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Es war nicht so schlimm, wie es hätte sein können, aber die Situation war auch so schon erschreckend genug. Es musste nur auf irgendeiner Seite ein Schuss abgefeuert werden, dann konnte ein Bürgerkrieg seinen Lauf nehmen.

Navarro stand sekundenlang wie erstarrt da, während er das Display betrachtete. Dann erwachte er wie aus einer Trance und tippte auf eine der Übertragungen.

Tanyas Gesicht tauchte auf der Anzeige auf. »An alle Einheiten: Behalten Sie Ihre Position wie von Admiral Geary befohlen bei. Alle Schiffe, die sich in Bewegung gesetzt haben, werden hiermit aufgefordert, auf ihren ursprünglichen Orbitalplatz zurückzukehren. Sie alle haben Admiral Gearys Befehle erhalten. Stellen Sie sofort alle nichtautorisierten Handlungen ein und kehren Sie auf Ihre Ausgangspositionen zurück.« Desjani strahlte alle Befehlsgewalt aus, die sie besaß, was in ihrem Fall eine beträchtliche Ausstrahlung bedeutete. Aber selbst die genügte ganz offensichtlich nicht.

Navarro machte eine finstere Miene und tippte auf eine später gesendete Nachricht, diesmal von Admiral Timbale, der hastig drauflos redete. »Zurückziehen! Alle militärischen Streitkräfte im Varandal-Sternensystem werden hiermit aufgefordert, sich sofort zurückzuziehen! Stellen Sie augenblicklich alle nichtautorisierten Handlungen ein. Niemand eröffnet das Feuer! Ich wiederhole: Sofort zurückziehen! Alle Waffen sind Code Rot Status Null. Der Einsatz von Waffen ist nicht autorisiert!«

»Wieso sehen wir keine Reaktionen von den Kriegsschiffen?«, wollte Suva wissen.

»Weil die sehr wahrscheinlich ihre Nachrichten über heimliche Wege durch das Kommando- und Kontrollsystem schicken. Solche Übermittlungen tauchen dann in den offiziellen Aufzeichnungen nicht auf. Richtig, Admiral?«, erwiderte Sakai. Er hatte die Flotte auf ihrer letzten Reise begleitet und diese Tatsache zweifellos aus erster Hand miterlebt.

Geary nickte und machte keinen Hehl aus seiner Sorge. »Wie Sie sehen können, versuchen wir bereits, die Lage unter Kontrolle zu bringen …«

»Unter Kontrolle?« Suva warf ihm einen aufgebrachten Blick zu. »Dieser andere Admiral hat den Verteidigungsstreitkräften befohlen, nicht das Feuer zu eröffnen!«

»Ja, weil etliche Leute kurz davor stehen, genau das zu tun«, erklärte Geary. »Sobald ein Schuss fällt, werden alle gezwungen, sich für die eine oder andere Seite zu entscheiden. Unter diesem Druck, der im Moment auf allen lastet, werden sich zu viele von ihnen reflexartig für die Kameraden entscheiden, mit denen sie Seite an Seite gekämpft haben. Wir konnten das im Syndik-Heimatsystem beobachten, als es dort zur Rebellion kam. Verstehen Sie denn nicht? Die Situation gerät immer schneller außer Kontrolle. Nicht zu handeln, ist jetzt keine Option mehr.« Er zeigte auf das Display. »Das da kann ich nicht mehr in den Griff bekommen.«

»Wir können nicht vor einem Putsch kapitulieren, noch bevor er überhaupt richtig begonnen hat!«, brüllte ihn Suva nahezu an.

»Führen Sie Ihre Befehle aus, Admiral«, drängte Navarro ihn, dem seine Verzweiflung deutlich anzuhören war. »Senatorin Suva hat recht. Wenn wir diesem Druck nachgeben, dann kommt das in jeder Hinsicht einem Putsch gleich. Niemand in der Flotte wird sich über die Anweisungen von Black Jack Geary hinwegsetzen. Sagen Sie ihnen, sie sollen aufhören und alle Befehle befolgen.«

Allen Bemühungen zum Trotz war er nun an dem Abgrund angelangt. So wie derjenige, der sich die Anklagen gegen seine Offiziere hatte einfallen lassen, befanden sich jetzt auch diese Politiker im Recht. Rein rechtlich gesehen konnte er nichts anderes tun, als zu salutieren, »Jawohl, Sir« zu sagen und sein Bestes zu geben, um das Desaster abzuwenden, von dem er sich sicher war, dass er es nicht würde aufhalten können. Alles andere wäre ein Verrat an seinem Eid, und er war schließlich auch der Einzige, der eine winzige Erfolgschance besaß. Doch wenn er jetzt stur seinen Befehl ausführte, würde er denen in den Rücken fallen, die ihm ins Gefecht gefolgt waren. Zu viele Offiziere würden glauben, dass man ihn zu dieser Reaktion gezwungen hatte oder dass sie alle von ihm verraten worden waren. Angesichts der zu erwartenden Konsequenzen in der Flotte konnte gerade der Befehl, sich an die erteilten Befehle zu halten, der letzte Sargnagel für die Allianz sein.

Ihm blieb nur noch eine Waffe, ein letztes Mittel, um eine Lage in den Griff zu bekommen, die fast schon zu weit ausgeufert war. Geary zögerte, da Angst und Ungewissheit sich in ihm regten. Im nächsten Moment jedoch legte sich eine ungewöhnliche Ruhe über ihn. Es war, als würde etwas zu ihm sprechen, dessen Autorität die eines jeden Lebewesens überstieg. Das ist der einzige Weg, der eine Chance bietet. Er atmete tief durch, dann sagte er entschieden und nicht zu laut: »Nein, Sir.«

Die drei Senatoren hielten in ihren Bewegungen inne. »Was verstehen Sie nicht an Ihrem Befehl, Admiral?«, fragte Navarro ruhig.

»Ich habe meine Befehle verstanden, Sir. Ich werde sie bloß nicht ausführen, weil ich hiermit meinen Dienst in der Flotte quittiere.«

Drei

Die Stille im Raum war so vollkommen, dass Geary bewusst wurde, dass alle Anwesenden für einen Moment den Atem angehalten haben mussten. So absurd der Gedanke unter diesen Umständen auch war, fragte er sich dennoch, wie sich das auf das Behaglichkeitsniveau in dem rundum versiegelten Konferenzraum auswirken würde.

Er hatte nicht gewusst, was er erwarten sollte, dennoch erstaunte es ihn, als Senator Navarro erst Sakai, dann Suva ansah, wohl um wortlos etwas zu übermitteln, das ihnen allen klar sein musste.

Schließlich wandte er sich wieder an Geary und verschränkte die Hände vor sich auf dem Tisch. »Nur um Missverständnisse auszuschließen: Haben Sie soeben förmlich Ihre Absicht erklärt, nicht länger die Befehle der Regierung zu befolgen?«

Unwillkürlich fragte sich Geary, ob am Körper der Senatoren verborgene Abhörvorrichtungen aktiviert waren und darauf warteten, sein Bekenntnis zu einem Verrat aufzuzeichnen. »Nein, Sir. So etwas käme für mich niemals infrage. Aber ich kann und werde meinen Dienst in der Flotte quittieren, und zwar mit sofortiger Wirkung, was bedeutet, dass ich nicht länger Ihrer Befehlsgewalt unterstehe.«

»Aber als Offizier«, wandte Sakai kopfschüttelnd ein, »dienen Sie der Regierung. Die Regierung muss nicht akzeptieren, dass Sie den Dienst quittieren wollen. Wenn es stimmt, was die Reaktion der Flotte auf diese Anklagen betrifft, dann braucht die Allianz Ihre Hilfe, um dieses Problem aus der Welt zu schaffen.«

»Wenn die Regierung der Allianz sich mit dem Problem befassen will, dann kann sie die notwendigen Maßnahmen ergreifen«, sagte Geary. »Ich habe Ihnen erklärt, wie diese Maßnahmen meiner Meinung nach aussehen müssen. Ich werde mich nicht an einem ungerechten und ehrlosen Prozess beteiligen.«

»Selbst wenn Ihr Rücktritt abgelehnt wird?«

»Selbst dann. In dem Fall soll die Flotte mich vor ein Kriegsgericht stellen.«

Navarro verblüffte ihn abermals, indem er sich zurücklehnte und Geary ernst ansah. »Sie wissen so gut wie wir, was passieren würde, sollte die Regierung gegen Sie Anklage erheben. Die Regierung würde allein unter dem Druck der Öffentlichkeit zusammenbrechen, von der Flotte ganz zu schweigen. Tun Sie nicht so, als wüssten Sie nicht, welche Macht Sie hier ausüben können.«

»Wenn Sie wissen, dass ich so viel Macht besitze, und wenn Sie eine Vorstellung davon haben, wie wenig ich daran interessiert bin, von dieser Macht Gebrauch zu machen, warum wollen Sie dann nicht auf mich hören?«, fragte Geary.

»Weil wir nicht die Gesetze ignorieren können! Wir stehen unter enormem Druck, und jeden Tag werden neue Ermittlungsverfahren eingeleitet! Jede Verletzung, jede Gefälligkeit wird man gegen uns verwenden. Ganz ehrlich gesagt, Admiral, ich glaube, wenn die Regierung zusammenbricht, wird das die Allianz genauso untergehen lassen wie eine Revolte der Flotte. Was erwarten Sie, das wir tun sollen?«