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Alle Soldaten behandelten ihn mit steifer Förmlichkeit, da sie zweifellos fürchteten, von mehr als nur einem vorgesetzten Offizier beobachtet zu werden. Dennoch sahen die meisten von ihnen Geary auf eine Weise an, die ihre Gefühle erkennen ließ – und die unterschieden sich nicht von den in Scharen herbeigeeilten Zivilisten, auch wenn sie sich natürlich deutlich disziplinierter und verschlossener gaben.

Geary passierte einen Kontrollpunkt nach dem anderen, und soweit er das beurteilen konnte, war bislang alles ruhig geblieben. Allerdings befand er sich inzwischen so tief im Inneren der Station, dass er nicht wusste, ob er hier überhaupt irgendetwas wahrnehmen würde. Die Tatsache, dass er auf dem Weg von einem Kontrollpunkt zum nächsten keiner Menschenseele begegnete, hatte etwas Unheimliches an sich, so als würde er sich auf einer Station in einem unbedeutenden Sternensystem befinden, das vom Hypernet übergangen und von seinen wenigen Bewohnern verlassen worden war. Nachdem er wochenlang versucht hatte, Menschenansammlungen aller Art aus dem Weg zu gehen, wünschte er sich jetzt, wenigstens den einen oder anderen Menschen zu sehen.

Nach insgesamt sieben Kontrollpunkten wurde Geary dann endlich zu einem Konferenzraum geführt, der nur in der Hinsicht auffiel, dass die Symbole auf der geöffneten Tür ihn als extrem sicheres, versiegeltes Abteil kennzeichneten, das gegen jeden Ausspähversuch von außen garantiert so gut geschützt war, wie es nur irgend ging. »Wie dicht ist dieser Konferenzraum?«, fragte er die Angehörigen des Spezialkommandos, das die letzte, innerste Sicherheitsebene bildete. Ihn interessierte, welche Fortschritte die Sicherheitstechnologie in den letzten hundert Jahren gemacht hatte, doch dann fiel ihm ein, wie viele Male Victoria Rione ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt hatte, dass sich mit der richtigen Ausrüstung und Software so ziemlich jede Sicherheitsbarriere überwinden ließ.

Der Major, der die Einheit befehligte, schien einen Moment verblüfft darüber zu sein, von Geary persönlich angesprochen zu werden, dann aber bekam er sich wieder in den Griff. »Absolut dicht, Admiral Geary. Laut den Spezifikationen dieser Systeme sind sogar die Lebenserhaltungssysteme in sich selbst geschlossen. Sobald die Luke versiegelt ist, sind Sie so vollkommen vom Universum ringsum abgeschlossen, wie es menschliche Technologie bewerkstelligen kann. Nichts gelangt hinein oder hinaus. Es sind sogar erst vor Kurzem Störsender auf Quantenebene installiert worden, obwohl bislang noch niemand auf dieser Ebene Spionage betreiben kann.«

Zumindest kein Mensch, ergänzte Geary im Geiste. Immerhin hatten die Politiker demnach bislang geheim gehalten, dass die Aliens in der Lage waren, Quantenwürmer in die Betriebssysteme der Allianz-Schiffe einzuschleusen. »Beeindruckend«, sagte Geary. »Und wie verfährt der Raum mit der Wärme, die von den Menschen und von der Ausrüstung abgestrahlt wird, wenn er so perfekt versiegelt ist?«

Der Major sah einen Lieutenant an, der sich wiederum an einen Sergeant wandte. Der antwortete im knappen Tonfall eines Senior-Unteroffiziers, der Offizieren etwas erklärte, was sie eigentlich längst wissen sollten: »Die Wärme, die sich im Raum ansammelt, kann nicht nach außen geleitet werden, Sir. Sie sammelt sich an und kann etwas umgewälzt werden, wird aber nach spätestens zwei Stunden zu einem ernst zu nehmenden Problem, wenn drei oder mehr darin befindliche Personen persönliche elektronische Geräte bedienen.«

»Wird das ein Problem darstellen, Admiral?«, erkundigte sich der Major.

»Keineswegs«, sagte Geary. »Augenblicklich muss ich einige Dinge so schnell wie möglich erledigen, und davon abgesehen gefällt mir der Gedanke, dass ein Konferenzraum nicht endlos lang genutzt werden kann.«

Der Major zögerte, als sei er sich nicht sicher, was er sagen durfte und was nicht, aber schließlich grinste er: »So einen Konferenzraum habe ich mir schon mehr als einmal gewünscht, Admiral.«

Die Soldaten gingen in Wachhaltung, während Geary an der Luke anklopfte, sie öffnete und eintrat.

Sein Blick erfasste als Erstes das vertraute Gesicht von Senator Navarro, der sich von seinem Platz erhob, um Geary zu begrüßen. Neben ihm befand sich ein anderer Politiker des Großen Rats, jener rätselhafte Senator Sakai, der die Flotte auf ihrem Feldzug begleitet hatte, mit dem dem Krieg das Ende bereitet worden war. Dabei hatte er jene Ratsmitglieder repräsentiert, die Geary das geringste Vertrauen von allen entgegenbrachten. Wie sehr hatte diese Erfahrung den Senator davon überzeugen können, dass Geary keine Bedrohung für die Allianz darstellte? Auf der anderen Seite von Navarro saß Senatorin Suva, eine schmale, zierliche Frau, von der er wusste, dass sie ebenfalls dem Rat angehörte. Sie misstraute dem Militär im gleichen Ausmaß, mit dem das Militär den Politikern begegnete.

Drei Senatoren, kein Militär. Der Raum war sogar noch kleiner als der Konferenzraum an Bord der Dauntless, und angesichts der strengen Sicherheitsvorkehrungen konnte er nicht einmal über die virtuelle Konferenztechnologie verfügen, die es einer Vielzahl von weiteren Personen ermöglicht hätte, an der Besprechung teilzunehmen, ohne dabei körperlich anwesend sein zu müssen. An einer Seite zeigte ein Display das Sternensystem und die Verteilung der militärischen Einheiten, aber das Bild war statisch und erhielt deutlich erkennbar keine aktualisierten Daten von draußen. Geary salutierte und musste sich dabei zwingen, seine Ungeduld zu bändigen. »Senator Navarro, ich …«

Mit einem höflichen Lächeln auf den Lippen unterbrach Navarro ihn: »Willkommen zurück, Admiral. Es gibt …«

»Senator«, unterbrach Geary ihn. »Etwas Wichtiges hat sich ereignet.« Ihm entging weder der Argwohn nicht, der sich plötzlich in Navarros Augen abzeichnete, noch die abrupt versteifte Körperhaltung. Er konnte fast die Gedanken des Mannes hören: Jetzt ist es soweit, jetzt reißt er die Kontrolle an sich! »Ich möchte nicht unhöflich sein, Sir, aber etwas von extremer Dringlichkeit ist vorgefallen, und ich muss Sie bitten, diese Angelegenheit vor allem anderen zu behandeln.«

»Was ist denn so dringlich, Admiral?«, wollte Sakai wissen, dessen Miene und Tonfall nichts über seine Gefühle verrieten.

»Als ich auf dem Weg zu diesem Treffen war, hat die Flotte eine Nachricht erhalten, wonach mehr als hundert befehlshabende Offiziere sich vor einem Kriegsgericht verantworten müssen. Sie sollen sofort ihr Kommando abgeben, bis über die Vorwürfe entschieden ist.«

So wie zuvor Timbale machten auch die drei Senatoren einen verdutzten Eindruck, dennoch ließ sich nicht erkennen, inwieweit sie ihm nur etwas vorspielten. Navarro schüttelte den Kopf, aber sein Tonfall blieb verhalten: »Wie lauten die Anklagen? Was wirft man diesen Offizieren vor?«

»Werden diese Offiziere angeklagt, weil sie versucht oder geplant haben, gegen rechtmäßige Autoritäten vorzugehen?«, wollte Suva wissen, die keinen Hehl aus ihrem Misstrauen machte.

»Nein, Madam Senatorin«, antwortete Geary. »Ihnen wird nicht vorgeworfen, sich gegen die Regierung verschworen zu haben. Die Anklage lautet, dass sie die Brennstoffvorräte ihrer Schiffe zu weit haben absinken lassen.« Es kostete ihn Mühe, bei diesen Worten die Beherrschung zu wahren.

»Zu geringe Brennstoffvorräte?«, wiederholte Navarro nach einer langen Denkpause, als habe er sich gefragt, ob Geary sie auf den Arm nehmen wollte. »Ist das Ihr Ernst? Ich erinnere mich, wie mir gesagt wurde, dass die Vorräte der Flotte bei ihrer Ankunft im Varandal-System extrem gering waren und dass einige Schiffe während der Schlacht diese restlichen Vorräte vollständig aufbrauchten.«