den Ruf noch nicht vernommen! Wenn wir ihn gehört hätten, wäre uns keine andere Wahl geblieben! Wir hätten gehen müssen! Aber noch ist es nicht an der Zeit! Keine Panik! Es ist noch nicht an der Zeit!

Was redete er denn da? Der Ruf?, fragte sich Jack. Quintus musste sie also mithilfe von Flötenmusik zu sich holen, wenn der richtige Moment für die Opfergabe gekommen war?

Jack hielt seine eigene Flöte hoch. Es war ein gerades, glattes Rohr, in das Löcher hineingebrannt waren. Vielleicht lag die Antwort in der Musik verborgen. Vielleicht gab sie den Ausschlag. Schließlich hatte sie auch bei dem Ritual, das ihn selbst in die Wand geholt hatte, eine wichtige Rolle gespielt. Vielleicht war sie dann auch ausschlaggebend für das Opferritual.

Quintus würde Musik machen, wenn es an der Zeit war, die Wahnsinnigen am heiligen Ort zu versammeln … und sie würden kommen. Nach dem zu urteilen, was Gordon Holman gesagt hatte, würden sie gezwungen sein, ihm zu gehorchen, ob sie nun wollten oder nicht. Genau wie die Kinder dem Rattenfänger von Hameln mitten in den Berg hinein hatten folgen müssen. Wenn Jack das Ganze richtig interpretierte, war das Flötenspiel viel mehr als nur Musik – viel mehr als ein einfaches Signal. Es war ein direkter Ruf des Gottes, der die Quintessenz war; ein Ruf, der nicht nur an die sterbliche Hülle, sondern auch an den Sinn für Hingabe appellierte.

Eine Einladung des Gottes, der die Quintessenz ist, schlägt man nicht einfach so aus, dachte Jack. Selbst wenn es bedeutet, dass das eigene Leben dadurch auf den Kopf gestellt wird. Selbst wenn jeder, den man kennt, auf Folterinstrumenten gequält und ihm das Rückgrat gebrochen wird, damit die entsprechende Seele auf immer verloren geht.

Man geht, weil man keine andere Wahl hat.

Zögernd hob Jack seine Flöte. Er hatte keine Ahnung, ob er unter der Erde überhaupt spielen konnte, doch er blies trotzdem in das Rohr und ausreichend Luft strömte durch das Instrument. Etwas, das weniger ein Ton als vielmehr eine Vibration war, kam zitternd zum Vorschein und durchdrang den Boden: »Lavendelblau, dideldei, Lavendel, hier gehör ich hin. Hier bin ich König, dideldei …«

Die Wirkung auf Gordon Holman und den Rest seiner Truppe war unmittelbar – und beängstigend. Sie standen auf, versammelten sich um Jack herum und streckten flehend ihre Hände aus. Sie sprachen nicht, doch ihre Gliedmaßen gaben ein Scharren von sich. Es erinnerte ihn an die Tauben, die sich auf den Dächern von The Oaks versammelten. Ihre Körper ließen hier tief unter der Erde das inzwischen auf schreckliche Weise vertraute Sssschhhhhhh-Geräusch ertönen.