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»Aber es scheint von ihrer Art nicht allzu viele zu geben«, meldete sich ein anderer Experte zu Wort. »Obwohl sie schon sehr viel Zeit in diesem System verbracht haben, sind ihre Siedlungen nach menschlichen Maßstäben recht klein. Das spricht für eine niedrige Geburtenrate; eine Bevölkerung, die sich langsamer vermehrt als eine menschliche Gruppe in der gleichen Größenordnung. Weniger Geburten und eine kleinere Bevölkerungszahl bedeuten weniger Streit um Ressourcen, Land und den ganzen Rest.«

Jane Geary hatte sich mit irgendeinem Text beschäftigt, auf einmal sah sie auf und sagte nur ein Wort: »Neandertaler.«

»Wie?«, fragte Badaya.

»Neandertaler. Eine evolutionäre Sackgasse, eine der vormenschlichen Spezies auf der Alten Erde. Sie starben aus, kurz bevor die aufgezeichnete Menschheitsgeschichte begann.«

»Ich bin damit vertraut, was man über die Neandertaler weiß«, sagte Dr. Setin. »Welche Rolle spielt das in dieser Diskussion?«

»Wir wissen heute Folgendes. Als die ersten Menschen sich in deren Gebiet niederließen, wurden die Neandertaler immer weiter verdrängt, bis sie schließlich ausstarben«, legte Jane Geary dar. »Was wäre gewesen, wenn die Neandertaler bis in die aufgezeichnete Menschheitsgeschichte überlebt hätten? Wenn sie zahlreicher und mächtiger gewesen wären, wenn sie sich mit unseren frühesten Vorfahren eine längere Konfrontation hätten liefern können?«

Dr. Setin atmete hastig ein. »Wir wissen nicht, ob die frühen Menschen die Neandertaler tatsächlich ausgelöscht haben. Man hat sich untereinander fortgepflanzt, aber weil alle vormenschlichen Spezies ausstarben, lange bevor die Menschheit damit begann, ihre Geschichte niederzuschreiben, können wir nichts dazu sagen, wodurch sie ausgestorben sind.«

»Die Menschen können eine lange Geschichte von Kriegen aus den unterschiedlichsten Anlässen vorweisen«, meldete sich Tulev zu Wort. »Unterschiedliche religiöse Ansichten, kulturelle Differenzen, ethnische Andersartigkeit. Da fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, welcher Konflikt daraus entstanden sein könnte, mit einer etwas anders aussehenden Variante von Menschen Seite an Seite leben zu sollen. Wie Sie sagten, sind all diese Varianten ausgestorben. Vielleicht war das ja ein Zufall.«

Dr. Shwartz nickte. »Wir können nichts darüber sagen, wie der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Varianten der Menschen sich auf unsere Entwicklung als Spezies ausgewirkt hat. Dass er irgendeine Wirkung hatte, davon können wir mit ziemlicher Sicherheit ausgehen. Das könnte der gleiche intelligente Wettbewerb gewesen sein, der die Enigmas dazu gebracht hat, diese Kampfstrategie zu entwickeln.«

»Das ist zwar alles plausibel«, warf Dr. Setin ein, »aber uns fehlen die Beweise. Wir verfügen nicht mal über genügend Detailwissen, um das Ganze halbwegs zu untermauern. Wir benötigen mehr Informationen, Admiral Geary.«

»Wenn diese Aliens so vehement gegen uns eingestellt sind«, überlegte Captain Armus, »wenn es keine Möglichkeit gibt, mit ihnen in friedlicher Koexistenz zu leben, warum kehren wir dann nicht sofort in Allianz-Gebiet zurück und bereiten einen ordentlichen militärischen Feldzug vor? Wir erobern dieses System zurück und arbeiten uns dann Schritt für Schritt vor, bis wir diese Bastarde zur Kapitulation zwingen können.«

Die Zivilisten starrten Armus an, aber nicht, weil sie so schockiert über diesen Vorschlag waren, sondern weil sie gar nicht in der Lage schienen, einen solchen Gedanken überhaupt zu begreifen.

Badaya schüttelte den Kopf. »Wir müssen mehr über ihre Stärken und Schwächen wissen, bevor wir einen Feldzug planen können. Ob diese Enigmas nun mit uns reden wollen oder nicht, wir müssen ihr Territorium gründlicher erkunden. Wir müssen ihnen das eine oder andere Schiff intakt abnehmen, oder wir müssen Überfälle durchführen, um in den Besitz eines Teils ihrer Technologie zu gelangen.«

»Wir werden weit genug vordringen, um so viel wie möglich über sie in Erfahrung zu bringen, aber auch nicht zu weit, damit wir keine Schwierigkeiten bekommen, wenn wir uns zurückziehen wollen«, erklärte Geary. »Sobald wir den nächsten Stern erreicht haben, der von den Syndiks den Namen Alihi erhalten hatte, richten wir unser Augenmerk auf lange Sprünge, um möglichst schnell möglichst weit vorzudringen, bevor wir umkehren.«

»Die Aliens machen aber auf mich nicht den Eindruck, dass sie uns einen Ausflug in ihr Territorium genehmigen werden«, wandte Commander Neeson ein.

»Wenn wir kämpfen müssen, werden wir das auch tun. Aber unsere eigentliche Aufgabe ist es, auszukundschaften und Informationen zu sammeln. Der Sieg besteht in diesem Fall für uns darin, dass wir so viel wie möglich über die Aliens erfahren und diese Erkenntnisse nach Hause bringen.«

Niemand hatte etwas dagegen einzuwenden. Offenbar hatte der Eifer der Flotte etwas nachgelassen, von einer Schlacht in die nächste ziehen zu wollen, nachdem der Krieg mit den Syndiks vorüber war. Geary sah ihnen allen die Erschöpfung und die Müdigkeit an, er spürte die Gegenwart unzähliger gefallener Freunde und Gefährten. Und doch war es zugleich das einzige Leben, was alle diese Männer und Frauen jemals gekannt hatten. Auch wenn sie noch so kriegsmüde waren, gab es für sie gar nichts anderes. Wandel und Ungewissheit waren für sie in mancher Hinsicht unerträglicher als die Aussicht, schon in der nächsten Schlacht den Tod finden zu können. Sie waren bereit, sich auf einen Wettlauf mit der Zeit einzulassen, um den nächsten Sprungpunkt zu erreichen. Hätte er stattdessen tatsächlich vorgeschlagen, den Rückzug anzutreten und nach einem anderen Weg ins Gebiet der Aliens zu suchen, dann hätten sie das missmutig mitgemacht, weil das nicht das Verhalten der Flotte war, wenn sie einer Herausforderung gegenüberstand. »Vielen Dank, ich werde die Flotte nach und nach beidrehen lassen, damit auch die langsameren Schiffe, vor allem unsere Hilfsschiffe, dem Sprungpunkt am nächsten sind, auf den wir Kurs nehmen werden. Wenn die Flotte beschleunigt, werden die schnelleren Schiffe die langsameren überholen und die Formation in sich umkehren. Innerhalb der nächsten Stunde erhalten Sie alle Ihre exakten Steuerbefehle.«

Nachdem die Offiziere der Flotte sich zurückgezogen hatten, wandte sich Dr. Setin an Geary: »Admiral, ich habe Dr. Shwartz zu diesem Treffen mitgebracht, weil ich fand, dass ihre Theorie auf echten Beobachtungen basiert, nicht auf vorgefassten Vorstellungen. Allerdings gibt es in unserer Gruppe noch zwei andere … Lager. Ich bin überzeugt, dass eines von ihnen diese Reise bereits mit der unverrückbaren Ansicht begonnen hat, diese Aliens seien uns moralisch überlegen und hätten nur mit Gewaltanwendung auf einen Angriff der Menschen reagiert.«

Desjani musste lachen.

»Ich kann Ihnen versichern«, sagte Geary, »dass das bei unseren Begegnungen mit den Aliens bislang nicht der Fall gewesen ist. Aber Sie sprachen von zwei Lagern.«

»Ja. Das andere glaubt, die Aliens sind feindselig und wir werden unweigerlich in einen Kampf auf Leben und Tod mit ihnen verstrickt werden.«

»Haben diese beide Gruppen vor dieser Mission jemals miteinander geredet?«, fragte Desjani.

»Nein«, antwortete Dr. Setin. »Jedenfalls nicht, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ, was meistens der Fall war. Beide Lager haben allerdings jeweils eine eigene Interpretation der bisherigen Beobachtungen, und es ist meine Pflicht, Sie zu bitten, diese Berichte ebenfalls zu lesen.«

»Das geht schon in Ordnung«, erwiderte Geary. »Einer der Fehler, den die Syndiks sich geleistet haben, war der, keine Alternativen zu dem in Erwägung zu ziehen, was sie für die Wahrheit über die Enigma-Rasse hielten. Ich kann diese Berichte auf jeden Fall überfliegen, um festzustellen, ob sie irgendetwas enthalten, was mich zum Nachdenken bringen kann.«

»Oh, vielen Dank.« Dr. Setin sah Geary lange an. »Für einen Mann des Militärs sind Sie äußerst unvoreingenommen.«