»Wie hat es der Wurm auf die Dauntless geschafft?«, wollte Desjani wissen.
Der Lieutenant an der Kommunikationsstation schüttelte den Kopf. »Er kann nicht von außen gekommen sein, Captain. Dann hätten unsere Systeme ihn nämlich schon da aufgehalten. Jemand an Bord der Dauntless hat ihn manuell eingeführt.«
Desjani warf Geary einen fragenden Blick zu. »Jemand auf der Dauntless, der ein altes Modell verwendet. Wer könnte da Ihrer Meinung nach infrage kommen?«
Er reagierte mit einem Nicken. »Einige unserer befreiten Gefangenen. Was wollte der Wurm in den Komm-Systemen bewerkstelligen?«
»Er sollte eine Nachricht an die Flotte senden, Admiral. Der Wurm hat versucht, diese Nachricht zu zerstören, als er blockiert wurde, aber unsere Systeme konnten sie retten.« Der Lieutenant stutzte. »Sir, die Haboob meldet, dass dort vor ein paar Minuten ein ähnlicher Versuch unternommen wurde, die Komm-Systeme zu beeinflussen.«
»Sieh einer an«, meinte Desjani sarkastisch. »Das wird ja sehr schwierig werden herauszufinden, wer hinter dieser Aktion steckt!«
»Können Sie die Nachricht auf mein Display umleiten, die der Wurm senden sollte?«, fragte Geary den Lieutenant.
»Ja, Sir. Der Wurm wurde deaktiviert, die Nachricht wurde auf weitere Würmer untersucht und ist jetzt sauber.«
»Dann lassen Sie mal sehen.« Er bemerkte Desjanis Blick. »Und schicken Sie sie auch an Captain Desjani.«
Vor Geary öffnete sich ein Fenster, mehrere der ehemaligen Gefangenen waren dort zu sehen. Sie alle trugen neue Uniformen, an denen ihre Rangabzeichen, Orden und andere Auszeichnungen blitzten und funkelten, und sie standen da, als würden sie sich an eine Flotte wenden, über die sie das Kommando hatten. Einer von ihnen, Admiral Chelak, setzte an zu einer Rede über Ehre, Flottentraditionen, Respekt vor dem Dienstalter, die Meinung anderer Offiziere, über die Notwendigkeit Kommandofragen zu klären und …
Geary beendete die Wiedergabe.
»Wieso haben Sie sich das so lange angesehen?«, fragte Desjani.
»Ich wollte sehen, ob er irgendwas sagt, das belegt, dass diese Leute ihren Verstand benutzt haben«, erklärte er und schaute finster auf sein Display. »Aber diese Ansprache an die Offiziere der Flotte zeigt nur, dass sie immer noch glauben, sie könnten gegen mich arbeiten, obwohl sie mit den Angehörigen dieser Flotte gesprochen haben.«
»Sabotage in einem Kriegsgebiet …«, setzte sie zum Reden an.
»Ich kann nicht einfach anfangen, sie zu erschießen, Tanya. Vor allem weil der Wurm nicht darauf programmiert war, Schaden anzurichten.«
»Er sollte aber zur Meuterei anstiften.«
»Ja, stimmt.« Energisch tippte er auf seine Kontrollen. »Madam Gesandte Rione, jemand an Bord der Dauntless hat einen Wurm in die Systeme geschleust. Ich gebe Ihnen hiermit die Gelegenheit, mit Commander Benan darüber zu reden, bevor er formell befragt wird. Wenn er davon wusste oder daran beteiligt war, werden sein Geständnis und seine Kooperation zu diesem Zeitpunkt zu seinen Gunsten angerechnet. Wenn Sie mit Commander Benan reden, könnten Sie auch sicherstellen, dass er mit der jüngeren Geschichte von Würmern in dieser Flotte vertraut ist. Das betrifft sowohl Würmer, die uns von den Aliens geschickt wurden, als auch jene, die von Feinden aus den eigenen Reihen geschaffen wurden.«
Rione starrte ihn an, ihre Miene zeigte keine Regung. »Vielen Dank, ich werde mit ihm reden.«
Desjani wartete, bis Geary fertig war, dann sagte sie: »Als Befehlshaber der Dauntless ist es meine Pflicht, eine Untersuchung in die Wege zu leiten.«
»Tun Sie das, Captain. Aber berücksichtigen Sie bitte den Status derjenigen, die befragt werden. Wir wollen niemandem einen Anlass bieten, sich darüber zu beklagen, er sei unehrenhaft oder respektlos behandelt worden.«
»Jawohl, Sir.«
Er warf ihr einen eindringlichen Blick zu. »Das ist mein Ernst.«
»Jawohl, Sir.«
Noch bevor der Tag vorüber war, meldete sich Rione bei ihm und bat um ein privates Treffen. Sie brachte Commander Benan mit, der stocksteif dastand, während seine Frau erklärte: »Er sagt, er hat den Wurm in die Systeme der Dauntless geschleust, Admiral.«
»Es war eine Übung für unser Recht, gehört zu werden«, sagte Commander Benan. »Mir wurde versichert, dass der Wurm weder einem Schiff noch einem System Schaden zufügen würde.«
»Dessen ungeachtet, Commander«, gab Geary zurück, »ist es ein Verstoß gegen die Vorschriften, wenn man nicht autorisierte Software in offizielle Systeme einschleust. Vor allem dann, wenn diese Software so entworfen ist, dass sie die normalen Kontrollfunktionen außer Kraft setzen soll. Ist Ihnen bekannt, was dem Schweren Kreuzer Lorica widerfahren ist?«
Benan, der ohnehin starr wie eine Statue dastand, nahm eine noch steifere Haltung ein. »Ich würde niemals … Nichts kann ein solches Vorgehen rechtfertigen!«
»Ein Vorgehen, das in den Augen derjenigen gerechtfertigt war, weil ich ihrer Meinung nach nicht das Kommando über die Flotte haben sollte«, sagte Geary.
»So hat man es mir gesagt. Ich wiederhole, ich würde niemals eine solche Tat begehen.«
»Ich glaube Ihnen, Commander. Werden Sie mich oder einen anderen Vorgesetzten informieren, wenn man Sie erneut anspricht, damit Sie etwas tun, das gegen die Vorschriften verstößt?«
Im ersten Moment entgegnete Benan nichts, sondern sah Rione an, die seinem Blick begegnete. »Ja. Die Ehre meiner Frau hat schon genug gelitten.«
Das war womöglich ein Seitenhieb auf Geary gewesen, aber darauf sprang er erst gar nicht an. »Sie sind ein Ehrenmann, daher werde ich Ihr Wort nicht anzweifeln. Die Gesandte Rione hat mich gebeten, Sie an Bord der Dauntless zu lassen. Mit Blick auf ihren langjährigen und hervorragenden Dienst an der Allianz habe ich kein Problem damit, dieser Bitte nachzukommen. Sie beide sind schon lange genug getrennt gewesen.« Sein Blick wanderte zu Rione, und er fragte sich, welche Wirkung seine Worte über den Dienst an der Allianz wohl auf sie hatten, wenn sie momentan so viele Geheimnisse vor ihm und vor allen anderen wahrte.
Er hatte sich längst den Ratschlag ins Gedächtnis gerufen, der ihm nach der Befreiung anderer Gefangener erteilt worden war, nämlich diesen Leuten eine sinnvolle Beschäftigung zu geben, die sie von dummen Gedanken abhielt. Zu seinem Bedauern war es ihm nicht möglich gewesen, so vielen hochrangigen Offizieren eine Aufgabe zu übertragen. Aber vielleicht war es jetzt nötig, irgendetwas anzubieten. »Commander Benan, es tut mir leid, dass es an Bord der Dauntless keinen freien Posten gibt, der Ihrem Dienstgrad und Ihrer Erfahrung entspricht. Allerdings suchen unsere Ingenieure händeringend nach Offizieren, die die neu installierte und modernisierte Ausrüstung inspizieren und testen. Wenn Sie bereit sind, diese Aufgabe zu übernehmen, wird Captain Desjani Sie entsprechend einweisen.« Es war ziemlich schwierig gewesen, Tanya die Zustimmung zu diesem Vorhaben abzuringen, aber schließlich hatte er sie überzeugen können, dass eine sinnvolle Betätigung und eine Geste des Vertrauens nicht verkehrt sein konnten.
Benan sah Geary verdutzt an. »Sie bieten mir an, unmittelbar an den Systemen dieses Schiffs zu arbeiten?«
»Entweder akzeptiere ich das Wort, das Sie mir gegeben haben, oder nicht, Commander. Ich habe es akzeptiert.«
Nach einer langen Pause nickte Benan: »Ich würde mich freuen, in jeder erdenklichen Weise etwas zur Einsatzbereitschaft eines Allianz-Kriegsschiffs beizutragen.«
»Ich werde Captain Desjani informieren. Vielen Dank, Commander. Vielen Dank, Madam Gesandte.«
Beide zogen sich ohne ein weiteres Wort zurück, allerdings warf Rione ihm einen Blick zu, dessen Bedeutung ihm völlig unklar war.