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Vielleicht gab es ja doch noch Hoffnung.

Das Letzte, was man beim Verlassen des Sprungraums hören wollte, war das hektische Gellen der Alarmsirenen, während Gefechts- und Steuersysteme ihre Warnungen hinausschrien, obwohl die Menschen sich erst noch orientieren mussten. Geary hielt sich fest, als die Dauntless sich dem vorprogrammierten Ausweichbefehl entsprechend seitlich nach oben bewegte, und versuchte, Herr zu werden über die Mischung aus Bewegungsstress und Desorientierung als Folge des Auftauchens aus dem Sprungraum.

»Verdammt noch mal!«, keuchte Desjani, die den Bruchteil einer Sekunde schneller als Geary wieder ihre Sinne unter Kontrolle hatte.

Er brauchte noch einen Moment länger, während er zu begreifen versuchte, was er da eigentlich sah. »Was zum Teufel ist denn das?«

Auf dem Kurs, der die Flotte eigentlich auf geradem Weg aus dem Sprungpunkt herausgeführt hätte, befand sich in einer Entfernung von nur einer Lichtminute ein riesiges, massives Objekt. Die Gefechtssysteme hatten bereits die gesamte Oberfläche des Dings mit Warnsymbolen übersät, trotzdem kamen unentwegt neue Symbole dazu, da laufend weitere Bedrohungen identifiziert wurden. Geary kniff die Augen zusammen und las noch einmal die Einschätzung der Gefechtssysteme zur Schildstärke des Leviathans. Er wollte die Werte nicht glauben, die ihm da angezeigt wurden.

Eine der Wachhabenden lieferte die Antwort auf Gearys Fragen, ihre Stimme verriet ihre Fassungslosigkeit: »Es weist die Größe und Masse eines kleinen Planeten auf, Admiral. Sein Orbit ist fest mit dem Sprungpunkt verbunden. Entweder haben sie einen Planeten in eine Festung umgewandelt und hierher versetzt, oder aber sie haben hier etwas derart Großes hingebaut.«

Desjani schüttelte den Kopf. »Hätten wir nicht das Ausweichmanöver programmiert, wäre die Flotte dem Ding viel zu nah gekommen, um noch reagieren zu können. Das einzig Gute …«

Weiter kam sie nicht, da die Gefechtssysteme einen neuen Alarm ausgelöst hatten.

Geary sah verständnislos mit an, wie ein Teil der Planetenoberfläche ihnen entgegenzuspringen schien. Dann erst erkannte er, dass es sich in Wahrheit um einen dichten Schwarm aus kleinen Schiffen handelte, die in so großer Zahl auf die Allianz-Flotte zugerast kamen, dass sie zeitweise die Sicht auf die Festung hinter ihnen nahmen. »Wie viele sind das?«

Es kam keine Antwort, und als sich Desjani auf ihrem Platz umdrehte und ihrer Gefechtswachhabenden einen energischen Blick zuwarf, konnte Lieutenant Castries nur den Kopf schütteln. »Die Systeme rechnen noch. Schätzung bei mehr als zweihundert … mehr als vierhundert … mehr als achthundert …« Castries schnappte nach Luft. »Schätzung stabilisiert sich bei neunhundert plus minus zehn Prozent.«

Auch Desjani konnte nur nach Luft schnappen, dann sah sie Geary an. »Neunhundert«, wiederholte sie in nüchternem Tonfall.

»Plus minus zehn Prozent«, ergänzte er und wunderte sich, dass ihm in diesem Moment sein Humor nicht einfach den Dienst verweigerte. »Irgendeine Idee, was das sein soll?«

»Wenn es Raketen sind, dann sind sie verdammt groß.« Desjani tippte auf ihr Display. »Sie beschleunigen sehr schnell. Ich frage mich, ob sie bemannt sind oder automatisch gelenkt werden.«

»Sie sind ungefähr doppelt so groß und doppelt so schwer wie unsere standardmäßigen Schnellen Angriffsschiffe«, meldete die Gefechtswachhabende. »Da ist Platz genug für eine Besatzung.«

»Oder Platz genug für sehr große Sprengköpfe.« Desjani zeigte auf ihr Display. »Sie könnten aus Sprengkopf und Antriebseinheit bestehen. Wenn sie weiter so beschleunigen …«

»… werden wir ihnen nicht entkommen können«, führte Geary den Satz zu Ende und nahm eine neue Einschätzung der Steuersysteme vor, aber das Ergebnis war identisch. »Jedenfalls nicht, wenn sie so dicht beisammenbleiben und diese Geschwindigkeit beibehalten.«

Der Rest der Flotte hatte inzwischen den Sprungpunkt verlassen und das gleiche Flugmanöver wie die Dauntless ausgeführt. »An alle Einheiten: Hier spricht Admiral Geary. Bei Zeit vier eins drehen Sie null acht null Grad nach Backbord und gehen auf maximale Beschleunigung.« Damit würden zumindest die Unterformationen der Flotte in einer langen Kolonne vor der Streitmacht der Aliens davonfliegen, was ihm Zeit gab, sich eine Lösung auszudenken, die imstande wäre, die Flotte vor schweren Verlusten zu bewahren. Seine Augen erfassten ein detailliertes Bild des fremden Schiffs, das von den Flottensensoren zusammengesetzt und an den Rand des Displays platziert worden war. Anders als die schildkrötenförmigen Schiffe, denen sie bislang überall begegnet waren, handelte es sich hier um einen simplen Zylinder mit gerundetem Bug. Eine Art Antriebseinheit nahm die gesamte untere Hälfte in Anspruch, einige flache dünne Grate zogen sich über die Oberfläche und enthielten vermutlich Sensoren. Und dazu die Festung von der Größe eines Planeten … »Das ist nicht schön«, sagte er zu Desjani. »Aber nichts davon sieht nach den Enigmas aus.«

»Nein, ganz und gar nicht. Wenigstens gibt es hier kein Hypernet-Portal.«

»Wenigstens etwas.« Sie konnten also versuchen, den Sprungpunkt so schnell wie möglich hinter sich zu lassen, ohne sich Gedanken über die Bedrohung zu machen, die von einem Portal für sie ausgegangen wäre. Aber wenn das hier keine Enigmas waren … »Könnte es sein, dass wir ein von Menschen besiedeltes System entdeckt haben? Irgendeine Gruppe, die ins Enigma-Gebiet geraten ist und so lange vor ihnen fliehen musste, bis sie auf ein Sternensystem außerhalb dieses Territoriums stieß?«

Desjani schaute zu ihrem Maschinenwachhabenden. »Was meinen Sie, Master Chief?«

Gioninni schüttelte den Kopf. »Nein, Captain. Nichts von dem, was wir da sehen können, erinnert in irgendeiner Weise an menschliches Design. Außerdem wäre die industrielle Grundlage, um eine solche Festung zu bauen und zu betreiben, so gewaltig, dass menschliche Kolonisten so etwas nicht innerhalb von ein paar Jahrzehnten auf die Beine stellen könnten. Dafür hätten sie schon einige Jahrhunderte lang völlig isoliert hier leben müssen. Und wie sollen sie vor so langer Zeit so weit gekommen sein? Mag sein, dass das keine Enigmas sind, aber ich kann da auch nichts entdecken, was mich an menschliche Erbauer denken lässt.«

»Haben wir irgendeine Nachricht von ihnen erhalten?«, fragte Geary. »Die Zeit sollte ausreichen, um uns von dieser Festung aus irgendeine Drohmitteilung zu senden.«

Der Komm-Wachhabende antwortete ihm: »Nein, Admiral. Kein Wort, von dem wir sagen könnten, dass es für uns bestimmt ist. Und auch nichts, das einen Hinweis auf ihre Identität enthält. Wir empfangen eine Menge Komm-Verkehr, aber der ist massiv verschlüsselt.«

»Ist alles verschlüsselt?«, wollte Desjani wissen.

»Ja, Captain. Zivile Kommunikation können wir nicht auffangen. Das ist alles militärische Verschlüsselung. Zumindest würden wir es so bezeichnen, wenn wir es mit Menschen zu tun hätten.«

»Menschen mit einer solchen Disziplin? Niemand, der eine Abkürzung nimmt oder sich über Komm-Anforderungen hinwegsetzt?«

»Klingt nicht sehr wahrscheinlich«, fand auch Geary. »Wir haben keine Zeit, die Experten zu befragen. Und solange diese kleinen Schiffe auf uns zuhalten, bleibt uns auch keine andere Wahl, als dass wir uns zur Wehr setzen.« Er drehte sich zu Rione um, die auf ihrem Platz saß und schweigend ihr Display betrachtete. »Versuchen Sie, Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Sagen Sie ihnen, wir werden gern wieder von hier abreisen. Und dass wir gar nicht vorhatten zu bleiben und auch keine feindseligen Absichten verfolgen. Es bleibt nicht viel Zeit, um diese Nachricht zu übermitteln.«

Rione klang resigniert, als sie antwortete: »Sie haben keinen Versuch unternommen, mit uns in Kontakt zu treten, und es wurde auch keine Forderung an uns gerichtet, dass wir uns zurückziehen oder kapitulieren sollen. Ich glaube, die wollen gar nicht mit uns reden, Admiral Geary. Sie scheinen äußerst feindselig zu sein und sich nicht für unsere Absichten zu interessieren.«