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»Normalerweise«, murmelte Desjani, »würde ich ihr zurufen, dass sie es doch ruhig versuchen soll. Aber wenn die Regierung ihr noch andere Befehle gegeben hat, von denen wir nichts wissen …«

»Befehle, die die Veränderungen in ihrem Verhalten erklären würden …«

»Irgendetwas, das sie weiß?«, fragte sie. »Sie konnten ihr noch nie vertrauen. Ich hoffe, Sie sehen das jetzt ein. Vielleicht hat sie ja irgendwas verbrochen. Ich wette, sie hat ein paar tausend Leichen im Keller. Und es hat etwas damit zu tun, was man ihr aufgetragen hat. Allerdings kann ich mir kaum vorstellen, dass sie so was wie ein schlechtes Gewissen haben könnte.«

Geary machte eine unbeherrschte Geste. »Wenn es etwas rein Persönliches ist, dann ist das für sie unerfreulich, aber es dürfte auf uns keine Auswirkungen haben. Aber sie ist eine Gesandte der Regierung.«

»Müsste nicht dieser General … wie heißt er noch?«

»Charban.«

»Ja, genau. Müsste der nicht etwas dazu sagen können, ob es einen Zusammenhang zu den Befehlen für die Gesandten gibt?« Desjani verstummte, ihr Gesichtsausdruck nahm einen härteren Zug an. »Es sei denn, der Mann ist bloß eine Dreingabe. Ein Alibi für die andere Gesandte. Er ist ein General im Ruhestand. Was, wenn er nur benutzt wird?«

Wie immer gab es zu viele Fragen, auf die niemand eine Antwort wusste.

Auch wenn Atalia von Varandal aus ein leicht zu erreichendes Ziel war, gab es nur wenige nützliche Optionen, um von dort in andere Systeme zu gelangen. Ein mögliches Ziel war Padronis, ein weißer Zwerg, in dessen Umgebung sich nie viele Menschen aufgehalten hatten. Sogar die kleine Orbitalstation, die früher von den Syndiks unterhalten worden war, hatte man vor Jahrzehnten aufgegeben. Ein anderer Weg führte nach Kalixa, vor noch nicht allzu langer Zeit einmal ein brauchbares Ziel, ein gutes Sternensystem mit einer zahlenmäßig großen Bevölkerung und einem Portal zum Hypernet-System der Syndikatwelten. Aber dieses Portal war kollabiert und hatte die Menschen dort ausgelöscht, allem Anschein nach auf Betreiben jener fremden Spezies, mit der Gearys Flotte nun wieder Kontakt aufnehmen sollte. Der einzige Beweis für die vormalige Existenz von Menschen in diesem System waren die Ruinen auf den Überresten der einst besiedelten Welt.

Doch von Kalixa aus konnte die Flotte nach Indras springen, wo sich noch ein intaktes Hypernet-Portal befinden sollte. Die Allianz hatte dieses Portal schon einmal benutzt, um den entscheidenden Feldzug gegen die Syndiks zu führen.

Geary stand vor dem Konferenztisch und betrachtete einmal mehr die Bilder der Captains seiner Flotte, die für eine weitere Besprechung virtuell zusammengekommen waren. Diesmal war die Flotte in einer viel kompakteren Formation unterwegs, und nur den am weitesten entfernten Schiffen würde man die Zeitverzögerung anmerken. Geary deutete auf das Sternendisplay. »Wir werden wieder über Kalixa gehen müssen.«

Die meisten Offiziere ließen Missfallen oder Unzufriedenheit angesichts der Tatsache erkennen, noch einmal diesen Stern passieren zu müssen, wo die tote Leere auf eine ganz eigenartige Weise unterstrich, dass hier Millionen Menschen ums Leben gekommen waren. Andererseits war ihnen allen klar, dass der Weg über Kalixa die einzig sinnvolle Strecke für die Flotte war.

»Von da zurück nach Indras«, fuhr er fort. »Mein ursprünglicher Plan hatte vorgesehen, von Indras direkt nach Midway zu springen, um unsere Reisezeit auf das absolute Minimum zu reduzieren. Allerdings führt uns unser Weg jetzt über Dunai, was für uns bedeutet, das Syndik-Hypernet bis Hasadan zu nutzen, einen kurzen Sprung nach Dunai zu unternehmen, dann nach Hasadan zurückzukehren und von da wieder ins Hypernet überzuwechseln, um den Transit nach Midway abzuschließen.« Wenn er die Vorgehensweise so erklärte wie in diesem Augenblick, wurde besonders deutlich, was für einen ärgerlichen Umweg dieser Befehl für sie alle bedeutete. »In Dunai gibt es ein Kriegsgefangenenlager der Syndiks, in dem noch schätzungsweise sechshundert von unseren Leuten sitzen. Die werden wir da rausholen.«

»Auf dem Hinweg?«, fragte Captain Vitali, aber dann schlug er sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Aber natürlich. Würden wir es auf dem Rückweg machen, dann müssten unsere Leute noch einige Monate mehr in Syndik-Gefangenschaft zubringen, nicht wahr?«

»Ganz genau«, stimmte Geary ihm zu. Wäre Vitalis Überlegung nicht so willkommen gewesen, hätte Geary allen Grund gehabt, verärgert zu reagieren, hatte er selbst doch Stunden darüber gebrütet, wie er diesen Umweg über Dunai erklären sollte. Immerhin war ein Teil der Flotte davon überzeugt, dass die Regierung ihm einen solchen Befehl gar nicht erteilen konnte, wenn er das nicht wollte. »Wenn wir auf dem Rückweg noch Platz für weitere Passagiere haben, werden wir einiges mehr an Gefangenen aus einem anderen System mitnehmen.« So lautete sein Befehl zwar nicht, aber es war ihm auch nicht ausdrücklich untersagt worden. »Wir rechnen nicht damit, dass uns in Dunai irgendwelcher Ärger erwartet.«

Tulev presste einen Moment lang die Lippen zusammen, dann sagte er: »Wenn die Syndiks vorhaben, irgendeinen Aspekt des Friedensvertrags hinauszuzögern, dann werden wir das ja in Dunai merken.«

»Erlaubt der Vertrag es uns, dass wir uns ohne die Zustimmung der Syndiks in deren Gebiet nach Belieben bewegen dürfen?«, fragte der Kommandant eines Schweren Kreuzers. Beim Anblick der Gesichter der anderen Offiziere ergänzte er hastig: »Nicht dass es mich kümmert, ob sie damit einverstanden sind oder nicht.«

»Ja, der Vertrag erlaubt uns das«, antwortete Geary. »Als der in aller Eile ausgehandelt wurde, hatten die CEOs der neuen Syndik-Regierung verzweifelt vor, die Allianz-Flotte nach Midway zu locken, um sie vor den Aliens zu beschützen. Also wurde uns auch das Recht eingeräumt, uns im Syndik-Territorium zu bewegen. Ich bin mir sicher, dass die Syndiks das als einmalige Sache ansahen, aber unsere Unterhändler formulierten diesen Paragraphen so, dass wir das jederzeit wiederholen dürfen.«

»Manchmal sind unsere Politiker ja doch zu etwas gut«, merkte Duellos an.

»Ich schätze, hin und wieder müssen sie auch mal irgendwas richtig machen«, ergänzte Badaya.

»Zu beachten ist«, sagte Geary, »dass der Vertrag uns erlaubt, in Syndik-Gebiet vorzudringen, solange wir das Midway-Sternensystem anfliegen oder von dort zurückkehren. Auch wenn wir einen Umweg über Dunai einlegen, sind wir auf dem Weg nach Midway. Ich betone das, weil zukünftige Missionen auch Reisen nach Midway notwendig machen – nicht etwa, weil wir dorthin wollen, sondern weil es die Vertragsformulierungen verlangen.«

Commander Neeson lachte leise. »Das wird für die Syndiks in Midway aber eine Überraschung werden.«

»Das sehe ich auch so.«

Nachdem die anderen sich aus der Konferenz zurückgezogen hatten, blieb Duellos noch sitzen und hielt den Blick auf Geary gerichtet. »Wie fühlen Sie sich?«

»Mir ging’s schon schlechter«, erwiderte er und setzte sich. »Und Sie?«

Duellos grinste ihn an. »In letzter Zeit macht mir nur eines zu schaffen: Neugier. Ich würde zu gern wissen, wie Ihr Kurzbesuch auf Kosatka verlaufen ist.«

»Meinen Sie meine Flitterwochen?«

»Ja. Wenn ich Tanya darauf anspreche, murmelt sie nur etwas vor sich hin.«

Geary hielt kurz inne und dachte an diese Zeit zurück. »Wir glaubten beide, dass sich die anderen Passagiere und die Crew prügeln würden, sobald unser Schiff das Hypernet-Portal bei Kosatka verlässt, weil jeder als Erster den Medien mitteilen wollte, dass wir an Bord sind. Oder besser gesagt: dass ich an Bord bin. Wohl aus Sorge, es könnte niemand auf diese Idee kommen, tauchte ein paar Stunden nach unserer Ankunft ein Schneller Kurier der Flotte auf und begann lautstark Befehle für mich zu senden, dass ich sofort nach Varandal zurückkehren solle. Damit musste auch dem Dümmsten klar geworden sein, dass ich mich auf Kosatka aufhielt.«