Das Ganze verlief zwar nicht ganz unbeobachtet, aber glücklicherweise war die Allianz noch nicht in Feuerreichweite. „Schneller!“, befahl Garrosh, aber leider hatten sie keinen Schamanen an Bord, der die Ozeane zu ihren Gunsten beeinflussen konnte. Am liebsten wäre Garrosh sofort längsseits zu einem der Allianzschiffe gegangen und an Bord gesprungen, um endlich das Blut seiner Feinde zu vergießen. Aber das war natürlich nicht möglich. Noch nicht zumindest. Er brüllte verzweifelt auf, während die Allianz schnell und brutal das erste Schiff der Horde unter Beschuss nahm, und als es unterging, von Einschlagslöchern übersät und von Flammen eingehüllt, wurde sein Zorn nur noch größer.
Die Nachricht hatte Garrosh zunächst zwar überrascht, doch dann hatte er sich schnell wieder gefangen, denn auch wenn die Flotte der Horde noch immer um ganz Kalimdor herum verstreut war, ließ sich ihre Geheimwaffe doch überall einsetzen. Er wusste also: Auch wenn sie dem Feind zahlenmäßig deutlich unterlegen waren, würde der Sieg bald schon ihnen gehören.
Als das Goblinschiff tapfer auf die Allianzflotte zuhielt, wurden plötzlich mehrere feindliche Galeonen von Nebel eingehüllt. Garrosh lachte. „Geben wir ihnen ein wenig Zeit, Angst zu haben vor dem, was auf sie lauert“, rief er Malkorok zu. „Sie sollen den Schrecken fühlen, nicht zu wissen, was wir wissen – und dann werden wir ihnen unsere wahre Macht zeigen.“
„Ich wünschte, ich könnte auf Varians Schiff sein und selbst gegen ihn kämpfen“, grollte der Schwarzfelsorc. „Ich würde ihm keinen schnellen Tod gewähren und auch keinen ehrenhaften.“
„Er hat es verdient, seine Begleiter gerade so lange zu überleben, dass er noch ihre Verzweiflung miterleben kann, bevor auch er stirbt“, stimmte Garrosh zu. Einigen der Allianzschiffe war es gelungen, dem Nebel zu entgehen, ein paar andere waren schon zuvor außer Reichweite des Dunstes gewesen. Diese nahmen nun gnadenlos die drei übrigen Hordeschiffe unter Beschuss. Dennoch fühlte sich Garrosh ruhig, höchstens ein wenig erwartungsfroh, als der Goblinkapitän sie längsseits neben die Knochenbrecher brachte und der Orc und die anderen leichtfüßig auf das Deck des anderen Schiffes sprangen.
„Ruf sie!“ war alles, was er dem Kapitän sagte, und der Troll gab den Befehl mit lauter Stimme weiter. Kurz darauf wurde er von einem Schiff zum nächsten gebrüllt: „Ruft sie! Ruft sie!“ Die Schlacht ging indessen weiter, die Luft war vom Rauch der Kanonen geschwängert. Auf beinahe jedem Deck lagen blutende oder tote Hordekämpfer, aufgespießt von Holzsplittern, die so lang wie der Unterarm eines Menschen waren. Heiler eilten hin und her, um so viele Verwundete zu behandeln wie möglich, ohne dabei selbst zu einem Opfer der Schlacht zu werden.
Die Oberfläche des Ozeans, die bereits unter den Einschlägen von Kanonenkugeln, den schamanischen Verstärkungszaubern und den Trümmern der beschädigten Schiffe schäumte und brodelte, begann nun noch unruhiger zu werden. Weißer Schaum breitete sich zwischen den Wellen aus, und dann schoss explosionsartig etwas aus den Tiefen nach oben.
Die Besatzung des unglückseligen Allianzschiffes, das der Stelle am nächsten war, hatte gerade noch Zeit, die Kreatur voller Schrecken anzustarren, dann schlug sie auch schon zu. Gewaltige Tentakel schossen auf das mächtige Schiff zu und schlangen sich in der grausigen Parodie einer Umarmung um seinen Rumpf. Der Kraken – denn nichts anderes war es – begann seine Arme zu spannen und zuzudrücken, bis das Schiff zerbarst. Garrosh warf den Kopf in den Nacken und lachte.
Weitere Monster tauchten aus den kalten Tiefen des Meeres empor, wütend und hasserfüllt, weil man sie versklavt hatte, doch unfähig diesen Zorn gegen jene zu richten, die sie knechteten. So entlud sich ihr Hass stattdessen auf die Flotte der Allianz; die Kraken streckten ihre Tentakel aus und packten und schüttelten und zerbrachen die Schiffe. Manchmal schleuderten sie die Einzelteile anschließend auf andere Schiffe. Allianzsoldaten aller Rassen stürzten schreiend von den geborstenen Decks in die tosenden Wasser, wo die Meeresungeheuer sie gierig verschlangen.
„Komm, Malkorok!“, rief Garrosh. „Lass uns selbst ein paar Allianzleben beenden! Die Kraken sind mächtige Werkzeuge, aber ich möchte nicht, dass all meine Feinde zu Fischfutter werden!“
„Wie immer bin ich ganz Eurer Meinung, mein Kriegshäuptling“, sagte Malkorok. Vor ihnen befand sich ein gegnerisches Schiff, das von den Tentakeln der Kraken bislang verschont geblieben war. Es hatte gewendet, und anstatt mit seinen Kanonen auf der Steuerbordseite die verbliebenen Hordeschiffe unter Beschuss zu nehmen, feuerte es nun aus allen Rohren auf eines der Meeresungeheuer.
„Kapitän, bringt uns längsseits!“, bellte Garrosh. „Es dürstet mich nach Allianzblut!“
Der Troll kam diesem Befehl nur zu gerne nach, und nach einem letzten, beunruhigten Blick auf die blauschwarzen, glänzenden Viecher, die sich im schäumenden Wasser wanden, brachte er sie auf der Backbordseite neben die Wellenlöwe. Einige Besatzungsmitglieder des Allianzschiffes schrien eine Warnung heraus, doch die meisten Soldaten an Bord konzentrierten sich voll und ganz auf die Steuerbordseite und die Kanonen. Mit einer Leichtfüßigkeit, die ihre Größe und ihr muskelschweres Gewicht Lügen strafte, sprangen die beiden Orcs über den schmalen Spalt zwischen den Schiffen und stürzten sich in den Kampf.
Malkorok schwang seine Äxte, noch bevor er auf dem Deck der Wellenlöwe landete. Ein Draeneipriester, vertieft in einen Heilzauber, um die Schmerzen eines Matrosen zu lindern, ging unter dem Hieb zu Boden, ohne überhaupt zu wissen, was ihn getroffen hatte. Blutschrei sang derweil ein unheilvolles Lied von Tod und Blut und kündigte Garroshs Gegenwart an, während er einem Worgen den pelzigen Kopf von den Schultern trennte. Noch in derselben Bewegung wirbelte der Orc herum, da er spürte, dass jemand hinter ihm stand, und Blutschrei prallte gegen die überdimensionierte Axt eines hünenhaften Dämons. Das abscheuliche graue Gesicht der Teufelswache teilte sich zu einem gelbzähnigen Grinsen.
Garrosh lachte. „Mein Vater hat schon Dämonen erschlagen, die um ein Vielfaches größer waren als du“, schnaubte er.
Die Teufelswache erwiderte das Lachen, ein düsterer, bösartiger Laut. „Und ich habe schon die Söhne vieler Väter erschlagen“, grollte er zurück.
Wieder prallte Axt gegen Axt. Die Teufelswache war groß und stark, aber Garrosh wurde von familiärem Stolz angetrieben. Er dachte daran, wie sein Vater mit Mannoroth gekämpft hatte, einem der mächtigsten Grubenlords aller Zeiten, und er spürte das Gewicht der Hauer, die er in Erinnerung an jenen Kampf auf seinen braunen Schultern trug. Das Lachen des Dämons endete jäh, und seine Augenbrauen zogen sich zusammen, als sich Blutschrei tief in seinen Unterleib bohrte. Ein zweiter Hieb folgte, dann ein dritter, und die Teufelswache landete in zwei Hälften auf dem Deck.
„Kriegshäuptling!“, rief da Malkorok, von dessen Klingen inzwischen das Blut tropfte. Nicht weniger als vier Leichen lagen zu seinen Füßen. „Hinter Euch!“
Garrosh drehte sich gerade noch rechtzeitig herum, um Blutschrei zwischen sich und den erstaunlich schnellen schwarzhaarigen Mann zu bringen, der sein gewaltiges Schwert bereits zum Schlag erhoben hatte. Der Orc kannte diese Klinge: Schalamayne. Varian stieß ein lautes, wütendes Geheul aus, das mehr nach dem Geisterwolf klang, der einst sein Namenspate gewesen war, als nach einem Menschen, und Garrosh grunzte, als das Schwert in seinen Arm schnitt und sein Blut kostete. Doch bevor die unvergleichliche Klinge tiefer schneiden konnte, parierte er den Hieb und stieß Blutschrei vor. Varian stolperte nach hinten, aber noch in Rückwärtsbewegung sauste Schalamayne ein zweites Mal herab.