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„Oh ja, das habe ich!“

„Und du möchtest trotzdem immer noch Plätzchen?“, scherzte Jaina.

Kinndy zuckte mit den Schultern. „Was soll ich machen? Einem Leckerbissen kann ich einfach nicht widerstehen“, meinte sie mit dieser heiteren Einstellung, die Jaina inzwischen schon von ihr erwartete. Doch es war offensichtlich, dass irgendetwas das Gnomenmädchen bedrückte. Jaina stellte ihren Teller auf dem Tisch ab.

„Kinndy, ich weiß, dass du den Kirin Tor Bericht erstatten sollst. Das war Teil unserer Übereinkunft. Aber du bist auch meine Schülerin. Falls du irgendwelche Probleme mit mir als deiner Meisterin hast …“

Die blauen Augen wurden weit. „Mit Euch? Oh, Lady Jaina, nein, das ist es nicht! Es ist nur – ich hatte das Gefühl, etwas in Dalaran würde nicht stimmen. Man konnte es in der Luft spüren. Und Meister Rhonins Verhalten hat mich auch nicht gerade beruhigt.“

Jaina war beeindruckt. Nicht alle Magier entwickelten diesen sechsten Sinn, der ihnen verriet, wenn etwas nicht stimmte – um es mit Kinndys Worten zu sagen. Jaina selbst besaß diese Fähigkeit nur bis zu einem gewissen Grad: Sie konnte nicht immer erkennen, wenn es ein magisches Ungleichgewicht gab. Aber wenn dieses Gefühl sie einmal überkam, dann hörte sie auch darauf. Und Kinndy war gerade mal zweiundzwanzig.

Sie lächelte ein wenig wehmutsvoll. „Meister Rhonin hatte recht, was dich angeht“, meinte sie. „Er sagte, du hättest große Möglichkeiten.“

Kinndy wurde rot – aber nur ein bisschen.

„Nun, falls wirklich etwas nicht stimmt, werden wir es noch früh genug herausfinden“, fuhr Jaina fort. „Einstweilen interessiert mich mehr, ob du das Buch zu Ende gelesen hast, das ich dir mitgegeben habe.“

Kinndy seufzte. „Eine Ausführliche Analyse der Temporalen Effekte von Beschwörungen auf Nahrungsmittel?

„So heißt es, ja.“

„Ich hab’s gelesen. Aber …“ Sie zögerte und vermied es, Jaina ins Gesicht zu blicken.

„Was ist los?“

„Nun … ich fürchte, da ist jetzt ein Glasurfleck auf Seite dreiundvierzig.“

Die Nacht fiel über Orgrimmar, und obwohl die Hitze nachließ, schwand sie doch nicht ganz; der hartgebackene Sand, der bar jeglicher Vegetation war, speicherte die Glut der Sonne, ebenso wie die großen, neu errichteten Metallgebäude. Was das Klima betraf, so war Durotar nicht gerade ein angenehmer Ort, und Orgrimmar machte da keine Ausnahme. Doch auch wenn die Stadt noch nie besonders einladend gewesen war, jetzt wirkte sie ganz besonders abweisend.

Malkorok war das nur recht.

Er mochte die Hitze von Durotar, war es doch auch im Inneren des Berges Schwarzfels siedend heiß gewesen. Das tat gut. Die beste Entscheidung, die das Volk der Orcs je getroffen hatte, war ohnehin gewesen, die Bequemlichkeit von Orten wie Nagrand auf ihrer Heimatwelt Draenor hinter sich zurückzulassen. Dies hier war eine Welt, in der man sich beweisen musste, die einen auf die Probe stellte und herausforderte. Es war schlecht, wenn man zu sehr verweichlichte. Darum gehörte es auch zu Malkoroks Aufgaben, dafür zu sorgen, dass kein Orc zu selbstgefällig wurde.

Einige der Orcs, die an der jüngsten Versammlung teilgenommen hatten, waren ihm allerdings viel zu selbstgefällig erschienen. Sie waren zu sehr davon überzeugt, dass ihre Ansichten die richtigen waren, und sie hatten sogar offen ihren Unwillen zum Ausdruck gebracht und Meinungen unterstützt, die der ihres Kriegshäuptlings widersprachen – des Anführers ihrer Rasse. Des Führers der Orcs! Diese Arroganz ließ Malkorok jetzt noch vor Zorn mit den Zähnen knirschen, aber er zwang sich, ruhig zu bleiben, während er sich lautlos durch die Straßen bewegte.

Er hatte Garrosh gesagt, dass man sie alle im Auge behalten sollte, und zunächst hatte der Kriegshäuptling angenommen, dass er damit nur die Anführer der verschiedenen Rassen meinte, aus denen die Horde bestand. Aber der Schwarzfelsorc sah die Dinge in einem viel größeren Zusammenhang. Wenn er sagte, man sollte sie „alle“ im Auge behalten, dann meinte er auch alle.

Jedes einzelne Mitglied der Horde.

Darum ließ er einige der unzufriedenen Orcs von seinen besten Leuten beschatten – diejenigen, die es gewagt hatten, still zu bleiben, während die anderen jubelten. Daran, dass Etrigg ungestraft Kritik üben durfte, konnte er im Augenblick leider noch nichts ändern; der alte Orc wurde von allen geliebt und respektiert, und Garrosh hatte es Thrall versprechen müssen, dass er seine Ratschläge beachten würde.

Doch vielleicht nicht mehr lange.

Andere, die sich auf Etriggs Seite gestellt hatten, mussten hingegen schon jetzt den Preis für ihr Verhalten zahlen, das in Malkoroks – und Garroshs – Augen nichts anderes war als offener, unverfrorener Hochverrat. Seine Gedanken wanderten zu jener Zeit vor einigen Jahren zurück, als er noch in Diensten Rend Schwarzfausts gestanden hatte. Voller Genugtuung erinnerte er sich an das Schicksal, das jene Abenteurer erwartet hatte, die sich unklugerweise ins Herz des Berges vorgewagt und Rend herausgefordert hatten. Doch noch lebhafter als dies waren die Erinnerungen daran, wie er selbst mit den anderen Orcs umgesprungen war, die Kritik an Schwarzfaust geübt hatten, wenn sie sich in den Schatten sicher wähnten.

Er hatte ihnen aufgelauert und seinem eigenen, unstillbaren Verlangen nach Gerechtigkeit Genüge getan. Als ein weiterer dieser Verräter plötzlich von der Bildfläche verschwunden war, hatte Rend ihn darauf angesprochen, aber Malkorok hatte nur mit den Schultern gezuckt, woraufhin Schwarzfaust ihm ein anerkennendes Grinsen geschenkt hatte. Danach verlor er niemals wieder ein Wort über diese Sache.

Jetzt lagen die Dinge zwar anders, doch so groß waren die Unterschiede gar nicht, und Malkorok musste nun auch nicht mehr allein durch die Schatten schleichen; vier Kor’kron, eigens von Garrosh ausgewählt und darauf eingeschworen, jedem Befehl des Schwarzfelsorcs zu gehorchen, als wären es die Worte des Häuptlings selbst, begleiteten ihn und bewegten sich dabei so verstohlen, als wären sie selbst bloß Schatten.

Kor’jus lebte in der Kluft der Schatten, einem der heruntergekommeneren Teile von Orgrimmar, und wenn man sein Haus sah, konnte man ohne Weiteres den Eindruck gewinnen, dass er in finstere Machenschaften verstrickt war. Tatsächlich aber war der Name seines Ladens, Dunkle Erde, lediglich eine Beschreibung des Bodens, den er brauchte, um seine Waren heranzuzüchten – Pilze. Soweit Malkorok wusste, war Kor’jus zwar ein gesetzestreuer Einwohner, aber dass er hier lebte, machte seine Aufgabe deutlich einfacher. Die paar vermeintlichen Zeugen brauchten jedenfalls keinen weiteren Anreiz als ein Zwinkern und ein paar Goldmünzen, um mit einem Nicken in die andere Richtung zu sehen.

Kor’jus kniete auf dem Boden und benutzte ein scharfes Messer, um die Pilze zu ernten, die er morgen verkaufen wollte. Er schnitt die Stiele mit geschickten Bewegungen dicht über dem Boden ab, dann warf er sie in einen Sack und wandte sich den nächsten zu. Sein Rücken war der Tür zugewandt, vor der sich ein halb zugezogener Vorhang befand. Ein Schild über dem Eingang verkündete GESCHLOSSEN. Obwohl er nicht sehen konnte, wie sich seine Besucher näherten, schien er ihre Gegenwart doch zu spüren, denn er versteifte sich. Anschließend stand er langsam auf und drehte sich herum. Als er Malkorok und seine Begleiter sah, wurden seine Augen zu schmalen Schlitzen.

„Lest das Schild“, raunzte er. „Der Laden ist erst morgen früh wieder geöffnet.“ Malkorok fiel auf, dass der Pilzbauer die Finger fester um sein kleines Messer schloss. Als ob ihm das helfen würde!

„Wir sind nicht wegen der Pilze hier“, erklärte er mit leiser Stimme. Dann kamen er und die vier anderen Orcs näher. Einer von ihnen zog den Vorhang zu. „Sondern wegen dir.“