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Normale Fracht wurde einfach durch das All von Schiff zu Schiff geschickt, doch so ging die Flotte nicht mit ihren Toten um.

Nachdem das letzte Behältnis die Reise zur Typhoon angetreten hatte und außer Sichtweite war, ließ Geary den Arm sinken. Desjani folgte seinem Beispiel, dann wandte sie sich an die Ehrengarde. »Ich danke Ihnen. Wegtreten.«

Alle verließen den Bereich vor der Luke, um wieder ihre normale Uniform anzuziehen und um zu ihrer Arbeit zurückzukehren, die niemals getan war und die nur dann eine Pause einlegte, wenn die Tradition es erforderte.

Die Tage, die für die Durchführung der Reparaturen notwendig waren, vergingen recht schnell. Geary fiel auf, dass die Crewmitglieder, die sich über die Aliens unterhielten, zunehmend wütend wirkten. Auch die Wachhabenden auf der Brücke trugen einen Gesichtsausdruck zur Schau, als würden sie Waffen auf ein Ziel richten, das sie tot sehen wollten. Verstanden die Enigmas, wie sich ihr Verhalten auf die Gefühle der Menschen ihnen gegenüber auswirkte? Kalixa war verheerend gewesen, aber diese Todesfälle hier hatten etwas Persönliches. Hier ging es um Männer und Frauen, die Freunde und Kameraden gewesen waren, und je mehr Zeit verstrich, umso eher schienen die Besatzungen bereit, den Enigmas mit Gewaltanwendung zu begegnen, anstatt weitere vergebliche Versuche zu unternehmen, mit ihnen einen Dialog zu beginnen.

»Wir haben eine weitere Nachricht von der Enigma-Rasse erhalten«, ließ Rione ihn wissen. »Möchten Sie sie sehen?«

»Hat sie was Neues zu bieten?«, fragte Geary.

»Nein. Der gleiche Avatar, die gleiche falsche Brücke, der gleiche Text. Wenn wir den Enigmas die Formulierungen ›Gehen Sie weg‹ und ›Sie werden sterben‹ verbieten würden, hätten sie uns so gut wie gar nichts mehr zu sagen.«

Charban verzog den Mund. »Sie nehmen nichts von dem zur Kenntnis, was wir sagen oder was hier geschieht. Es ist so, als würde man gegen eine Wand reden.«

Geary konnte sich ein finsteres Lächeln nicht verkneifen, als er auf sein Display zeigte. Die vor Tagen abgefeuerten Geschosse tauchten nun endlich in die Atmosphäre des zweiten Planeten ein. »Wir sind im Begriff, diese Wand einzureißen. Ob es etwas bewirkt, weiß ich nicht, aber wenigstens werden wir alle uns ein bisschen besser fühlen. Und vielleicht werden die Enigmas ja begreifen, was sie sich mit ihrem Verhalten einhandeln.«

»Wenn sie den Menschen in irgendeiner Weise ähnlich sind, dann könnte es einen Hoffnungsschimmer geben. Glauben Sie, sie haben die Städte evakuiert?«, fragte Rione.

»Wir haben keine Ahnung. Diese verschwommenen Flächen lassen einfach keine Details erkennen.«

»Sind Sie sich sicher, dass das nicht auch von irgendwelchen Enigma-Würmern verursacht wird?«, wollte Charban wissen.

Desjani schüttelte den Kopf. »Falls aber doch, dann sind das Würmer, die nach einem völlig anderen Prinzip arbeiten. Wir haben Leute darauf angesetzt, jede Möglichkeit zu untersuchen; vor allem die, die unmöglich zu sein scheinen. Aber niemand hat bislang etwas gefunden. Unsere Techniker glauben einhellig, dass es sich um eine echte Interferenz handelt, die in unmittelbarer Nähe der Objekte erzeugt wird, die wir beobachten wollen.«

Charban nickte und senkte den Blick. »Mich würde auch wundern, wenn es diesmal Würmer wären. Immerhin ist es den Enigmas ja ebenso nicht gelungen, ihre Schiffe vor uns unsichtbar zu machen, als wir hier eintrafen.« Er stand auf und wandte sich zum Gehen.

»Wollen Sie nicht die Bombardierung miterleben?«, fragte Desjani ihn.

Der General schüttelte den Kopf, ohne sie anzusehen. »Ich habe schon zu viele Städte sterben sehen, Captain Desjani.«

Sie schloss die Augen und öffnete sie erst wieder, als Charban gegangen war. Sie drehte sich zu Geary um: »Wir sind also wieder an dem Punkt angekommen, an dem wir Städte bombardieren.«

»Sie hatten Zeit genug für eine Evakuierung«, gab Geary zurück.

»Ich weiß. Diesmal hatten sie genügend Zeit. Aber was ist nächstes Mal?«

»Dazu werde ich es gar nicht erst kommen lassen.«

»Mögen unsere Vorfahren uns vergeben, dass wir wieder so tief gesunken sind, ganz gleich wie sehr die uns auch provoziert haben«, sprach Desjani leise.

Die Stimmung auf der Brücke war nicht ausgelassen, sondern betrübt, als sie die mit Zeitverzögerung eintreffenden Bilder sahen. Als die Bomben den Planeten erreichten, war der fünfeinhalb Lichtstunden von dem Sprungpunkt entfernt, an dem sich die Allianz-Flotte aufhielt. Das Licht der Geschehnisse war fünfeinhalb Stunden lang unterwegs gewesen, und jetzt sahen sie, wie die kinetischen Projektile in die Atmosphäre eintauchten und vom Himmel gerast kamen, um alles in Trümmer zu verwandeln – Wohnhäuser, Büros, Fabriken. Aber besaßen die Enigmas überhaupt Dinge von der Art, wie Menschen sie begriffen?

Lieutenant Iger meldete sich und erklärte ernst: »Was immer sie auch benutzen, um die Bilder verschwommen zu zeigen, es hat die Bombardierung überlebt. Wir können zwar bestätigen, dass diese Gebiete getroffen wurden, aber mehr lässt sich nicht sagen.«

»Okay.« Geary überprüfte ein letztes Mal den Status der Reparaturarbeiten. Selbst an Bord der am schlimmsten betroffenen Daring hatte man auch noch die letzten Systeme wieder zusammengeflickt, und das Schiff war einsatzbereit. »Machen wir, dass wir von hier wegkommen.«

Zwölf

Das Laka-Sternensystem war im wahrsten Sinn des Wortes so gut wie leer. Weiße Zwerge neigten nicht dazu, sich mit einer Vielzahl von Planeten zu umgeben, und Laka verfügte nur über einen winzigen zerschundenen Felsbrocken, der sich in einem dichten Orbit um den Stern bewegte. Es war sogar anzunehmen, dass der unbedeutende Planet vor Jahrmillionen das System durchflogen hatte und dabei von der Anziehungskraft des Sterns erfasst worden war. Von den Aliens war hier nichts zu entdecken, doch nach Pele wollte niemand die Hand dafür ins Feuer legen, dass sich hier tatsächlich niemand aufhielt. »Viele Möglichkeiten um sich zu verstecken gibt es nicht«, stellte Desjani fest.

Geary sah sich den Weg zu einem Sprungpunkt an, der einen langen Sprung bis tief ins Gebiet der Aliens erlaubte. Der Stern, der diesmal ihr Ziel darstellte, hatte von den Syndiks nie einen offiziellen Namen erhalten. Das zeigte deutlich, dass sie an die wahren Grenzen der menschlichen Erkundung in diesem Teil der Galaxis gestoßen waren. »Das dürfte vermutlich ein seit Langem von den Enigmas besiedeltes Sternensystem sein«, warnte Geary seine Offiziere. »Man könnte uns dort also erwarten. Alle Waffensysteme sind so zu schalten, dass sie automatisch auf jede Bedrohung feuern, die uns dort bei unserer Ankunft erwartet.« Es war ein riskantes Unterfangen, weil der Austritt aus dem Sprungraum manchmal sogar die Gefechtssysteme von Schiffen verwirren konnte, sodass die ein eigenes Schiff für einen Gegner hielten und das Feuer eröffneten. Es war nur zu hoffen, dass das völlig andere Erscheinungsbild der Alien-Schiffe diese Gefahr deutlich minimierte.

Nachdem die Flotte wieder in den Sprungraum übergewechselt war, saß Geary in seinem Quartier und starrte betrübt vor sich hin, weil die Mission bislang so enttäuschend verlaufen war. Trotz allem, was mit den Aliens geschehen war, trotz aller Rückschläge war er immer noch der Ansicht, dass eine Chance bestand, die Aliens zur Vernunft zu bringen und einen Dialog zu beginnen, selbst wenn der nur darin bestünde, dass sie ihre Bereitschaft erklärten, Seite an Seite mit der Menschheit zu koexistieren. Sie mussten sich ja nicht zu einer freundlichen Haltung durchringen, solange sie nur ihre Feindseligkeit aufgaben.