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Jede restliche Hoffnung, es könnte sich um jemanden handeln, der Victoria Rione zum Verwechseln ähnlich sah, zerschlug sich in dem Moment, als der Blick auf sie freigegeben wurde. »Ich störe doch nicht, oder?«, fragte sie mit höflich interessierter Miene.

Desjanis bereits rot angelaufenes Gesicht verfärbte sich noch dunkler, ihre Fäuste ballte sie dabei so fest, dass der Ring in die Finger zu beiden Seiten des Ringfingers schnitt. Dennoch brachte sie es fertig, in einem fast emotionslosen Ton zu sagen: »Man hat mich nicht darüber informiert, dass Sie meinem Schiff einen Besuch abstatten würden.«

»Das war ein Auftrag, den mir die Regierung in letzter Minute erteilt hat«, reagierte Rione auf Desjanis Bemerkung, wobei sie es aber irgendwie schaffte, es so aussehen zu lassen, als würde sie auf eine Äußerung von Geary antworten.

»Wird die Callas-Republik Sie nicht vermissen?«, fragte er.

»Leider nicht.« Ein Hauch von echten Gefühlen huschte über Riones Gesicht und war so schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war. »Außerplanmäßige Neuwahlen. Vielleicht haben Sie davon gehört. Die Wähler fanden, ich sei zu sehr auf die Allianz konzentriert und ich würde nicht genügend hinter den Themen stehen, die die Interessen der Callas-Republik angehen.«

Es dauerte einen Moment, das zu erfassen. »Sie sind nicht länger Co-Präsidentin der Callas-Republik?«

»Weder Co-Präsidentin noch Senatorin der Allianz.« Riones Stimme klang gleichbleibend unbekümmert, aber ihre Augen verrieten ihre Gefühlsregungen. »Jemand, der der Allianz loyaler gegenüberzustehen scheint als der Callas-Republik, wäre ein schlechter Repräsentant für die Frage, ob die Republik sich aus der Allianz zurückziehen soll, nachdem der Krieg jetzt vorüber ist, nicht wahr? Immerhin hatte sich die Republik nur wegen der Bedrohung durch die Syndiks der Allianz angeschlossen. Da ich derzeit keine anderweitigen Verpflichtungen habe, ist die Allianz-Regierung auf die Idee gekommen, mich zur Gesandten des Großen Rats zu machen.«

»Zur Gesandten des Großen Rats?«, wiederholte Geary. »Und was heißt das genau?«

»Alles, was es nach Ansicht des Großen Rats und nach meiner Ansicht heißen soll.«

Sie genießt das, erkannte Geary.

Desjani war eindeutig zum gleichen Ergebnis gekommen, und sie hatte Mühe, ihre Zunge im Zaum zu halten. »Ich bin mir sicher, Sie wollen mit dem Admiral alles Notwendige besprochen haben, bevor das Shuttle wieder ablegt, daher …«

»Nein, ich werde bleiben«, unterbrach Rione sie und sprach weiter in Gearys Richtung. »Der Große Rat möchte, dass ich für die Dauer der nächsten Mission auf dem gleichen Schiff bleibe wie der Admiral.«

Da er fürchtete, Desjani könnte vor Wut explodieren, fragte Geary an Rione gewandt: »Und wenn wir ins Allianz-Gebiet zurückkehren, werden Sie uns wieder verlassen?«

Zeigte sich eine Regung in ihr? Etwas so Heftiges, das sich nicht vollkommen verbergen ließ, das aber so schnell überspielt wurde, dass er sich beim besten Willen nicht sicher sein konnte, ob er tatsächlich etwas gesehen hatte. »Das hängt davon ab, welche Befehle mir der Große Rat erteilt«, sagte Rione.

Die Vorfahren mögen uns beistehen. Wieder saß er mit diesen beiden Frauen auf einem Schiff fest. »Ich werde eine Nachricht …«

»Sparen Sie sich die Mühe. Es wäre nur vertane Zeit. Der Große Rat will, dass ich Sie begleite. Der andere vom Großen Rat bestimmte Gesandte wird in Kürze ebenfalls eintreffen.« Dann erst nahm Rione Notiz von Desjani und lächelte sie frostig an. »Aber ich bin nachlässig gewesen. Meinen Glückwunsch an Sie beide. Wie erfreulich, dass alles so gut geklappt hat, als die Flotte das letzte Mal nach Varandal zurückgekehrt ist.«

Desjani versteifte sich wieder und sah zu Geary, der keine Reaktion zu zeigen versuchte. Sollte sie je dahinterkommen, dass Rione ihm geholfen hatte, an dem Tag noch rechtzeitig zu Desjani zu gelangen, dann würde die Hölle los sein. Und das weiß Rione. Warum macht sie also vor Tanya eine solche Anspielung? Was geht diesmal in ihrem Kopf vor? »Was genau ist Ihre Rolle in dieser Flotte?«, wollte Geary wissen.

»Ich repräsentiere die Regierung«, sagte sie und warf Desjani einen flüchtigen Blick zu.

Tanya verstand die Botschaft und schaute finster zu Geary. »Wenn Sie gestatten, Sir. Ich werde mich wieder meinen Pflichten widmen.«

»Vielen Dank, Tanya.« Er versuchte, den Worten eine besondere Bedeutung mitzugeben, was ihm womöglich auch gelang, da ihre Wut ein wenig zu verrauchen schien.

Kaum hatte sich die Luke hinter Desjani geschlossen, ließ Rione sich in einen Sessel sinken und wirkte mit einem Mal abgekämpft. »Es tut mir wirklich leid, dass es keine Vorwarnung gab, bevor ich hier eintraf.«

»Sie mussten Tanya nicht so provozieren.«

»Stimmt. Aber ich bin ein Miststück, und ich muss in Übung bleiben. Dass Sie auch keine Vorwarnung erhalten haben, ist übrigens nicht mein Werk. Der Große Rat handelt in letzter Zeit ziemlich spontan. Mein Co-Gesandter sollte in den nächsten Tagen hier eintreffen.«

»Das will ich ihm auch raten, weil wir in gut einer Woche aufbrechen werden. Kenne ich ihn?«, erkundigte er sich und nahm ihr gegenüber Platz.

»Ich glaube kaum. General a. D. Hyser Charban.« Sie lächelte ironisch. »Er versucht nicht, über den Umweg eines Putsches an die Macht zu gelangen, sondern auf die gute alte Art, indem er allen möglichen mächtigen Politikern irgendeinen Gefallen tut, damit sie sich revanchieren, wenn er sich selbst zur Wahl stellt.«

»General? Ein Marine?«

Sie musste lachen. »Nein, Bodentruppen. Ich kenne Charban auch nicht persönlich. Was ich über ihn gelesen habe, charakterisiert ihn als ›pragmatisch, durch Erfahrung traurig und weise, und mit begrenzter Feuerkraft ausgestattet, wenn es darum geht, entscheidende Ziele zu erreichen‹«, zitierte sie amüsiert.

»Es ist nicht verkehrt, wenn man die Grenzen seiner Feuerkraft kennt«, meinte Geary.

»Nicht, wenn es das ist, was Sie tatsächlich glauben.«

»Was genau werden Sie beide hier als Teil der Flotte machen?«

Einen Moment lang hielt sie inne, als überlege sie, was sie darauf am besten sagen sollte. »Unsere Aufgabe ist es, die Regierung zu repräsentieren.«

»Das haben Sie eben auch schon erzählt«, hielt Geary dagegen. »Das sagt mir überhaupt nichts.«

»Sieh an, Sie machen sich ja. Lassen Sie es mich so formulieren: Da weder Charban noch ich ein gewähltes Amt innehaben, können wir nicht während einer Mission entmachtet werden. So etwas würde unsere Legitimation als Repräsentanten in Zweifel ziehen.«

»Victoria, sagen Sie mir, warum Sie die Flotte begleiten.«

Sie schaute in eine Ecke, ihr Gesichtsausdruck verriet nichts. »Vielleicht sollten Sie mich lieber fragen, was die Regierung mit dieser Mission tatsächlich erreichen will.«

Mit seiner Antwort ließ er sich Zeit, weil er sicherstellen wollte, dass er die richtige Formulierung wählte. »So wie ich das verstehe, soll ich mehr über die fremde Rasse in Erfahrung bringen, vor allem über ihre Technologie und ihre Schlagkraft. Und ich soll versuchen, friedliche Beziehungen zu ihnen aufzubauen.«

»Mehr oder weniger.« Rione schloss kurz die Augen und machte abermals einen sehr erschöpften Eindruck. »Die Regierung will im Grunde genommen ein großes, kompliziertes und möglicherweise sehr kostspieliges Problem auf die einfachste und billigste Weise lösen. Das sollte bedeuten, mit den Aliens zu reden und jeden Konflikt zu vermeiden. Vielleicht aber auch nicht. Die Aliens werden im Gegenzug irgendetwas von uns fordern. Vielleicht muss man sie auch ein wenig unter Druck setzen. Meine Aufgabe und die von Charban ist es sicherzustellen, dass Sie den Weg wählen, der zunächst einmal mit den geringsten Kosten und Risiken verbunden ist.«

»Und was ist mit langfristigen Kosten und Risiken?«, wollte er schnaubend wissen.