Desjani saß ein wenig in sich zusammengesunken da und starrte finster auf ihr Display. »Jede andere Schlachtkreuzerdivision fliegt mit.«
»Die Eingreiftruppe muss stark genug sein, um mit diesen Alien-Kriegsschiffen zurechtzukommen, sollten die versuchen, um den Frachter zu kämpfen. Die Adrift bleibt bei uns.«
»Ha-ha. Sie sind mir was schuldig.«
»Ich setze es auf die Liste zu den anderen Dingen.«
Badaya ließ keine Zeit verstreichen. Die Schiffe Inspire, Formidable, Brilliant, Implacable, Leviathan, Dragon, Steadfast, Valiant, Illustrious, Incredible und Invincible scherten aus der Formation aus, die Leichten Kreuzer und Zerstörer machten einen Satz zur Seite, um sich um sie zu scharen.
Unerwartet kam Rione nach vorn und beugte sich zu Geary vor. »Badaya?«, fragte sie leise.
»Er weiß, was er tut«, erwiderte er genauso leise. »Und er wird von Tulev und Duellos begleitet.«
»Sie sind der Admiral. Allerdings würde ich empfehlen, dass jemand anders die Kommunikation mit den Aliens übernimmt.« Mit diesen Worten kehrte Rione zu ihrem Platz hinter ihm auf der Brücke zurück.
Er drehte sich zu ihr und Charban um. »Hervorragende Idee. Den Enigmas dürfte klar sein, dass unsere Eingreiftruppe unterwegs ist, um den Frachter abzufangen. Außerdem wissen sie, dass wir die Einrichtung auf diesem Mond erreichen wollen. Ich wäre Ihnen beiden dankbar, wenn Sie eine Nachricht an die Enigmas senden und ihnen sagen, dass wir trotz ihres bislang feindseligen Verhaltens nicht beabsichtigen, irgendwem auf diesem Frachter etwas zu tun, solange niemand uns zur Gegenwehr zwingt.«
»Wieder mal«, murmelte Desjani, dann sah sie auf ihr Display. »Das ist ja eigenartig.«
»Was ist eigenartig?«, erkundigte sich Geary.
»Die Beschleunigung dieses Frachters. Etwas kam mir seltsam vor, und jetzt weiß ich, was es ist. Wir haben ja festgestellt, dass ihre Kriegsschiffe eine höhere Leistungsfähigkeit zu besitzen scheinen als unsere Schiffe. Und es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass ein Frachter über den gleichen Antrieb verfügt wie ein militärisches Fahrzeug. Doch die Beschleunigungsfähigkeit dieses Frachters liegt ziemlich nah an den Werten unserer Frachter. Wenn sie einen militärischen Antrieb bauen können, der mehr leistet als unsere Kriegsschiffe, warum können sie dann nicht einen Frachterantrieb bauen, der ebenfalls leistungsfähiger ist als die Antriebsaggregate unserer Frachtschiffe?«
Er richtete den Blick auf den voraussichtlichen Vektor des Alien-Frachtschiffs. »Das ist eine gute Frage. Dieser Antrieb ist nicht im Mindesten besser. Vielleicht erhalten wir ja eine Antwort, wenn wir den Frachter geentert haben.«
Sie schnaubte verächtlich. »Sie sollten besser sagen ›falls wir den Frachter entern können‹.«
Charban hatte Rione dabei geholfen, eine Nachricht an die Aliens zu senden, nun kam er nach vorn und stellte sich neben Gearys Platz. »Mir ist da etwas durch den Kopf gegangen, Admiral.«
»Ihnen auch?«
»Die Alien-Kriegsschiffe hätten die Bombardierung dieser Einrichtung beginnen können, sobald sie wussten, wohin wir wollen. Das haben sie aber nicht gemacht. Wieso? Sie sind davon besessen, ihre Privatsphäre zu wahren, und jetzt auf einmal sollen sie nichts dagegen einzuwenden haben, dass wir uns auf diesem Mond umsehen?«
Zum ersten Mal reagierte Desjani mit einer respektvollen Miene auf etwas, das der Gesandte gesagt hatte. »Die haben uns eine Falle gestellt?«
»Ich wäre sehr, sehr vorsichtig, was eine Einheit angeht, die sich da unten umsehen soll, Admiral«, sagte Charban, nickte Desjani zu und zog sich wieder zurück.
Danach gab es für sie alle nichts weiter zu tun als der Eingreiftruppe dabei zuzusehen, wie sie sich dem Frachter näherte, und abzuwarten, wie die Enigma-Kriegsschiffe darauf reagieren würden. Einige Stunden verstrichen. Die Flotte näherte sich der Einrichtung auf dem Mond des Gasriesen, während der Frachter langsam, aber zielstrebig ins innere Sternensystem vordrang. Die Eingreiftruppe entfernte sich rasch vom Rest der Flotte, da sie beschleunigte, um den Frachter einzuholen. Nur die Alien-Kriegsschiffe blieben wie zuvor eine Lichtstunde hinter dem Hauptteil der Allianz-Flotte. »Die tun überhaupt nichts?«, polterte Geary und konnte nicht anders, als daraus eine Frage zu formulieren, weil es völlig dem bisherigen Verhalten der Enigmas widersprach.
»Ihnen muss klar sein, dass die Eingreiftruppe es auf den Frachter abgesehen hat«, bestätigte Desjani. »Eine Reaktion darauf hätten wir längst zu sehen bekommen. Aber sie halten unverändert ihre relative Position zu uns.«
»Ob sie auf Befehle warten?«
»Wenn ich das wüsste, Sir. Aber bei Überlicht-Kommunikation sollten sie längst irgendwelche Befehle erhalten haben, selbst wenn die zuständige vorgesetzte Stelle auf einem der inneren Planeten zu finden ist.«
Die Eingreiftruppe würde noch zwanzig Stunden benötigen, um den Frachter einzuholen. Danach sollte es weitere fünf Stunden dauern, ehe die Flotte den Mond erreichte. Geary betätigte seine Komm-Kontrolle. »An alle Schiffe: Sorgen Sie dafür, dass Ihre Besatzungen die Gelegenheit bekommen, sich auszuruhen und etwas zu essen.« In Situationen wie dieser fiel es einem ungeheuer schwer, sich zu entspannen, auch wenn es noch einen ganzen Tag dauern würde, ehe überhaupt irgendetwas geschehen konnte. Selbst wenn die Verfolger beschleunigen sollten, würden immer noch Stunden vergehen, ehe sie überhaupt in Gefechtsreichweite kommen konnten. Einer der größten Fehler, der einem unter diesen Umständen unterlaufen konnte, bestand darin dazusitzen, angespannt und einsatzbereit zu sein, nur um von Müdigkeit und Hunger heimgesucht zu werden, während man auf dem Display die Schiffe beobachtete, wie sie näher kamen, dabei in Wahrheit aber noch durch gewaltige Entfernungen voneinander getrennt waren.
»Ich werde mir was zu essen holen und mich dann eine Weile hinlegen«, sagte Geary zu Desjani.
Sie nickte bestätigend. »Ich lasse meine Crew über die normalen Schichten rotieren. In Kürze werde ich ebenfalls eine Pause einlegen.«
Entgegen seiner erklärten Absicht unternahm Geary wieder einmal einen seiner langen Spaziergänge durch die Korridore des Schiffs, da er sich noch nicht müde genug fühlte, um sich schlafen zu legen. Unterwegs nahm er sich immer wieder Zeit, um mit dem einen oder anderen Besatzungsmitglied ein Gespräch zu führen. Alle machten einen entspannteren Eindruck, da nun die Aussicht näher rückte, enger an den Feind heranzukommen. Zugleich war aber auch jeder einzelne enttäuscht, weil die Dauntless nicht die Eingreiftruppe anführte, die den Frachter abzufangen hatte.
In einem Abteil der Offiziersmesse nahm er eine Mahlzeit zu sich, und kam mit weiteren Matrosen ins Gespräch. Die meisten stammten von Kosatka, was ganz der gegenwärtigen Absicht der Flotte entsprach, eine Schiffscrew größtenteils mit Männern und Frauen von einer einzelnen Welt zu besetzen. Als er sie etwas von ihrer Welt erzählen hörte, da kam es Geary so vor, als sei dieser Planet auch sein Zuhause. Aus einem unerfindlichen Grund war er ihnen dafür dankbar. Er war auf Glenlyon aufgewachsen, aber der Gedanke an die Heldenverehrung, die ihm dort noch mehr als auf jedem anderen Planeten begegnen würde, ließ ihm diese Welt fast genauso fremd erscheinen wie das Sternensystem Limbo.