Sie zog eine Augenbraue hoch, dann hob sie ihre linke Hand und drehte sie so, dass der funkelnde neue Ring an ihrem Finger zu sehen war. »Ich bekomme in meinen Träumen für gewöhnlich keinen Schmuck geschenkt.«
»Ich auch nicht.«
»Etwas macht Ihnen zu schaffen. Wie ist die Einzelbesprechung gelaufen?«
»Ganz gut, aber etwas eigenartig.« Als er sein Treffen mit Jane Geary beschrieb, warf Desjani ihm einen weiteren fragenden Blick zu. »Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist. Als ich das erste Mal mit ihr gesprochen habe, ließ sie keinen Zweifel daran, dass sie sich nur zur Flotte gemeldet hatte, weil es von ihr erwartet wurde. Weil sie eine Geary ist. Jetzt ist der Krieg vorbei, sie hat ihre Pflicht erfüllt. Nichts hält sie noch in der Flotte.«
»Irgendetwas tut das aber.«
»Ich habe ihr gesagt, dass sie frei ist und dass sie sich ihrem Leben widmen kann.«
Desjani lächelte ironisch. »Das Leben verläuft üblicherweise nicht so, wie wir es planen. Was auch immer Jane Geary sich mal vorgenommen hat, sie hat ihr Leben als Flottenoffizier verbracht. Vielleicht wird ihr allmählich klar, dass dies hier ihr Leben geworden ist. Vielleicht weiß sie nicht mehr, was sie sonst tun soll. Und vielleicht …«
»Ja? Was?«, hakte er nach.
»Sie haben mir von Ihrer Familie erzählt, wie man dort über Black Jack denkt.« Sie biss sich auf die Unterlippe, ehe sie weiterredete. »Es könnte doch sein, dass ein Teil von ihr das Wissen ausgemacht hat, eben nicht Black Jack zu sein, weil sie ihn so hassen und sich sagen konnte, dass er niemand war, dem sie nacheifern sollte. Aber jetzt hat sie den wahren Black Jack kennengelernt.«
»Es hat nie einen wahren Black Jack gegeben.«
»Werden Sie das eigentlich bis in alle Ewigkeit leugnen wollen? Ich will damit sagen, dass Jane Geary jetzt vielleicht versucht herauszufinden, wer sie stattdessen sein will. Eben nicht mehr ›nicht Black Jack‹, sondern etwas anderes.«
»Genau das macht mir Sorgen«, gab er missmutig zu. »Dass sie versuchen könnte, so zu sein wie der imaginäre Black Jack. Nicht so, wie ich wirklich bin. Ich wünschte, sie würde mit mir darüber reden. Ich werde mich mit meinen Vorfahren beraten, möglicherweise können sie mir ja eine Erklärung bieten.«
»Viel Spaß, und grüßen Sie sie von mir«, meinte Desjani. »Ich muss noch das restliche Schiff inspizieren. Ich werde anschließend mit meinen Vorfahren reden. Um Dank zu sagen«, fügte sie bedeutungsvoll an, »für alles, was gut verlaufen ist, und für alles, was viel schlechter hätte verlaufen können.«
»Botschaft angekommen, Captain Desjani.« Sie waren zusammen, und auch wenn das mit strengen Auflagen an sie selbst verbunden war, würde nur ein Narr sich nicht dafür bedanken, dass der schlimmste Fall heute abgewendet worden war.
Der Organisationsbefehl vom Flottenhauptquartier war wie von Desjani und Duellos vorhergesagt eingetroffen – eine Woche nach der Übernahme des Kommandos über die Erste Flotte und vier Tage nachdem er selbst die Flotte bereits organisiert hatte. Er war sich nicht sicher gewesen, wie sehr ihn die beiden auf den Arm genommen hatten, was das Mikromanagement des Flottenhauptquartiers anging, weshalb ihm auch ein ungläubiges Stöhnen über die Lippen gekommen war, als er das Ausmaß und die Detailverliebtheit dieses Befehls sah.
Ich soll die Inspire und die Leviathan in die gleiche Schlachtkreuzerdivision stecken? Warum sollte ich das machen, wenn ich dadurch Duellos und Tulev zusammen in einer Division habe, obwohl beide bewiesen haben, wie gut jeder von ihnen eine eigene Division führen kann? Und warum sollte ich die Schlachtschiffdivisionen durcheinanderwürfeln, anstatt die Schiffe an der Seite jener Kameraden zu lassen, mit denen sie schon seit einiger Zeit zusammenarbeiten?
Weitere Beförderungen waren nicht vorgenommen worden, weder von Geary vorgeschlagene noch solche, die wegen der Länge des Dienstes, wegen heldenhaften Handelns oder neuer Aufgabengebiete vertretbar gewesen wären. Mit dem Kriegsende und dem Einfrieren der Flottenstärke war das Beförderungskarussell abrupt zum Stillstand gekommen, was vor allem für die nachrückenden Offiziere eine ganz neue Situation darstellte. Immerhin waren sie daran gewöhnt, im gleichen Tempo befördert zu werden, in dem ihre Kameraden an der Front getötet wurden, die umgehend ersetzt werden mussten. Neben der offensichtlichen Notwendigkeit für die Allianz, Geary zum Admiral zu befördern und Carabali vom Colonel in den Dienstgrad eines Generals aufrücken zu lassen, war sonst niemand aufgestiegen, nicht einmal Lieutenant Iger. »Ungerecht« war noch die harmloseste Bezeichnung für diese Vorgehensweise, aber das System war ganz gezielt so aufgebaut worden, dass Beförderungen nie garantiert wurden, damit es keine Möglichkeit gab, sie einzuklagen, wenn sie einem verwehrt blieben. Geary fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis sich seine Offiziere darüber zu ereifern begannen, dass ihnen mit einem Mal der Weg auf der Karriereleiter nach oben versperrt war und die Flotte eine außerordentliche Leistung nicht mehr mit einem höheren Dienstgrad honorierte.
Und dann würden sie sich an ihn wenden und sich fragen, warum er diesen Missstand nicht behob und dafür sorgte, dass wieder fleißig befördert wurde. Eine Beförderung vor Ort. Vielleicht hat das Hauptquartier vergessen, meine Möglichkeiten als Flottenkommandant einzuschränken, und ich kann Offiziere immer noch als Anerkennung für herausragende Leistungen vor Ort befördern. Aber dann werde ich gleich eine große Gruppe befördern müssen, denn sobald ich das einmal gemacht habe, wird man beim Hauptquartier bemerken, dass dieses Schlupfloch noch existiert.
Er blätterte die Liste weiter durch und stieß auf die Crewaufstellungen. Jeder Mann und jede Frau in dieser Flotte war nach Schiff, Aufgabengebiet und Abteil oder Quartier aufgeführt. Kann ich das tatsächlich einfach ignorieren?, fragte er sich. Zum ersten Mal machte er sich Gedanken wegen der Statusberichte, die verschickt wurden, wenn sich die Flotte auf heimatlichem Territorium befand. Er wusste, dass die Berichte, die er von allen Schiffen erhielt, zutreffend waren, doch was davon wurde wirklich ans Hauptquartier weitergeleitet?
Desjani stutzte, als sie die Frage hörte, die er ihr stellte, nachdem er sie zu sich gerufen hatte. »Es ist eine Simulation«, antwortete sie. »Sie müssen gar nichts machen. Die Datenbank der Flotte ist so programmiert, dass sie automatisch eine Simulation erzeugt, die auf Nachrichten vom Hauptquartier wie diese da reagiert. Diese Simulation wird um echte Daten ergänzt, wenn das notwendig wird, wenn also zum Beispiel in einem Gefecht Schiffe zerstört oder beschädigt werden. Aber verwaltungstechnisch betrachtet ist es ein alternatives Universum, das dem Hauptquartier übermittelt wird, damit es Ruhe gibt. Haben Sie das vor hundert Jahren nicht auch schon so gemacht?«
»Nein.« Sollte er jetzt entsetzt sein? Oder dankbar, dass die Streitkräfte ein Mittel entdeckt hatten, wie sie der Einmischung durch die Bürokratie entgehen konnten? »Warum hat das Hauptquartier noch nicht gemerkt, was in Wahrheit läuft?«
»Gemerkt hat man das da schon. Natürlich sind die jeweiligen Einheiten so weit entfernt, dass es eine Weile dauert, bis das Hauptquartier weiß, was los ist. Dann sagen sie uns, wir sollen tun, was man uns gesagt hat, und sie schalten die Simulation ab. Die simulierte Flotte stimmt ihnen zu und erzählt, dass alles in Ordnung ist. Nach einer Weile kommt das Hauptquartier dahinter, dass es nach wie vor Rückmeldungen von der Simulation erhält, und dann bekommen wir das Gleiche gesagt wie zuvor, und die simulierte Flotte stimmt wieder zu. So geht das immer weiter. Einige Offiziere im Hauptquartier schwören von Zeit zu Zeit hoch und heilig, dass sie das System ändern werden. Aber wenn dann tatsächlich jemand dorthin reist, wo die Flotte im Einsatz ist, ändert sich seine Einstellung recht schnell.«