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Er zog die Augenbrauen noch weiter zusammen, als er die gut erhaltenen Bauwerke sah, die, nach ihrer Anordnung zu urteilen, Kasernen sein mussten. Drei Zäune umgaben die gesamte Anlage auf einer Breite von gerade mal zehn Metern, verfügten aber nur über ein paar Wachtürme. Der Großteil des Geländes innerhalb dieser Umzäunung war begrünt, während sie von anderen Lagern gewöhnt waren, dass das Areal komplett asphaltiert oder gar nicht befestigt und mit schroffen Steinen übersät war. Zudem konnte er ein paar Bäume erkennen. Gut erhaltene Straßen führten ins Lager hinein und zu mehreren großen Parkplätzen. »Sieht so aus, als würde man die Gefangenen recht häufig aus dem Lager bringen.«

»Wir vermuten, dass das auf einer täglichen Basis geschieht«, erläuterte Iger. »Wie Sie sehen, ist das Lager nicht weit von der Stadt entfernt. Nach dem Grundriss der Anlage zu urteilen und anhand einiger Syndik-Nachrichten, die wir belauschen konnten, werden unsere Leute als Arbeiter eingesetzt. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches, allerdings haben die Syndiks ihre Kriegsgefangenen üblicherweise als Zwangsarbeiter im Bergbau oder im Ackerbau benutzt, weit entfernt von allen Städten.«

Geary lehnte sich zurück und trommelte mit den Fingern auf seine Armlehne. »Dann meinen Sie nicht, dass man sie zu schwerer Zwangsarbeit verpflichtet hat?«

»Das ist trotzdem möglich, Sir. Beim Straßenbau zum Beispiel. Aber denkbar ist auch, dass sie Gebäude reinigen oder ähnliche Arbeiten verrichten mussten. Wenn wir die ehemaligen Gefangenen an Bord geholt und befragt haben, werden wir Genaueres darüber wissen, ob und wie sie misshandelt wurden.«

Der Begriff »misshandelt« kam Iger wie selbstverständlich über die Lippen. Geary wusste wegen der Arbeitslager, die sie bislang gesehen hatten, dass es durchaus der richtige Begriff sein konnte. Dennoch sah dieses Arbeitslager viel angenehmer aus als alles, was sie gewöhnt waren. Es war zwar eindeutig ein Lager für Kriegsgefangene, aber es schien nicht als die Hölle auf Erden angelegt worden zu sein. »Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie noch irgendetwas herausfinden.«

Während sich Igers Fenster schloss, lehnte sich Desjani seufzend nach hinten. »Hier gibt es nicht viel, was Grund zur Sorge bieten sollte. Kein Kriegsschiff weit und breit, nur Billigkorvetten in dieser Werft, die um den zweiten Planeten kreist.«

Geary tippte auf das Symbol für die Korvetten und las, was die Sensoren der Flotte über diese kleinen Schiffe herausgefunden hatten. »Unsere Systeme vermuten, dass man die Korvetten ausgeschlachtet hat, allerdings nicht um sie zu verschrotten, sondern um sie mit neuen Systemen auszustatten.«

»Vielleicht haben sie hier ja auch einen Captain Smythe.«

»Teilweise fertiggestellte Hüllen für Kriegsschiffe«, stellte Geary fest und zeigte auf andere Orbitalwerften. »Drei Schiffe von Jäger-Größe dort, ein Leichter Kreuzer da. Alle weit davon entfernt, eingesetzt zu werden.«

»Da scheint sich jemand seine eigene kleine Flotte zusammenzubauen«, merkte Desjani an. »Die Hüllen dieser Jäger weichen von den Syndik-Standards ab. Vielleicht werden sie nicht im Auftrag der Zentralregierung gefertigt.«

Das war eine interessante Feststellung. »Macht sich der lokale CEO darauf gefasst, dieses Sternensystem verteidigen zu müssen, oder bereitet er sich darauf vor, andere Sternensysteme unter Druck zu setzen? Vielleicht durch Erpressung, die er durch Feuerkraft untermauert, vielleicht auch durch eine offene Ausweitung seiner Kontrolle.«

»Kümmert es uns, was sich Syndiks untereinander antun?«, fragte Desjani.

»Nein. Jedenfalls nicht bei solchen Dingen. Wenn wir Augenzeuge eines Angriffs werden, dann könnten wir eingreifen, auch wenn ich nicht weiß, ob wir das überhaupt wollen würden. Immerhin sind unsere Befehle für solche Angelegenheiten äußerst vage formuliert.«

»Diese im Bau befindlichen Schiffe wären leichte Ziele«, überlegte sie. »Vermutlich würden wir den umliegenden Sternensystemen einen Gefallen tun, wenn wir die Dinger in kleine Stücke schießen.«

Er grinste sie schief an. »So sehr mich Ihre neuentdeckte humanitäre Seite auch beeindruckt, herrscht jetzt zwischen uns und den Syndiks Frieden. Das bedeutet, wir müssten schon gewichtige Gründe anführen, um irgendetwas in die Luft zu jagen, das den Syndiks gehört.«

»Na, wenn Sie mit gewichtigen Gründen ankommen«, gab Desjani zurück, »dann frage ich Sie, ob so etwas nicht zu einem echten Problem werden könnte. Je länger wir durch das Gebiet der Syndiks reisen, was meines Wissens noch recht lange und recht häufig der Fall sein wird, und je stärker die Syndik-Regierung die Kontrolle über die Syndikatwelten verliert, was meines Wissens weiter anhalten oder sich sogar verschlimmern wird, umso wahrscheinlicher wird es, dass wir in einem Sternensystem einmal mit einem sich abspielenden Gefecht konfrontiert werden. Was machen wir, wenn da ein Syndik-System ein anderes angreift? Angenommen, die Angegriffenen bitten uns um Hilfe, was sagen wir dann? Und was ist, wenn die Angreifer von der Syndik-Regierung geschickt worden sind und sie ihre eigenen Leute bombardieren, um die Kontrolle über das betreffende System zurückzuerlangen? Sollen wir dann einfach vorbeifliegen und so tun, als ob gar nichts los ist?«

Er ließ sich nach hinten sinken und trommelte wieder mit den Fingern auf die Armlehne, während er nachdachte. »Unsere Befehle machen um diese Frage einen großen Bogen. Man kann sie so auslegen, dass wir die Erlaubnis oder sogar die Pflicht haben einzugreifen. Sie lassen sich aber auch so deuten, dass wir wahlweise besser nicht eingreifen sollten oder es überhaupt nicht dürfen.«

»Mit anderen Worten: Weder die Regierung noch das Hauptquartier hatte eine Ahnung, wie man sich verhalten sollte, also hat man Ihnen die Entscheidung überlassen. Ich bin schockiert! Wirklich schockiert!«

Geary nickte. »Weil sich alles auf die Aliens konzentriert und weil ich das Syndik-Territorium so schnell wie möglich durchqueren will, um solche Situationen hoffentlich zu vermeiden, habe ich bislang noch gar nicht versucht, dieses Problem ernsthaft zu analysieren. Unser Handeln wird ganz entscheidend von den jeweiligen Umständen bestimmt. Vielleicht kennen ja unsere Gesandten eine Antwort auf diese spezielle Frage, die sie uns nur noch nicht mitgeteilt haben.«

»Wollten sie uns diese Antwort liefern, bevor wir das Feuer eröffnen, oder erst wenn es bereits passiert ist?«, überlegte Desjani.

»Ich werde sie fragen. Aber erst, nachdem wir das hier erledigt haben.« Geary tippte auf die Komm-Kontrolle, um eine schiffsinterne Verbindung herzustellen. Dabei öffneten sich zwei Fenster, die Rione und Charban zeigten. »Madam Gesandte, General Charban, nehmen Sie bitte mit dem Senior-CEO der Syndiks in diesem System Kontakt auf und treffen Sie alle erforderlichen Vorkehrungen, damit wir unsere Leute aus dem Gefangenenlager holen können. Wir benötigen keine Unterstützung vonseiten der Syndiks, außer dass sie uns Zugang zu ihnen verschaffen und alle wichtigen Aufzeichnungen aushändigen.«

»Wir sind dabei, Admiral«, verkündete Charban in einem Tonfall, als wäre er noch im aktiven Dienst und würde mit Geary an einer militärischen Operation zusammenarbeiten. »Der Friedensvertrag verpflichtet sie dazu, ihre Gefangenen zu entlassen, ohne irgendwelche Bedingungen daran zu knüpfen. Von daher sollte es keinerlei Probleme geben.«

Rione nickte nur wortlos, um zu bestätigen, dass sie verstanden hatte. Ihr Blick war gesenkt.

»Danke«, sagte Geary. »Sollten sich Probleme ergeben, lassen Sie es mich umgehend wissen.«

»Admiral«, rief der Steuerwachhabende ihm zu. »Wenn Sie beabsichtigen, 0,1 Licht beizubehalten, dann empfehlen die Systeme für einen Abfangkurs zum zweiten Planeten eine Kurskorrektur nach Steuerbord um eins fünf Grad und nach unten um null vier Grad.«