Выбрать главу

Jack zog eine Grimasse und presste sich die Hand auf die Rippen. »Das kann ich nur bestätigen. Aber was ist mit Schwächen? Besitzt er keine Schwächen? Karen hat vorgeschlagen, dass wir herausfinden sollen, was ihm Angst macht, ob er überhaupt irgendetwas fürchtet. Das könnten wir uns dann zunutze machen.«

Sie hatten die Treppe schon fast erreicht, als Geoff vorsichtig die Taschenlampe von einer Seite des Gangs zur anderen schweifen ließ.

»Elmer Estergomys Tagebücher lassen darauf schließen, dass Quintus Miller schreckliche Angst vor Hunden hatte. Er riss alle Bilder von Hunden aus Zeitschriften heraus und zerfetzte sie. Und wenn jemand anfing, von Hunden zu sprechen, bekam er einen regelrechten Anfall. Elmer Estergomy vermutet, dass es etwas mit der Nacht zu tun hatte, als er seine Brüder und seine Mutter tötete. Sein Vater kam nach Hause, fand ihn und hetzte ihm den Wachhund der Familie auf den Hals … offenbar wurde er dabei fast getötet. Er ließ sich tätowieren, um die Narben zu überdecken, aber auch, um seinem Vater höhnisch vorzuhalten, dass er beinahe zerfleischt worden wäre. Aber das ist die einzige Phobie, die Estergomy erwähnte.«

An Karen gewandt sagte Jack: »Das ist vermutlich der Grund, weshalb Joseph Lovelittle so lange überlebt hat. Quintus Miller wollte sich ihm nicht nähern, nicht solange er den Dobermann besaß.«

Sie erreichten die Treppe. Jack erkannte die blassen, blinden Statuen, den wie ein Skelett herabhängenden Leuchter und den schwachen Schimmer des Marmorbodens. Gott, er hasste diesen Ort und er fürchtete sich auch vor ihm. Noch nie in seinem Leben hatte er ein Gebäude so sehr verachtet wie The Oaks. Irgendwo prasselte der Regen durch ein Loch in der Decke auf den Boden und in der Ferne grollte der Donner.

Sie wollten gerade die Treppe hinuntergehen, als eine Taschenlampe sie blendete, die jemand von unten im Gang auf sie richtete. »Wer ist da?«, fragte eine schrille Frauenstimme.

In der Dunkelheit runzelte Jack die Stirn. »Geoff, gib mir mal die Taschenlampe!«, forderte er.

»Wer ist da?«, wiederholte die Frauenstimme. »Jack? Bist du das?«

»Herrgott im Himmel. Es ist Maggie!«, rief er.

D R E I Z E H N

Maggie rannte blitzschnell über den Marmorboden, bis sie den Fuß der Treppe erreichte. Ihr Burberry-Regenmantel raschelte. Mit der Taschenlampe leuchtete sie die Stufen hinauf, erst in Jacks Gesicht, dann in das von Karen und schließlich auf Randy.

»Randy!«, schrie sie. »Gott sei Dank, du bist in Ordnung!«

Mit klappernden Pumps rannte sie die Treppe hoch, beugte sich zu ihrem Sohn und drückte ihn ganz fest an sich. Randy brach in Tränen aus.

»Was hast du ihm angetan?«, klagte Maggie ihren Mann an. »Was ist mit seiner Kleidung passiert?« Mit einem geringschätzigen Seitenblick auf Karen fügte sie hinzu: »Ich hätte wissen sollen, dass du auch hier bist!«

»Was mich viel mehr interessiert, ist, was zum Teufel du hier zu suchen hast!«, konterte Jack. »Wie viel Uhr ist es? Es ist noch nicht mal hell!«

»Sergeant Schiller hat mich angerufen, um mich davor zu warnen, dass du geflohen und vielleicht gefährlich bist.«

»Schönen Dank auch. Ich habe gerade Randy davor gerettet, bei lebendigem Leib geopfert zu werden, und du hältst mich für gefährlich.«

»Ich bin nie davon ausgegangen, dass du ihn umgebracht hast«, entgegnete Maggie. »Vielleicht liebe ich dich nicht mehr, Jack. Ich hasse dich, das trifft es wahrscheinlich eher. Aber ich kenne dich trotzdem ziemlich gut. Mir ist irgendwann aufgegangen, dass du Randy vermutlich irgendwo versteckt hältst und ihn nach deiner Flucht aus dem Gefängnis dort abholen wirst. Und der einzige Ort, der mir eingefallen ist, war dieses Haus, nach dem du so verrückt bist. Ich wusste, dass ich schnell handeln musste, also bin ich sofort hergefahren.«

»Mrs. Reed … dieses Gebäude ist extrem gefährlich. Wir müssen sofort hier weg«, mischte sich Geoff ein.

»Wer ist denn das?«, wollte Maggie wissen. »Ich warne Sie – ich werde die Polizei rufen!«

»Im Moment ist die Polizei meine geringste Sorge, Mrs. Reed. Also, können wir los?«

»Wenn du glaubst, dass ich dich so einfach von der Leine lasse, dann hast du dich geschnitten«, erklärte Maggie Jack. »Ich bin wegen dir durch die Hölle gegangen!«

Sie nahm Randy an der Hand und lief mit ihm die Treppe hinunter, während sie ihre Taschenlampe schwang. Geoff sah Jack mit hochgezogenen Augenbrauen an und Karen meinte: »Wenn sie die Bullen ruft …«

Doch Maggie hatte erst ein Drittel der verbleibenden Stufen zurückgelegt, als sie laut aufschrie. Randy schrie ebenfalls. Geoff richtete die Maglite auf sie und zu Jacks Entsetzen ragten zwei graue, mit Blasen bedeckte Hände aus der Treppe und versuchten, Maggie und Randy in den Marmor zu ziehen.

»Maggie, halt durch!«, schrie Jack. Gemeinsam mit Geoff rannte er zu ihr. Während Jack Quintus Miller mit voller Kraft auf die Finger trat, öffnete Geoff mit zitternden Fingern seine Flasche mit Weihwasser und verteilte den Inhalt überall um sie herum. Maggie brüllte und kreischte und klammerte sich an Jacks Bein, doch dann zischte das Wasser auf Quintus’ Haut und sein Griff lockerte sich. Da schaffte es Jack endlich, Maggie wieder die Stufen hinaufzuziehen. Randy folgte ihnen. Er weinte und zitterte.

Geoff war immer noch damit beschäftigt, großzügig die heilige Flüssigkeit zu verteilen, als eine weitere Hand hinter ihm aus dem Boden schoss und nach seinem Knöchel griff.

Er drehte sich um, rutschte aus und hätte fast das Gleichgewicht verloren. Die Perrier-Flasche fiel ihm aus der Hand, prallte auf den Boden, blieb aber ganz und rollte weg.

»Wir müssen raus hier!«, schrie Jack. »Die Treppe runter, den Gang entlang und durch die Empfangshalle, schnell!«

»Also los!«, antwortete Geoff. »Je schneller, desto besser!«

Geoff setzte sich in Bewegung, doch gerade als er die unterste Stufe erreichte, kam eine ganze Armee von Marmorhänden aus dem Boden des Gangs und tastete blindlings nach ihm. Die Wahnsinnigen hatten den Keller verlassen und waren auf der Suche nach dem versprochenen Opfer im Gebäude nach oben gewandert. Der Gang glich einem abscheulichen Spargelbeet, bei dem blasse Arme als Sprossen herhalten mussten.

»Nach oben!«, brüllte Geoff, während er kehrtmachte und wieder die Treppe hinaufsprintete. Als er die Stelle erreichte, an der Quintus Millers Hände aus dem Boden gekommen waren, rissen die marmornen Stufen auf und barsten entzwei. Eine polternde, zersplitternde Furche verfolgte ihn auf seinem Weg nach oben.

Geoff packte Karen und Maggie und schleifte sie mit voller Kraft durch den Gang. Jack hoppelte hinterher. Trotz seiner gebrochenen Rippe, die ihn bei jedem Schritt pikte, zerrte er Randy mit sich.

Direkt in ihrem Rücken brach Quintus Miller mit Gewalt durch den Linoleumboden und nahm die Verfolgung auf. Er kannte kein Erbarmen und konnte es kaum erwarten, sie in Stücke zu reißen. Er gierte nach Rache und danach, sich sein Opfer zurückzuholen.

»Wir müssen nach oben!«, keuchte Jack, als sie das Podest vor Elmer Estergomys Büro erreichten. »Und dann den Gang entlang – und die andere Treppe wieder runter!«

Maggie schrie: »Was ist das? Jack, was ist das?«

Doch Jack schrie nur zurück: »Keine Zeit! Die Treppe hoch, los!«

»Aber was ist das?«

»Maggie!«, bellte Jack, als der Boden um sie herum aufplatzte. »Lauf die verdammte Treppe hoch!«