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Dann … sind wir also auch Magie, hatte sie erwidert.

„Ja“, wisperte er. „Das sind wir.“

Und da wusste er, was er tun musste.

Jaina hatte ihr Bestes getan, um sich zu verkleiden. Und anstatt sich einfach dorthin zu teleportieren, war sie auf herkömmlichem Wege nach Ratschet gereist. Dort angekommen, kaufte sie einem anderen Reisenden, einer armen Seele, die offenbar das Glück verlassen hatte, einen Greif ab und setzte die Reise nach Süden fliegenderweise fort. Dabei war ihr nur allzu bewusst, dass sie über dem Pfad dahinglitt, auf dem zuvor schon die Horde zur Nordwacht marschiert war. Sie nutzte dieses Wissen, um die Flammen ihres Zorns zu schüren.

Als die Ruinen der Feste in Sicht kamen, die nun von ihren Feinden besetzt wurde, musste sie gegen einen Kloß in ihrem Hals anschlucken. Einige Hordetruppen waren hier zurückgeblieben, während sich der Rest der Flotte zurückgezogen hatte, und der Anblick ihrer schwarz-roten Banner verwandelte das Feuer von Jainas Zorn in Eis.

Sie ließ den Greif landen und stieg ab, wobei sie behutsam auf die kleine Tasche achtete, die sie seit Beginn ihrer Reise eng an sich gedrückt hielt. Anschließend versetzte sie dem Tier einen heftigen Klaps auf seinen Löwenkörper, und als es irritiert vom Boden hochsprang, nickte sie ihm zu. Der Greif würde gewiss allein nach Ratschet zurückkehren und dort einen neuen Besitzer finden. Jaina hatte jedenfalls keinen weiteren Nutzen für ihn. Sie wandte sich nach Osten und flüsterte einen Teleportationszauber, und ein paar Sekunden später fand sie sich auf dem Prügeleiland wieder.

„He, Fräulein“, sagte eine raue Stimme. Der Mensch, der sie angesprochen hatte, trug abgeschnittene Kniehosen, ein offenes Hemd und ein Entermesser. „Bist wohl hergekommen, um mit den Piraten zu spielen, eh?“

Sie richtete den Blick ihrer weiß glühenden Augen auf ihn. „Ich habe keine Zeit für Spiele“, erklärte sie, dann schleuderte sie dem Totschläger fast beiläufig einen Feuerball entgegen. Er schrie, als sein Körper in Flammen aufging, taumelte noch ein paar Schritte und stürzte dann sich windend zu Boden.

Ungerührt von diesem Anblick wandte sich Jaina den Kameraden des Schlägers zu, die jetzt mit wütenden Rufen auf den Lippen herbeieilten. Sie gehörten nicht zur Horde – zumindest nicht alle –, aber sie waren Halsabschneider und Mörder. Niemand würde um sie trauern. Ohne jede Gnade marschierte sie durch das Lager und streckte die Kriminellen mit Feuer, Eis und arkaner Energie nieder. Menschen, Trolle und Zwerge gingen vor ihr zu Boden, ebenso wie ein Oger, der mit dem winzigen Hut auf seinem kahlen Schädel geradezu lächerlich aussah.

Nun brannte sie auch die Häuser nieder, damit es später keine unangenehmen Überraschungen geben könnte. Anschließend griff sie in die Tasche und holte die Fokussierende Iris hervor – das Buch, das sie aus der Bibliothek von Dalaran gestohlen hatte, hatte ihr verraten, wie man sie verkleinerte. Mit dem Artefakt in der Hand, wandte sie sich gen Norden und begann mit den Vorbereitungen.

Die Mitglieder des Irdenen Rings waren der Erschöpfung nahe. Die Elemente schienen heute wütender als sonst, und auch wenn niemand es laut aussprach, war Thrall doch sicher, dass sie sich alle fragten, ob ihre Bemühungen vielleicht an Wirkung verloren.

Es ergab einfach keinen Sinn. Der Fortschritt hatte sich zwar nur langsam eingestellt, das stimmte, aber er war durchaus messbar und beständig gewesen. Die müden Schamanen zogen sich in ihr Lager zurück, um etwas zu essen und wieder zu Kräften zu kommen. Muln Erdenwut, der offizielle Anführer des Irdenen Ringes, schien sich am meisten verausgabt zu haben.

Aggra musterte den Tauren mit leicht zusammengezogenen Augenbrauen. „Das Schweigen macht mir zu schaffen“, sagte sie. „Wir alle denken dasselbe, aber niemand wagt, es zur Sprache zu bringen. Komm, lass uns mit Muln reden!“

Thrall lächelte und schüttelte den Kopf. „Wir denken wirklich ähnlich, mein Herz, aber stets bist du es, die zuerst auf ein Handeln drängt.“

Sie zog die Schultern hoch. „Ich bin in Nagrand aufgewachsen. Da lernt man, schnell zu handeln, wenn sich Schwierigkeiten abzeichnen“, erklärte sie. Und während sie dann durch das Lager schritten, drückte sie seine Hand.

Muln blickte den beiden Orcs entgegen und seufzte. „Ich weiß schon, was Ihr sagen wollt“, meinte er. „Aber nein, ich weiß nicht, warum sich unsere Fortschritte in Luft aufzulösen scheinen. Die Elemente sind schon zu lange so angespannt, dass es schwer ist, ihre Stimme noch klar zu hören.“

Thrall sagte: „Vielleicht sollten wir …“

Da jagten ganz plötzlich Schmerzen durch seinen Körper, und er brach auf die Knie zusammen, die Hände an seinen Schädel gepresst. Aggra bückte sich neben ihn und griff nach seinen Schultern. „Go’el, was ist?“, schrie sie.

Seine Lippen bewegten sich, doch er brachte keine Worte hervor. Das Gesicht seiner Frau verblasste vor seinen Augen, und einen Moment lang sah er überhaupt nichts. Danach aber sah er plötzlich zu viel.

Wasser, blaugrün, kalt und wütend, brandete über ihn hinweg. Er keuchte, würgte, versuchte zu atmen. Da hob ihn auch schon die nächste Woge empor, doch nur, um ihn wieder nach unten zu schleudern. Die Fluten schlugen über ihm zusammen. Er wurde im Innern einer gewaltigen Welle umhergewirbelt, dennoch sah er hier und da kleine, wütende Augen, dann den Umriss eines Armes, einen Kopf, das Glitzern von Fesseln. Dies war mehr als nur eine gewöhnliche Meereswoge – er war der Spielball der versklavten Elemente.

Doch war er nicht allein. Da gab es Dutzende, Hunderte von Orcs, die ebenfalls in dieser Welle gefangen waren und ums Überleben kämpften. Zudem entdeckte Thrall nun auch Trümmer, die in der Woge dahinwirbelten und eine weitere tödliche Gefahr darstellten. Einen Moment später packte ihn eine Hand aus Wasser und drückte ihn nach unten. Dort, in der Tiefe, sah er …

Die Dächer von Orgrimmar! Wie konnte das sein? Doch es gab keinen Zweifel; da war das Tor, und dort trieben die Trümmer eines der Eisengerüste in die Höhe, die Garrosh errichtet hatte, wie Thrall wusste.

Hilf uns!, flüsterten Stimmen.

Er konnte nicht atmen, fühlte, wie das Wasser in seine Lungen drang.

Hilf uns! Wir wollen das nicht!

Die Wasserhand, die ihn hielt, begann zu zittern, und zwar so, als würde auch sie gegen etwas ankämpfen. Dann ließ sie ihn abrupt los. Thrall schoss hoch an die Oberfläche und saugte keuchend und hustend die saubere Luft ein.

Du musst es beenden, andernfalls werden deine Leute sterben. Wir werden sie töten müssen, und wir werden um sie trauern, während wir in ewiger Sklaverei leiden.

Thrall sammelte seine Gedanken, und nach einem weiteren Husten fragte er: „Wo?“

Diesmal hörte er zwar keine Stimme, stattdessen sah er aber ein Bild in seinem Kopf: ein Fleckchen Land vor der Küste des Nördlichen Brachlandes, weit von Orgrimmar entfernt. Doch was kümmerten das Meer Entfernungen, wo es doch alle Küsten berührte?

„Go’el“, rief eine geliebte Stimme, die ihn zurück in die Gegenwart holte. „Go’el!“

Das grausige Bild der ertrunkenen Leichen und der zerstörten Stadt verschwand wieder, und Thrall atmete erleichtert auf, als er nach einem Blinzeln erneut Aggras Gesicht über sich sah und nicht länger die Vision – denn das musste es gewesen sein: eine Vision. Sie lächelte und streichelte seine Wange.

„Was habt Ihr gesehen, mein Freund?“, fragte Muln. Auch andere hatten sich inzwischen um den Orc versammelt. Thrall versuchte sich in die Höhe zu stemmen, aber Muln drückte ihn auf den Boden zurück. „Erhol dich erst und erzähl – dann steh auf und stärke dich!“

Thrall nickte. „Ihr habt natürlich recht, Muln“, meinte er. „Die Elemente gewährten mir eine Vision. Es könnte die Erklärung dafür sein, dass sie plötzlich so aufgebracht sind.“ Rasch und mit prägnanten Worten, doch ohne auch nur eine wichtige Einzelheit auszulassen, berichtete er, was er gesehen hatte.