Während General Charban ihn ungläubig anstarrte und Rione einen leicht geröteten Kopf bekam, betätigte Geary wieder eine Taste und wandte sich an die Anwesenden insgesamt. »Ich danke Ihnen für Ihre Opfer im Dienst an der Allianz. Die Regierungsgesandten Rione und Charban werden ab sofort in allen Angelegenheiten Ihre ersten Ansprechpartner sein. Ich freue mich schon darauf, Sie sicher und unversehrt zur Allianz zurückzubringen.« Bei den lebenden Sternen, darauf freue ich mich mehr, als sich irgendjemand vorstellen kann. »Vielen Dank. Auf die Ehre unserer Vorfahren.«
Dann klinkte er sich, Carabali und Tulev aus der Besprechung aus, sodass sie für die anderen nicht mehr zu sehen waren. Geary verließ umgehend den Besprechungsraum.
Eine Weile spazierte er durch die Korridore der Dauntless, da er nicht im Quartier mit seinen Gedanken allein sein wollte. Zudem war er zu rastlos, um sich irgendwo hinzusetzen. Unterwegs mit ein paar Matrosen zu reden, hatte etwas Tröstendes und gab ihm ein wenig das Gefühl, als wäre dieses Jahrhundert im Kälteschlaf nie geschehen. Die Ausrüstung mochte eine andere sein, aber Matrosen waren und blieben Matrosen.
Irgendwann begegnete ihm Tanya und schloss sich ihm an. Nach einer Weile sagte sie: »Diese Leute den Gesandten aufs Auge zu drücken, war genial, aber es ist keine dauerhafte Lösung.«
»Ich weiß. Ein paar von ihnen können uns immer noch viel Ärger machen.«
»Sie haben die Flotte heute viel fester im Griff als zu der Zeit, als wir Falco befreit hatten. Außerdem hat man Ihnen ganz förmlich das Kommando übertragen. Und soweit wir wissen, gibt es auf keinem der Schiffe gegenwärtig einen Captain, der gegen Sie arbeitet.«
»Soweit wir wissen«, betonte Geary.
Mehr konnte er nicht sagen, da in dem Moment vor ihnen im Gang Rione auftauchte, die allem Anschein nach auf der Suche nach ihm gewesen war. Sie blieb vor ihnen stehen und versperrte ihnen den Weg. »Admiral, ich muss mit Ihnen reden.«
»Sie und General Charban können unter sich ausmachen …«
»Darum geht es nicht.« Sie atmete tief durch und schien nach den richtigen Worten zu suchen, was so ungewöhnlich war, dass sogar Desjani mit einem Stirnrunzeln reagierte. »Mein … Commander Benan … jemand hat ihm davon erzählt, was in der Vergangenheit … zwischen uns war.«
Aus irgendeinem Winkel seines Gehirns kam die Frage: »Sind Sie in Gefahr?«
»Nein, ich nicht.«
»Sie nicht?« Dann blieb nur noch einer übrig.
Aber Rione schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass er …«
Als Geary Desjani erschrocken ausatmen hörte, folgte er ihrem Blick und sah Commander Benan geradewegs auf sie zukommen.
Neun
Desjani trat einen Schritt vor und stellte sich zwischen Benan auf der einen und Geary und Rione auf der anderen Seite. »Gibt es ein Problem, Commander?«
»Ich muss mit … dem Admiral sprechen.« Paol Benans Gesicht war kreidebleich, seine Stimme klang rau. »Es gibt eine Ehrenfrage zwischen uns zu klären. Ich muss …«
Im energischen Kommandoton und mit entsprechender Lautstärke unterbrach sie ihn. »Commander Benan, sind Sie sich über die Flottenvorschriften im Klaren?«
Sein aufgebrachter Blick richtete sich auf sie. »Ich muss mir nicht die Flottenvorschriften zitieren lassen von einer …«
»Dann wissen Sie auch, was passieren wird, wenn Sie so weitermachen«, fiel ihm Desjani frostig ins Wort. »Auf meinem Schiff werde ich solche Verletzungen der Disziplin nicht dulden.«
»Auf Ihrem Schiff? Nach allem, was Sie beide gemacht haben? Sie haben Ihre Position entehrt, Ihnen hätte man das Kommando entziehen sollen, um Sie vor …« Andere Crewmitglieder waren stehen geblieben und beobachteten das Geschehen. Auf einmal regte sich ein tiefes, missbilligendes Murren, das bedrohlich genug war, um Paol Benan abrupt verstummen zu lassen.
Ein Chief Petty Officer trat vor und erklärte mit Nachdruck: »Sir, wenn es irgendeinen Grund gegeben hätte, die Ehre unseres Captains in Zweifel zu ziehen, dann wäre uns das bekannt gewesen. Sie und der Admiral haben zu keinem Zeitpunkt ihre Pflichten oder Verantwortlichkeit vernachlässigt oder verletzt.«
»Ihre Ehre ist nicht beschmutzt«, ergänzte ein Ensign.
Benan wollte etwas darauf erwidern, aber Victoria Rione kam ihm zuvor, da sie sich an Desjani vorbeidrängte und sich vor ihn stellte, um ihn wütend anzustarren. Aufgebracht zischte sie ihrem Ehemann zu: »Wir werden reden. Unter vier Augen. Auf der Stelle.«
Benans Blässe wich einer einsetzenden Zornesröte. »Was du mir zu sagen hast, das kannst du auch …«
»Wenn ich dir noch immer irgendetwas bedeute, dann wirst du nicht in aller Öffentlichkeit zu meiner Ehre oder meinem Handeln äußern«, unterbrach Rione ihn so energisch, dass es schien, als würde ihre Stimme ihm einen körperlichen Stoß versetzen.
Diesmal drang sie zu ihm durch. Benan schluckte, dann nickte er und murmelte kleinlaut: »Ich … es tut mir leid, Vic.«
»Komm jetzt mit. Bitte.« Rione drehte sich nicht zu Geary, sondern zu Desjani um. »Wenn Sie uns entschuldigen würden, Captain. Ich … danke Ihnen«, brachte sie erstickt über die Lippen, wandte sich ab und führte ihren Mann weg.
Desjani sah den beiden nach, dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf ihre Crewmitglieder, die ein wenig unschlüssig dastanden. »Danke.« Die Männer nickten und salutierten, dann gingen sie weiter. Desjani gab Geary ein Zeichen. »Kommen Sie, gehen wir weiter. Das war knapp.«
»Was war knapp? Wovon haben Sie Benan abgehalten?«
Mitten in der Bewegung erstarrte sie und sah ihn an. »Sie wissen wirklich nicht, was er vorhatte? Er wollte Sie zu einem Ehrenduell herausfordern.«
Geary war sich nicht sicher, ob er das richtig gehört hatte. »Ein was?«
»Ein Ehrenduell. Üblicherweise auf Leben und Tod.« Sie waren an ihrem Quartier angekommen, und sie bedeutete ihm einzutreten. »Ich hoffe, du kannst fünf Minuten hier bei mir verbringen, ohne irgendwen auf die Idee zu bringen, wir könnten wie läufige Kaninchen übereinander herfallen.« Während sie redete, ließ sie sich in einen Sessel fallen und nahm dabei eine Haltung ein, die so ganz anders war als die förmliche Pose, die sie sonst zur Schau stellte. »Ehrenduelle begannen vor … ich weiß nicht, ich glaube vor dreißig Jahren. Flottenoffiziere fingen auf einmal an, andere herauszufordern, von denen sie sich in ihrer Ehre beleidigt fühlten. Wir konnten den Feind nicht besiegen, also machten wir uns daran, uns gegenseitig zu zerfleischen.« Sie sah ihm in die Augen. »Fragen der Ehre, beispielsweise der Vorwurf der Untreue.«
»Das hat sich in dieser Flotte abgespielt?«, fragte er.
»Du weißt, wie wir selbst heute noch sind! Nur die Ehre zählt! Nur die Demonstration von Tapferkeit!« Desjani verzog angewidert das Gesicht. »Ein Offizier, der herausgefordert worden war, konnte keinen Rückzieher machen, wenn er nicht als Feigling bezeichnet werden wollte. Wir hatten auch so schon einen Mangel an Offizieren, und die wenigen, die wir hatten, die brachten sich aus fehlgeleitetem Ehrgefühl gegenseitig um. Dann endlich griff die Flotte ein und erließ strenge Vorschriften, die harte Strafen für jeden androhten, der einen anderen herausforderte. Es dauerte eine Weile, und es waren einige Erschießungskommandos nötig, um diese Vorschriften durchzusetzen. Aber zu der Zeit, als ich zur Flotte kam, waren das nur noch Geschichten, erzählt von den Leuten, die zu der Zeit schon gelebt hatten. Aber die Vorschriften haben nach wie vor Bestand. Wir mussten sie bei der Offiziersausbildung auswendig lernen. Hätte dieser Idiot seine Herausforderung an dich ausgesprochen, wäre ich gezwungen gewesen, ihn in die Arrestzelle zu stecken und ihn bei unserer Rückkehr einem Kriegsgericht zu übergeben.« Sie sah Geary forschend an. »Es sei denn, du hättest entschieden, ihn sofort hinrichten zu lassen, was dein gutes Recht gewesen wäre.«