Выбрать главу

Darauf folgte weiteres Jubeln, Lachen, Applaudieren, und schon bald erhob sich ein weiterer Gesang, ganz plötzlich, aber von seinen Worten inspiriert.

„Tod der Allianz! Tod der Allianz! Tod der Allianz!“

Baine saß in einer Ecke des dunklen, nasskalten Gasthauses bei Klingenhügel. Das wenige Licht, das durch die Tür hereinfiel, reichte nicht aus, um die Schatten aus dem Schankraum zu verscheuchen; alles, was die Sonnenstrahlen enthüllten, waren Staubpartikel, die in der Luft tanzten. Das Bier war schlecht, das Essen noch schlechter, aber der Taure war lieber hier als einige Kilometer im Norden, wo jetzt gerade ein Festmahl abgehalten wurde, wie die Horde noch nie eines erlebt hatte.

Garrosh hatte erklärt, die Armee dürfe sich nicht auflösen. Sämtliche Krieger der Horde mussten in Durotar bleiben, der Kriegshäuptling hatte Baine jedoch nicht angewiesen, an den Gelagen in Orgrimmar teilzunehmen. Dieses Versäumnis war eine Beleidigung – und Baine zeigte sich genug, um das zu erkennen. Doch er war froh, nicht dort sein zu müssen. Der Kriegshäuptling hatte die Horde unnötiger Gefahr ausgesetzt und einen unendlich feigen Massenmord begangen. Der Taure war sicher, hätte er auch nur einen Moment länger mit anhören müssen, wie man ihn dafür mit Lobpreisungen überschüttete, hätte er vermutlich die Beherrschung verloren und diesen grünhäutigen Narren zum Duell herausgefordert – und hätte er das getan, so hätte die Horde darunter gelitten, ganz gleich, wer den Kampfplatz als Gewinner verließ.

Doch es gab noch andere, die heute keineswegs in Feierlaune waren. Während er sich an dem schlechten Bier gütlich tat, behielt er den Eingang im Blick, und so sah er, wie nach und nach weitere Tauren eintraten. Sie nickten ihm zu, bevor sie sich setzten, und eine Weile später kam auch Vol’jin herein. Der Troll nahm nicht an Baines Tisch Platz, aber ihre Blicke trafen sich kurz. Ein paar Minuten später blickte der Oberhäuptling erneut auf, und zu seiner Überraschung sah er nun das helle Gold und Rot von Sin’dorei-Roben … und daneben die abgewetzten Fetzen der Verlassenen. Der Gedanke, dass andere sahen, was er sah, und fühlten, was er fühlte, gab ihm neuen Mut. Vielleicht gab es ja doch noch eine Möglichkeit, Garroshs Wahnsinn aufzuhalten – bevor die Horde einen schrecklichen Preis dafür bezahlen musste.

Die salzgeschwängerte Luft vibrierte unter den Geräuschen reger Tätigkeit, und das schon seit zwei Tagen – seit die Nachricht vom Untergang Theramores Varian erreicht hatte. Es stand zu bezweifeln, dass wieder Ruhe einkehren werde, bevor diese Krise vorüber wäre. Die Geräuschkulisse war von Hektik gezeichnet – Bretter wurden zurechtgeschnitten, Nägel in Holz geschlagen, Kriegsmaschinen adjustiert. Das Bellen von Zwergen und die hellen Stimmen von Gnomen setzten die Akzente in diesem Lärm, der von beständiger Betriebsamkeit herrührte.

Nicht ein Bürger von Sturmwind beschwerte sich über die Ruhestörung, denn diese Geräusche bedeuteten Hoffnung. Sie waren wie die Stimme der Allianz, die damit erklärte, dass sie sich nicht durch einen einzelnen feigen Akt einschüchtern ließ.

Broll Bärenfell, Varian und Anduin standen nebeneinander und blickten auf den Hafen hinaus. Der Tag war gerade erst angebrochen, und die Segel, die auf einem der großen, neuen Schiffe gehisst wurden, leuchteten im Schein der rosafarbenen Sonne, die über den Horizont spähte.

„Ich kann mich nicht erinnern, jemals so viele Arbeiter auf einem Fleck gesehen zu haben – nicht einmal in Eisenschmiede“, sagte Anduin. Der Junge hatte darum gebeten, in Sturmwind bleiben zu dürfen, bis die Flotte aufbrach. Erst dann wollte er wieder zu den Draenei und seinen Lehrbüchern zurückkehren. Die Begegnung mit Jaina hatte sowohl Vater als auch Sohn verwirrt und erschüttert, und vor allem Anduin kämpfte noch immer unter dem Schock, die sonst so friedliebende Tante Jaina derart hasserfüllt erlebt zu haben. Nach ihrem Besuch hatten sich die beiden bis spät in die Abendstunden unterhalten, der Mann, der einst Jainas neue Einstellung geteilt hatte, und der Junge, der vor solchen Gedanken zurückschreckte. Sie hatten darüber gesprochen, wie Trauer und Verlust einen Menschen verändern konnten, und über das, was Krieg und Gewalt mit einem anzustellen vermochten.

Schließlich hatte Anduin traurig, aber entschlossen zu seinem Vater aufgeblickt. „Ich weiß, das sind schreckliche Dinge“, hatte er gesagt. „Und … ich weiß auch, dass wir die Horde angreifen müssen. Sie haben uns gezeigt, wozu sie in der Lage – und auch bereit – sind, und wir dürfen nicht zulassen, dass noch mehr unschuldige Personen zu Schaden kommen. Aber ich möchte nicht wie Jaina sein. Nicht, wenn es um diese Sache geht. Wir müssen unser Volk beschützen – aber das heißt nicht, dass wir es mit Hass in unserem Herzen tun sollten.“

Bei diesen Worten hatte Varians Herz vor Stolz höher geschlagen. Diese Einsicht, so widerstrebend sie auch über Anduins Lippen gekommen war, hatte er nicht von seinem Sohn erwartet. Gleichzeitig war er verblüfft, dass er selbst Jainas Gefühle nicht teilte. Da hatte er einmal mehr erkannt, wie sehr sich der Mann, der er einmal gewesen war, gewandelt hatte.

Einst war er so voller Zorn und Hass gewesen, ein Teil von ihm hatte ständig im Krieg mit der Welt gestanden. Damals war er im wahrsten Sinn des Wortes in zwei Persönlichkeiten gespalten gewesen, und diese beiden Hälften körperlich wieder zusammenzuführen, war nur ein Teil des Kampfes gewesen.

Anschließend hatte man ihm beigebracht, wie er mit dem Segen des Wolfgottes, Goldrinn, diesen wütenden Teil seiner selbst wieder in seine Seele zurückholen konnte. Seit jener Zeit hatte er fürwahr große Fortschritte gemacht.

Vielleicht würde er eines Tages ja sogar so weise wie sein Sohn sein.

Broll war auf magischem Wege von Teldrassil hierhergekommen, eine Fähigkeit, die die meisten seiner Leute jetzt wohl gerne besäßen. Die Nachricht von der Blockade war ernüchternd gewesen, aber nicht unerwartet gekommen.

„Es tut gut, diese Vorbereitungen zu sehen“, bemerkte der Druide, als die drei nun Seite an Seite standen. „Aber glaube nicht, dass ihr allein segeln werdet, Varian. Ein großer Teil unserer Flotte sitzt zwar hinter dem Blockadegürtel der Horde fest, aber wir haben auch andernorts Schiffe. Und Malfurion und Tyrande brennen ebenfalls darauf, dich nach Kräften zu unterstützen. Nicht mehr lange, dann siehst du vermutlich auch ein paar Dutzend unserer stolzen Schiffe neben den deinen vor Anker liegen.“

Anduin drehte sich herum und musterte den Druiden, aber er musste schon den Hals strecken, um zu diesem Freund seines Vaters hochzublicken. Der Junge wusste, dass auch Broll schon mit Verlust und Zorn und Hass gerungen hatte. Dass der Druide und Varian, beides ehemalige Gladiatoren, nun hier standen und sich so über das Geschehene unterhielten, ohne Freude, sondern eher mit Bedauern, das gab dem Prinzen gewiss neue Hoffnung, überlegte der König. Mehr noch, beim Licht, es schien ihn zu ermutigen.