Badayas Argwohn wich aus seinen Gesichtszügen, stattdessen schaute er so selbstsicher drein wie jemand, dessen feste Überzeugung soeben bestätigt worden war. Andere zeigten sich sichtlich erleichtert oder lächelten erfreut, doch durch die Zeitverzögerungen entging Geary nicht, dass der eine oder andere keine Miene verzog oder sogar eine gewisse Sorge erkennen ließ.
»Wie Sie sich zweifellos denken können, wurde die Erste Flotte zu einem bestimmten Zweck geschaffen. Wir sollen uns mit Bedrohungen für die Allianz befassen, bevor diese die Allianz erreichen können. Unsere erste Mission entspricht genau dieser Aufgabenstellung, und es ist eine komplexe Aufgabe. Ich bin aber davon überzeugt, dass diese Flotte sie erledigen kann.« Er tippte auf verschiedene Tasten, dann entstand die Darstellung eines weit entfernten, aber vertrauten Gebiets. »Sie alle kennen diese Region, sie stellt einen Teil der Grenze zwischen den Syndiks und diesen Aliens dar, gegen die wir bereits gekämpft haben. Die Allianz muss mehr über die Aliens in Erfahrung bringen, sogar viel mehr. Vor allem müssen wir wissen, wie groß die von ihnen ausgehende Gefahr für uns ist. Deshalb kehren wir dorthin zurück, und diesmal dringen wir in ihr Territorium vor und beschaffen uns ein paar Antworten auf unsere Fragen.«
Die meisten Anwesenden hörten auf zu lächeln und reagierten zum Teil erstaunt, zum Teil beunruhigt. »Wie groß soll denn die Gefahr sein, die von ihnen ausgeht?«, wollte Captain Armus wissen, dessen breites Gesicht wie üblich eine Mischung aus Sturheit und Trotz zur Schau stellte. »Wir haben sie geschlagen.«
»Wir haben sie überrascht«, machte Desjani ihm klar. »Aber sie haben beeindruckende Manövrierfähigkeiten demonstriert. Wir müssen die Gewissheit haben, dass wir sie auch weiterhin überraschen können und dass sie uns im Gegenzug keine neuen Überraschungen präsentieren.«
Geary nickte zustimmend. »Denken Sie nur an die Hypernet-Portale. Die Aliens konnten uns damit so geschickt hinters Licht führen, dass sie die menschliche Rasse fast komplett hätten auslöschen können.«
Bei Desjanis Worten hellte sich Commander Neesons Miene auf. »Wenn wir herausfinden, wie diese Manövriertechnologie funktioniert, wären wir deutlich im Vorteil, falls die Syndiks erneut versuchen sollten, uns anzugreifen.«
Commander Shen sah sich am Tisch um. »Ich weiß, diese Flotte hat eine große Zahl an Kriegsschiffen der Aliens bei Midway zerstört. Wie schnell können die sich von einem solchen Schlag erholen?«
»Wir haben keine Ahnung«, erwiderte Geary. »Wir wissen nicht, welche Schlagkraft sie besitzen, wie viele Sternensysteme in ihrer Hand sind, wie groß ihre Bevölkerungszahl ist. Wir verfügen über keinerlei Informationen, anhand derer wir einschätzen könnten, welche Gefahr sie für uns darstellen.«
»Aber wir werden gegen sie kämpfen?«
»Unsere Absicht ist es, einen Kontakt herzustellen und mehr über sie in Erfahrung zu bringen. Kämpfen werden wir nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt.« Er sah die unterschiedlich zeitverzögerten Reaktionen auf seine Worte, unter die sich die Reaktionen auf seine vorangegangene Äußerung mischten. »Es trifft zu, dass die Aliens bei unserer letzten Begegnung kein Interesse an irgendwelchen Verhandlungen gezeigt haben. Aber als wir gegen sie gekämpft haben, konnten wir sie in ihr eigenes Territorium zurückdrängen. Diesmal könnten sie etwas anders reagieren, und sei es nur aus Respekt vor unseren Fähigkeiten, ihnen Schaden zuzufügen.«
Captain Parr vom Schlachtkreuzer Incredible meldete sich zu Wort. Bislang hatte er noch den Anstand besessen, ein wenig betreten dreinzuschauen, weil er so wie einige andere gegen die Station Ambaru vorgerückt war, jetzt dagegen grinste er breit. »Die wissen jetzt, dass sie uns nicht so leicht zum Narren halten können wie zuvor die Syndiks.«
Eine Anmerkung von Captain Casia von der Conqueror traf erst jetzt ein, bezog sich aber auf eine frühere Äußerung: »Es scheint, als würde die Allianz keinerlei Angriffe erwarten, Admiral Geary, wenn sie uns alle zu einem Ziel schickt, das so weit von unserem Territorium gelegen ist. Werden im Allianz-Gebiet denn nur die Verteidigungsstreitkräfte der einzelnen Systeme für Sicherheit sorgen?«
Er reagierte sofort auf diese Frage, da er wusste, dass andere sich diese Frage auch gestellt haben mussten. »Sie haben wahrscheinlich davon gehört, dass die meisten im Bau befindlichen Kriegsschiffe nicht fertiggestellt werden. Einige wenige dieser Schiffe wird man aber weiterbauen. Sie bilden dann gemeinsam eine deutlich kleinere Flotte, die sich der Verteidigung des Allianz-Territoriums widmen wird.«
»Wann brechen wir auf?«, wollte Captain Vitali vom Schlachtkreuzer Daring wissen.
»Ich muss mir zunächst ein Bild vom Zustand unserer Schiffe machen. Wie viel Arbeit muss noch erledigt werden? Wie viel Personal hatte bislang die Gelegenheit zu einem Heimaturlaub? Wie viele Leute benötigen erst noch diese Gelegenheit?«, sagte Geary. »Aber meine Absicht ist es, mindestens einen Monat darauf zu verwenden, die notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Das ist das Mindeste, was die Besatzungen unserer Schiffe verdient haben.«
»Sie verdienen mehr Zeit daheim«, grummelte der Captain der Warspite.
Das stimmte zwar, aber noch während Geary sich im Geiste eine geeignete Antwort zurechtlegte, meldete sich wieder Captain Parr zu Wort und deutete auf das Sternendisplay. »Was ist mit den Menschen, von denen die Syndiks gesagt haben, dass sie im Gebiet der Aliens verschwunden sind? Werden wir versuchen, etwas über ihr Schicksal in Erfahrung zu bringen? Wenn wir herausfinden, was sie mit menschlichen Gefangenen anstellen, dann erfahren wir zugleich eine Menge über diese Aliens.«
»Einige von diesen Menschen leben noch«, erklärte Badaya in einem überzeugten Tonfall, der alle Anwesenden aufhorchen ließ. »Ich bin gerade zu diesem Schluss gekommen«, ergänzte er, als er merkte, dass alle Blicke auf ihn gerichtet waren. »Während des … ›Durcheinanders‹ vor ein paar Stunden musste ich daran denken, wie leicht es ist, uns zum Narren zu halten. Nicht nur, weil wir alle Menschen sind, sondern weil es sich bei denjenigen, die das mit uns machen, ebenfalls um Menschen handelt. Wir kennen unsere Schwächen, wir wissen, wie unser Verstand arbeitet und was wir übersehen, wenn der andere will, dass wir es übersehen. Wir kennen die besten und wirkungsvollsten Tricks, um andere Menschen zu täuschen.«
Duellos reagierte darauf mit einer widerstrebend respektvollen Miene. »Aber diese Aliens haben uns auch mehr als nur einmal getäuscht, ganz zu schweigen von den Syndiks, denen sie hundert Jahre lang etwas vorgemacht haben. Das heißt, sie besitzen ein umfassendes Wissen über die menschliche Denkweise, und sie verstehen es auch, dieses Wissen wirkungsvoll anzuwenden.«
»Genau! Wir können über eine andere Spezies so viel lesen, wie wir wollen, ob es Katzen, Hunde, Rinder oder Fische sind – aber ohne sie persönlich zu erforschen, können wir nicht darauf hoffen, sie zu verstehen.«
Geary musste ein Schaudern unterdrücken, als er sich vorstellte, dass Menschen gefangen gehalten wurden, um sie zu studieren. Die Reaktionen der anderen zeigten ihm, dass er nicht als Einziger diesen Gedanken hatte. »Als wir das Ultimatum sahen, das die Aliens den Syndiks geschickt hatten, fanden wir doch, dass es sich wie etwas las, das von einem Menschen verfasst worden war. Von menschlichen Anwälten, nicht wahr?«, fragte er an Duellos gerichtet.