„Seht und sterbt!“ Die Krieger der Horde nahmen den Ruf auf, ihr Blutdurst war durch etwas angefacht, das hämischer Schadenfreude nahekam.
Dieser Moment entschied die Schlacht, genau wie Garrosh vorhergesagt hatte. Die Verteidiger der Allianz sahen voller Grauen zu, wie fast ein Dutzend Titanen aus geschmolzenem Fels auf sie zustampften, und viele von ihnen wurden unter den Füßen der Riesen zermalmt. Andere starben, als die verbliebenen Mauern mit gleichgültigen Schlägen zerschmettert wurden.
„Haltet eure Positionen, Soldaten der Allianz!“ Der Ruf erklang von einem der Türme herab. Mit einem leisen Lachen legte Malkorok den Kopf in den Nacken, um den Menschen dort oben sehen zu können. Er trug den Hut eines Admirals und versuchte ebenso verzweifelt wie erfolglos, seine Truppen zu mobilisieren. Es war ein närrischer Versuch, dennoch konnte der Schwarzfelsorc nicht anders, als diesem zum Tode verurteilten Menschen Respekt zu zollen. Zumindest würde er in Ehre sterben.
Die meisten der Soldaten, die er befehligte, ergriffen jedoch die Flucht, und Malkorok wollte ihnen keinen Vorwurf machen, schließlich war es genau die Reaktion, auf die Garrosh gezählt hatte.
Vor Angst keines klaren Gedankens mehr fähig, hatten viele der Menschen einfach ihre Waffen fallen lassen, und nun rannten sie der vermeintlichen Sicherheit des Wassers oder der Hügel entgegen. An jedem Ort wollten sie lieber sein als hier, wo ihnen der sichere Tod durch Kreaturen aus flüssigem Fels und Hass bevorstand. So wurden die flüchtenden Soldaten aber nur zu noch leichterer Beute für die Krieger der Horde, die an sämtlichen Ausgängen warteten. Es war beinahe schon zu einfach. Sollte es tatsächlich jemandem gelingen zu fliehen, dann müsste er schon äußerstes Glück haben.
Malkorok setzte ebenfalls den Allianz-Soldaten nach, die ihr Heil in der Flucht suchten. Sie hatten zu viel Angst, um auch nur gut zu kämpfen, und er streckte sie ohne große Gegenwehr nieder. Nach ein paar Sekunden waren die Auseinandersetzungen in seiner unmittelbaren Umgebung abgeebbt, und die einzigen Allianz-Mitglieder, die er noch sehen konnte, lagen reglos auf dem Boden. Mit zusammengekniffenen Augen blickte er sich nach weiteren Kämpfen um, in die er eingreifen könnte, ohne jedoch fündig zu werden. Die geschmolzenen Riesen setzten derweil ihren Marsch durch die Feste fort, wobei sie die Überreste der Mauern brüllend niederrissen und Kanonen und andere Kriegsmaschinen durch die Luft wirbelten, als wäre es Kleinholz.
Nun erblickte Malkorok Garrosh, der über die Leiche eines Worgen gebeugt stand. Der Schädel des Wesens lag einen Meter von seinem Körper entfernt, die wolfsgleichen Züge zu einem Zähnefletschen erstarrt, seine Augen jedoch vor Furcht geweitet. Garrosh drehte sich zu dem Schwarzfelsorc herum, sein Gesicht und sein Körper waren mit Blut bespritzt, und grinste wild hinter seinen Hauern hervor.
„Nun?“, rief er.
„Wir haben gewonnen, mein Kriegshäuptling!“, antwortete Malkorok. „Ich sehe keine Allianz-Kämpfer mehr, die noch auf ihren Beinen stehen.“
Garroshs Grinsen wurde noch breiter, er warf den Kopf zurück, die Arme ausgebreitet, und stieß einen durchdringenden Triumphschrei aus. „Ein Sieg für die Horde! Ein Sieg für die Horde!“
Schnell fanden sich andere, die den Ruf wiederholten, und kurz darauf breitete er sich unter den Truppen wie ein Lauffeuer aus. Malkorok sah, wie die geschmolzenen Riesen langsamer wurden und dann schließlich ganz stehen blieben, und erkannte, dass die dunklen Schamanen, die sie herbeibeschworen hatten, nun ebenfalls die freudigen Jubelschreie vernahmen und die Elementarwesen dorthin zurückschickten, wo sie hergekommen waren.
Das hieß … sie versuchten es zumindest.
Es schien nämlich, als wollten die geschmolzenen Riesen ihre Gestalt nicht wieder aufgeben. Sie wandten sich langsam herum, und ihre kleinen Köpfe mit den winzigen roten Augen schwenkten hin und her, während sie nach ihren „Meistern“ suchten. Dann setzten sie sich wieder in Bewegung.
Malkorok und Garrosh blickten sich ebenfalls nach den schwarz gekleideten Gestalten um, die mit einer an Panik grenzenden Vehemenz ihre Gesten in die Luft zeichneten. Kurze Zeit standen sich Elementarwesen und Schamanen in einem Kampf des Willens gegenüber, anschließend öffneten die geschmolzenen Riesen im Gleichklang ihre Mäuler und stießen einen furchterregenden Schrei aus, in dem sich Zorn und Verzweiflung vermengten.
Die Erde selbst antwortete auf diesen Hilferuf.
Malkorok spürte, wie der Boden unter seinen Füßen erbebte, zunächst kaum merklich, dann aber immer heftiger. Alarmiert blickte er sich um, doch in der Nähe gab es keinen Ort, wo er Schutz suchen konnte. Da waren nur Leichen und Waffen und Trümmer, wo einst die Festungsmauern gestanden hatten.
Warnende Schreie hallten in der Luft wider, als einige der Krieger das Gleichgewicht verloren und hart stürzten. Sie klammerten sich am Boden fest, obwohl er nun ihr Feind war. Wie aus dem Nichts ballten sich am Himmel dunkle Wolken zusammen, und Blitze zuckten, sofort gefolgt von einem beinahe ohrenbetäubenden Donnergrollen.
Die Münder der geschmolzenen Riesen öffneten sich weiter und dann noch weiter, während ihre Schädel und Schultern allmählich verschmolzen und sich auflösten. Die Elementarwesen verloren ihre feste Form, Körper und Glieder flossen zu einer Masse zusammen, dann schwand auch ihre Farbe, sie wurden dunkelrot und schließlich wieder braun. Einen weiteren Augenblick später schrumpften sie zu ihrer ursprünglichen Gestalt zusammen – nun waren sie nur noch Felsbrocken, sonst nichts.
Ein letztes Mal bäumte sich der Boden noch auf und bebte, dann kam auch er wieder zur Ruhe. Die folgende Stille fühlte sich an, als wären Malkoroks Gehörgänge mit Baumwolle gefüllt. Seine Ohren brannten nach all dem Lärm, und nachdem sich die gestürzten Mitglieder der Horde vorsichtig wieder auf die Füße gestemmt hatten, konnte er erneut Jubelrufe hören.
„Wir haben nicht nur die Allianz besiegt“, sagte Garrosh, als er neben den Schwarzfelsorc trat und ihm auf den Rücken klopfte, „wir haben auch unsere Herrschaft über die Elemente unter Beweis gestellt!“
„Was Ihr unter Beweis gestellt habt“, fuhr eine tiefe, grollende Stimme dazwischen, der gewaltiger Zorn einen eisigen Unterton verlieh, „ist lediglich Euer Leichtsinn, Garrosh Höllschrei!“
Die beiden Orcs wirbelten herum und erblickten Baine Bluthuf und einen seiner Schamanen. Der Häuptling der Tauren stand in voller Kriegsmontur da, sein Gesicht war mit Farbe verschmiert, wenn es auch keine Kriegsbemalung war, seine Rüstung schien mit Blut besprenkelt. Doch er erfreute sich nicht an ihrem Sieg.
Baine fuhr fort: „Kador Wolkenlied hat mir gesagt, der Irdene Ring soll diese Verwendung der Elemente ausdrücklich verboten haben, Höllschrei.“
Malkorok zog die Brauen zusammen. „Du wirst ihn gefälligst als Kriegshäuptling ansprechen“, knurrte er mit leiser Stimme.
„Nun gut. Kriegshäuptling“, zischte Baine, „Eure Entscheidung, diese … diese geschmolzenen Riesen einzusetzen ist ein Frevel an der Erdenmutter – und an der Horde, auf die Ihr Anspruch erhebt! Begreift Ihr überhaupt, was Ihr da tut? Habt Ihr nicht den Zorn der Erde selbst gespürt? Ihr könntet einen zweiten Kataklysmus heraufbeschwören. Bei den Vorfahren, habt Ihr denn gar nichts gelernt? Soll die Welt noch ein weiteres Mal untergehen?“
„Ich habe den Kataklysmus für uns zum Vorteil gewandelt!“, brauste Garrosh auf. „Das“ – er deutete mit dem Finger auf die Trümmer, die einst die Feste Nordwacht gewesen waren – „ist der erste große Schritt in Richtung der völligen und absoluten Eroberung dieses Kontinents! Als Nächstes wird Theramore fallen – und ich werde jedes Werkzeug einsetzen, das nötig ist, um diese Ziele zu erreichen, Taure!“
„Ihr könnt doch nicht die Welt …“