»Richtig. Haben Sie versucht herauszufinden, ob der Sub-CEO Rogero in diesem Sternensystem der Mann ist, mit dem Sie während Ihrer Kriegsgefangenschaft eine Beziehung hatten?«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass er dieser Mann ist, Admiral. Das Letzte, was ich von ihm gehört hatte, war die Information, dass er unter einem CEO namens Drakon dient. Drakon ist in diesen Teil des Syndik-Gebiets strafversetzt worden, weil er es sich mit einigen sehr mächtigen Syndik-CEOs verscherzt hatte.«
Geary stutzte. Bradamont wusste mehr über diesen Drakon als der Geheimdienstbericht, den er eben gelesen hatte? Was sagte das über diese Frau aus? »Commander, sind Sie einfach nur neugierig? Oder wollen Sie irgendetwas unternehmen, wenn sich herausstellt, dass er dieser Rogero ist?«
»Das weiß ich nicht, Sir«, antwortete sie nach einer Denkpause.
»Lieben Sie ihn noch?«
Wieder folgte eine Pause. »Ja, Sir.« Sie betrachtete ihn fast trotzig. »Wir befinden uns nicht mehr im Krieg.«
»Richtig, aber wir sind auch nicht gerade eine große glückliche Familie.«
»Admiral, ich schwöre bei allem, was Sie wollen, dass ich nicht gegen meine Pflichten als Offizier dieser Flotte verstoßen werde. Ich werde auch in keiner Hinsicht meine Verantwortung als befehlshabender Offizier eines Allianz-Kriegsschiffs vernachlässigen. Ich bin gerne bereit, diesen Eid in einem Verhörraum noch einmal abzulegen, damit kein Zweifel an meiner Ernsthaftigkeit bestehen kann.«
Sie machte zumindest den Eindruck, dass sie es sehr ernst meinte. Hätte es in einem der beiden Punkte irgendwelche Zweifel gegeben, dann wäre es Bradamont gar nicht erst gelungen, die Sicherheitsüberprüfung zu bestehen und in die Flotte zurückzukehren. »Ich glaube, ein Verhörraum ist nicht nötig, Commander. Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen? Eine weitere, meine ich. Wir haben mit Ihnen an Bord der Dragon gegen die Syndiks gekämpft. Haben Sie jemals darüber nachgedacht, Rogero könnte sich auf einem der Kriegsschiffe befinden, die von uns beschossen wurden?«
»Ich konnte es mir nicht leisten, darüber nachzudenken, Sir.« Bradamont sah ihm in die Augen. »Ich hatte meine Pflicht zu erfüllen, und ich wusste, er würde das verstehen.«
»Er würde verstehen, möglicherweise von Ihnen im Gefecht getötet zu werden? Nicht jeder Mann dürfte so verständnisvoll sein, Commander Bradamont.«
»Er weiß, was Pflicht bedeutet, Admiral. Das ist einer der Gründe, wieso …« Sie wich seinem Blick nicht aus. »Ich weiß, Sie wollen mir noch eine persönliche Frage stellen: Wie es passieren konnte, dass ich mich in einen Syndik-Offizier verliebe.«
»Das geht mich nichts an«, sagte Geary, auch wenn es ihn interessierte.
»Ich werde es Ihnen sagen, weil ich glaube, Sie werden meine Worte eher akzeptieren als manch anderer.« Sie schaute zur Seite, nicht um sich zu sammeln, sondern eher so, als würde sie einen Blick in die Vergangenheit werfen. »Eine Anzahl von neuen Gefangenen, zu denen ich gehörte, wurde zu der Welt geflogen, auf der sich das Arbeitslager befand, in dem man uns festhalten würde. Das Syndik-Schiff wurde in einen schweren Unfall verwickelt, bei dem wir alle sehr wahrscheinlich gestorben wären. Rogero befehligte die Bodentruppen, die mit dem gleichen Schiff transportiert wurden. Er befahl, uns zu befreien, damit wir gerettet werden konnten, und dann erlaubte er uns, Seite an Seite mit seiner Besatzung zu arbeiten, um das Schiff und uns selbst zu retten.« Bradamont richtete ihren Blick wieder auf Geary. »Dafür wurde er in der Form bestraft, dass man ihm das Kommando entzog.«
»Er hatte gegen die Vorschriften verstoßen.«
»Ja. Seine Vorgesetzten sagten, er hätte uns sterben lassen sollen. Ich weiß das, weil einige von uns zu den Ereignissen an diesem Tag aussagen mussten. Es geschah gegen unseren Willen, aber da wir in verschiedenen Verhörräumen untergebracht waren, konnten wir uns keine Lüge zurechtlegen, um ihn zu schützen. Rogero verlor nicht nur das Kommando über seine Einheit, er wurde auch in das Lager versetzt, um dort als Wärter Dienst zu verrichten. Das war ein grausamer Scherz seitens seiner Vorgesetzten, Admiral. Da wir Gefangene ihm so wichtig gewesen waren, wurde er nun gezwungen, uns zu beaufsichtigen.«
Das passte zusammen. »Er war einer der Senioroffiziere der Syndiks im Lager, Sie gehörten zu den Senioroffizieren der Allianz. Es blieb gar nicht aus, dass Sie regelmäßig Kontakt hatten.«
»Richtig, Sir, und ich wusste etwas über sein Wesen, weil ich gesehen hatte, welches Verhalten ihm diesen Posten eingebrockt hatte.« Sie hielt einen Moment lang inne. »Sie und … Captain Desjani können vermutlich von allen am besten verstehen, wie es mir erging, als ich mir meiner Gefühle für ihn bewusst wurde. Es war nichts, was ich … was ich wollte oder was mir behagte. Als ich dann herausfand, dass er für mich genauso empfindet … da war das völlig unmöglich. Er ist ein anständiger, ehrbarer Mann, Admiral, auch wenn er dazu ausgebildet worden ist, eigentlich ganz anders zu handeln. Aber … wir blieben beide unseren Pflichten treu. Ich habe meinen Eid gegenüber der Allianz nie verraten. Ich habe nie meine Vorfahren entehrt, ganz gleich, was einige …« Sie brach mitten im Satz ab.
»Verstehe. Den Syndiks gefiel es offenbar auch nicht, weshalb man Sie in ein anderes Lager brachte und ihn hierher ins Exil schickte.«
»Anfangs nicht. Da hatte CEO Drakon noch etwas Einfluss und schaffte es schließlich, Rogero unter sein Kommando zurückzuholen, nachdem ich das Lager verlassen hatte. Admiral …« Diesmal zögerte sie etwas länger. »Es gibt da eine höchst geheime Angelegenheit, die den Allianz-Geheimdienst und mich selbst betrifft. Ich bezweifle, dass irgendjemand in dieser Flotte etwas davon weiß, aber ich kann Sie als meinen Flottenbefehlshaber nicht guten Gewissens darüber im Unklaren lassen. Die Syndiks wurden in dem Glauben gelassen, dass meine Gefühle für Rogero sich auch auf meine Loyalität ausgewirkt hatten. Über Jahre hinweg habe ich die Syndiks regelmäßig mit Berichten versorgt, die mir der Geheimdienst der Allianz zur Verfügung gestellt hat. Es waren angebliche Geheimnisse und irreführende Informationen, die ich dem Anschein nach an Rogero geschleust habe.«
Das war eine weitere überraschende Enthüllung. »Und was hatte die Allianz davon? Nur einen Kanal, um Scheininformationen an die Syndiks weiterzuleiten?«
»Und Informationen, die Rogero von Zeit zu Zeit an mich schickte, angebliche Angaben zu geheimen Syndik-Aktivitäten.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich war lange Zeit der Ansicht, dass diese Nachrichten in Wahrheit gar nicht von ihm kamen, und falls doch, dass sie dann ebenfalls keine echten Geheimnisse enthielten, sondern nur Desinformation. Ich glaube, beide Seiten haben das nur gespielt, damit sie sich Erfolge einreden konnten, obwohl niemand in irgendeiner Weise wirklich davon profitierte.«
»Können Sie irgendetwas davon beweisen?«
Wieder schüttelte sie den Kopf. »Nein, Sir. Ich habe nur die Kontaktinformationen von demjenigen, der im Allianz-Gebiet mein Ansprechpartner war.«
»So etwas ist ein gefährliches Spiel.« Schließlich setzte sich Geary hin und musterte sie. »Ist es möglich, dass Lieutenant Iger über Informationen verfügt, die auf Rogeros Meldungen beruhen? Wissen Sie, unter welchem Decknamen er in den Berichten des Allianz-Geheimdienstes geführt wurde?«
»Red Wizard, Admiral.«
»Hatten Sie einen Decknamen, der in diesen Berichten benutzt wurde?«
»White Witch, Sir.«
Geary betätigte seine Kontrollen. »Lieutenant Iger, verfügen Sie über Geheimdienstberichte, die aus einer Syndik-Quelle mit Codenamen Red Wizard stammen?«
Iger konnte eine verblüffte Miene nicht verhindern, während er sich zur Seite drehte und eine Datenbank aufrief. Dann sah er Geary völlig überrascht an. »Ja, Sir, aber ich habe hier keinen Vermerk, dass Sie jemals über dieses Programm unterrichtet wurden. Sie hätten zwar jede darin enthaltene Information erhalten, allerdings sind die Quelle und der Deckname streng geheim.«