»Wenn wir genügend Steine auf die richtigen Trossen abfeuern …«, fuhr Vitali stur fort.
»Rund um das Portal sind Verteidigungsanlagen aktiv. Die müssen nur einen einzigen unserer Steine ein klein wenig aus der Bahn bringen, und schon ist unsere Planung hinfällig.«
»Vielleicht«, warf Charban ein, »sollten wir ein paar Stellen auf ihrer Welt bombardieren, um ihnen zu zeigen, wozu wir in der Lage sind …«
»Das hat schon bei den Syndiks nicht funktioniert«, unterbrach Badaya ihn. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber im Gegensatz zu diesen Enigmas sind die Syndiks richtiggehend vernünftig. Wenn wir die Syndiks nicht zum Einlenken bringen konnten, wird es uns bei diesen Aliens erst recht nicht gelingen.«
»Da kann ich nur zustimmen«, sagte Duellos.
»Das muss uns aber nicht davon abhalten zurückzuschlagen«, warf Desjani ein. »Bombardieren wir ein paar von ihren Städten. Sie haben uns Grund genug für einen Vergeltungsschlag geliefert. Wir können ihnen zeigen, dass sie nicht einfach davonlaufen können, wenn sie uns angegriffen haben.«
Charban zögerte. »Ein von hier aus gestartetes Bombardement können sie früh genug sehen, um die Bevölkerung zu evakuieren. Wir können damit unsere Fähigkeiten auf eine Weise demonstrieren, die sich von ihnen nicht ignorieren lässt, aber gleichzeitig vermeiden wir einen Vergeltungsschlag von deren Seite, weil wir zivile Opfer verhindern.«
Dr. Shwartz und Dr. Setin waren zu dieser Konferenz eingeladen worden, und es war Shwartz, die nun zögerlich das Wort ergriff: »Wir wissen nicht, ob die Enigmas so wie wir zwischen Militär und Zivilbevölkerung unterscheiden. Möglicherweise ist ihnen ein solches Konzept völlig fremd.«
»Laut den Syndik-Unterlagen«, meldete sich erneut Duellos zu Wort, »haben die in dieser Region etliche Schiff verloren, bevor sie überhaupt begriffen, dass es die Enigmas gibt. Viele von diesen Schiffen waren nur leicht oder sogar überhaupt nicht bewaffnet. Falls die Aliens zwischen Militär und Zivilbevölkerung unterscheiden können, machen sie zumindest keinen Unterschied darin, auf wen sie das Feuer eröffnen.« Alle sahen sie zu Geary, der nachdenklich den Kopf nach vorn gebeugt hatte und schließlich nickte. »Ja. Wir werden ihnen noch eine Nachricht schicken und ihnen abermals erklären, dass wir an einer friedlichen Koexistenz interessiert sind. Falls sie dann immer noch die Konfrontation und den Krieg suchen, sollen sie beides bekommen. Ich sehe keine andere Möglichkeit.«
Das anschließende Schweigen wurde vom Captain der Victorious unterbrochen. »Beerdigen wir unsere Toten hier? Schicken wir sie in diesen Stern?«
»Nein«, beharrte Vitali sofort.
Geary nickte abermals. »Ich bin Captain Vitalis Meinung. Das Risiko ist zu groß, dass die Reise unserer geehrten Toten zu diesem Stern von den Aliens gestört wird. Auf den Sturmtransportern finden sich Räume für die vorübergehende Unterbringung von Gefallenen. Wir bringen unsere Toten dorthin und warten, bis wir ein System finden, in dem wir sie ohne Risiko bestatten können. Captain Smythe, wie lange noch, bis alle vier beschädigten Schlachtkreuzer wieder gefechtsbereit sind?«
Smythe kratzte sich nachdenklich am Hals. »Keiner der Schlachtkreuzer wird in Bestzustand sein, aber geben Sie mir noch drei Tage, dann funktionieren die Waffen wieder, die Löcher in den Außenhüllen sind geflickt und die Schilde haben ihre alte Leistungsfähigkeit zurück.«
Desjani rechnete etwas aus, dann sagte sie: »Ein von hier gestartetes Bombardement benötigt einundsechzig Stunden, bis es den Planeten mit den Enigma-Städten erreicht.«
»Also gut«, sagte Geary. »Wir beginnen die Bombardierung innerhalb der nächsten Stunde, begleitet von der Nachricht, dass dies nur ein Vorgeschmack auf das ist, was eine wirklich wütende Menschheit zu leisten imstande ist. Das wird den Aliens genügend Zeit geben, um auf eine andere Weise als nur wieder mit einem Angriff zu reagieren. Und wir haben genug Zeit, um mit anzusehen, wie die Steine einschlagen, und das Ergebnis zu bewerten, bevor unsere Reparaturarbeiten abgeschlossen sind und wir nach Laka springen.«
Die meisten Offiziere zogen sich schnell zurück, als die Konferenz zu Ende war, lediglich Smythe blieb noch lange genug, um Desjani anzusehen und den Kopf zu schütteln. »Da mache ich mir die Mühe und rüste Ihre Schiffssysteme auf, und Sie lassen einen Großteil der Ausrüstung zerschießen, noch bevor ich mit meiner Arbeit fertig bin.«
»Ich versuche nur, Ihren Ingenieuren etwas zu tun zu geben«, gab sie zurück und ließ den ersten Hauch eines Lächelns erkennen, seit sie so viele Crewmitglieder verloren hatte.
»Ich weiß Ihre Anstrengungen zu schätzen, aber ich möchte den Admiral wissen lassen, dass eine der Höllenspeer-Batterien an Bord der Dauntless nicht durch den Beschuss ausgefallen ist. Jedenfalls nicht unmittelbar. Einer der Verteilerknoten, der sie mit Energie versorgt, hat versagt.«
»Alter?«, fragte Geary.
»Alter und Belastung«, bestätigte Smythe. »Ich kann unserer Ausrüstung nicht das Meditieren beibringen, darum arbeite ich daran, sie zu verjüngen.«
Charban saß da und starrte vor sich auf den Tisch, nachdem Smythe gegangen war. »Wenn sie doch nur mit uns reden würden. Das ist so sinnlos. Krieg ist immer sinnlos, aber wir wissen ja nicht mal, wieso sie eigentlich so feindselig sind. Glauben Sie nicht, dass ich die Einstellung Ihres Captain Vitali nicht nachvollziehen kann. Ich habe zu meiner Zeit viele von meinen Leuten verloren.«
Dann stand er auf und ging nach draußen. Etwas an der Art, wie er sich bewegte, ließ Charban mit einem Mal viel älter wirken.
Desjani sah zu Rione, die immer noch an ihrem Platz saß, und stand mit den Worten auf: »Ich muss eine Bombardierung planen, Admiral.«
»Danke. Nehmen Sie ungefähr die Hälfte der Städte auf dem Planeten unter Beschuss.«
»Die Hälfte?« Sie lächelte wieder, diesmal auf eine wilde Art. »Ich dachte, Sie würden mir nur ein Viertel geben.«
Nachdem sie gegangen war, saß Geary da und wartete, dass Rione zu reden begann. Nach einer scheinbaren Ewigkeit sah sie ihn endlich an. »Ich weiß, dass Worte wie ›es hätte schlimmer kommen können‹ in einem Moment wie diesem nur einen schwachen Trost darstellen. Aber sie treffen auch zu. Sie könnten den Verlust Ihrer halben Flotte beklagen, verbunden mit Tausenden von Toten.«
»Ich weiß.« Geary lehnte sich nach hinten und versuchte den dumpfen Schmerz zu verdrängen, den die erlittenen Verluste ihm bereiteten. »Wenn wir nicht so schnell reagiert hätten, wären jetzt vermutlich die meisten Hilfsschiffe nichts weiter als Wracks, was diese Flotte in eine sehr unangenehme Lage bringen würde. War das die Absicht, Madam Gesandte?«
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Ich glaube doch. Ich wünschte nur, ich hätte eine Ahnung, warum Sie sich bereit erklärt haben könnten, bei dem Ganzen mitzumachen.«
»Sie wissen, dass ich schon immer bereit war, mich aus den richtigen Gründen zu opfern.« Mit diesen Worten erhob Rione sich von ihrem Platz und verließ ebenfalls den Konferenzraum.
Vier Stunden später stand Geary in Habachthaltung da, er trug seine beste Uniform. Neben ihm befand sich Captain Desjani, ähnlich gekleidet, in gleicher Haltung. Daneben standen Matrosen und Marines der Dauntless in zwei Reihen unmittelbar vor einer Luke. Von der Luke, die nach außen ins All führte, verlief ein unter Druck gesetzter Verbindungsschlauch bis hin zur Typhoon. Jeder von ihnen trug ein Armband, das einen breiten goldenen Balken zeigte, gefolgt von einem schwarzen und einem weiteren goldenen Balken. Es symbolisierte, dass die Nacht nur ein Intervall zwischen dem Licht war.
Geary hob den Arm zum Salut, als der erste von neunundzwanzig versiegelten Leichenbehältnissen von weiteren Crewmitgliedern an ihm vorbeigetragen wurde, die mit bedächtigen Schritten ihren Weg zurücklegten. Die sterblichen Überreste der anderen Opfer folgten und wurden zwischen den in Reih und Glied stehenden Kameraden hindurch zur Luke gebracht, um von dort zur Typhoon getragen zu werden, wo sie in speziellen Räumen untergebracht wurden, die allein für diesen traurigen Zweck bestimmt waren.