»Können Sie etwas dazu sagen, was diese Kreaturen essen?«
»Nein. Bis auf ein paar Fetzen war der Verdauungstrakt komplett herausgerissen. Es kann ein Fleischfresser sein, ein Vegetarier, ein Allesfresser.«
»Ist von den Fingern etwas übrig, um zu bestimmen, ob diese Aliens Fingernägel oder Krallen haben?«
»Ein Finger war ausreichend erhalten. Er läuft an der Spitze in einer verhärteten Struktur aus, eine Art konischer Fingernagel.«
»Damit ließe sich Beute töten oder aber Gemüse aus dem Boden ausgraben«, erläuterte Shwartz.
Commander Lomand von der Titan hatte aufmerksam zugehört und gab nun ein Zeichen, dass er gehört werden wollte. »Sir, Sie sprachen von Kiemen. Sind Sie sich sicher, dass diese Wesen in der Lage sind, unter Wasser zu atmen?«
»Ja«, erwiderte der Chirurg und nickte dabei nachdrücklich.
»Wir haben etwas von der Umgebung sehen können, in der sie leben«, warf Dr. Setin ein. »Ihre Städte reichen vom Land bis ins Wasser, sie sind nicht auf eine von beiden Seiten beschränkt. Wasser ist eine erstaunliche Substanz, müssen Sie wissen. Unglaublich nützlich. Sauerstoff ist eine starke Kraftstoffquelle, daher überrascht es uns nicht, dass wir eine andere hoch entwickelte Spezies sehen, die sich ebenfalls dieser Quelle bedient. Und Kohlenstoff ist extrem flexibel. Das alles ist praktisch maßgeschneidert für komplexe Lebensformen. Die meisten höher entwickelten Lebensformen, auf die wir bislang gestoßen sind, basieren auf Kohlenstoff und sind Sauerstoffatmer.«
Commander Lomand tippte eilig etwas ein, dann gab er einen zufriedenen Laut von sich. »Ich habe eine vorläufige Berechnung durchgeführt, Admiral, und die Werte von einigen Ingenieuren an Bord der Titan überprüfen lassen, die sich mit Schiffsdesign auskennen. Wir haben bekanntlich beobachten können, dass die Kriegsschiffe der Aliens schneller beschleunigen und manövrieren können als unsere. Wenn diese Schiffe nicht mit Sauerstoff, sondern mit Wasser gefüllt sind, dann würde das die Auswirkung der Beschleunigungskräfte auf ihre Körper ganz erheblich dämpfen und so die Arbeit der Trägheitsdämpfer unterstützen.«
»So erheblich, dass sich damit die Manöver erklären lassen, die wir gesehen haben?«, wollte Commander Neeson wissen.
»Ja, wenn diese Kriegsschiffe über eine erheblich größere Antriebseinheit verfügen als vergleichbare Kriegsschiffe unserer Flotte.«
»Es gibt keine Hinweise darauf, dass das auch der Fall ist«, wandte Badaya ein.
»Doch, die gibt es«, widersprach Lomand. »Nämlich die Gewalt der Explosionen, die die Kriegsschiffe der Aliens zerrissen haben. Das kann auf einen effizienteren Antrieb hindeuten oder aber auf einen Antrieb, der nach den gleichen Prinzipien funktioniert wie unserer, aber erheblich größer ist.«
Daraufhin meldete sich Smythe zu Wort und redete sehr bedächtig, da er keinen seiner Offiziere vor den anderen Anwesenden blamieren wollte. »Wir haben aber keine Werte bei den Alien-Kriegsschiffen festgestellt, die auf eine größere Antriebseinheit schließen lassen, oder?«
»Nein, Sir. Aber wenn das Schiff mit Wasser gefüllt sein sollte, würde dieses Wasser die von der Antriebseinheit ausgehende Strahlung zusätzlich isolieren, damit die Besatzung vor den Emissionen schützen und uns daran hindern, von außen die wahre Größe der Antriebseinheit zu bestimmen.«
Einen Moment lang lauschte Captain Smythe jemandem auf der Tanuki, der ihm etwas sagte, dann nickte er. »Ich kann Commander Lomants Berechnungen bestätigen. Die Wucht der Explosionen, die wir beobachten konnten, lässt sich mit Antriebseinheiten erklären, die deutlich größer sind als das, was wir in unsere Schiffe einbauen.«
»Aber Wasser wiegt mehr als eine Atmosphäre«, wandte Tulev ein. »Wirkt sich das nicht negativ auf die Manövrierbarkeit aus?«
»Ja, wenn der Schiffsrumpf bestimmte Ausmaße erreicht. Wenn die Hülle in ihren Dimensionen nur um ein kleines Stück wächst, erhöht sich das Volumen ganz erheblich – und damit auch die benötigte Wassermenge.«
»Keine Schlachtschiffe«, merkte Desjani an. »Darum haben sie keine Schiffe, die größer als ein Kreuzer sind.«
Neeson schaute nachdenklich drein, während er sich mit irgendetwas beschäftigte. »Selbst wenn das Wasser die Strahlung isoliert, können so große Antriebseinheiten auf Dauer für die Crew nicht gesund sein.«
»Möglicherweise machen ihnen die Emissionen nicht so viel aus«, überlegte Smythe und sah den Chirurgen an, der nur mit den Schultern zuckte, um ihm zu verstehen zu geben, dass er darauf keine Antwort wusste.
»Es ist wohl eher anzunehmen, dass ihnen die Gesundheit ihrer Besatzungsmitglieder nicht sonderlich am Herzen liegt«, meinte Captain Vitali.
Mit überspitzter Diplomatie in seinem Tonfall sprach Dr. Setin: »Die Enigma-Rasse hat ohne jeden Zweifel ein hohes Maß an Bereitschaft gezeigt, Individuen für das Wohl der Rasse zu opfern. Admiral Geary hat meine Gruppe gebeten, eine Einschätzung abzugeben, was unserer Ansicht nach geschehen würde, wenn diese Flotte versucht, sich einer anderen Anlage oder einem Planeten zu nähern, um mehr über die Enigma-Rasse herauszufinden. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass ein solcher Versuch die Enigma-Rasse sehr wahrscheinlich dazu veranlassen wird, alles Leben und alle Bauwerke auf einem Planeten auszuradieren, damit nichts übrig bleibt, das uns etwas über diese Spezies verraten könnte.«
»Und wenn sie wüssten, dass wir bereits im Besitz dieser Leiche sind?«, fragte Duellos. »Würde sie das einsehen lassen, dass es sinnlos geworden ist, Massenselbstmord zu begehen, weil wir schon mehr über sie wissen, als ihnen recht sein kann?«
»Ich weiß nicht. Es hängt davon ab, welchen Grund es gibt, dass sie so im Verborgenen bleiben wollen. Wenn es sehr tief in ihnen verwurzelt ist, könnte sie die Erkenntnis, dass wir etwas über sie wissen, nur noch gewalttätiger reagieren lassen. Diese Mutmaßung basiert auf dem, was wir aus der menschlichen und der Tierpsychologie wissen. Eine andere Grundlage haben wir nicht.«
»Die sind verrückt«, sagte Badaya und löste damit ringsum zustimmendes Nicken aus.
»Sie sind anders«, korrigierte ihn Dr. Shwartz. »Diese Besessenheit, andere nichts über sie herausfinden zu lassen, kann so tief verwurzelt sein, dass sie sie nicht infrage stellen und nicht von ihr abweichen können, weil es in einer Frühphase ihrer Entwicklung so festgeschrieben wurde. Versuchen Sie, sich einmal vorzustellen, welches Bild Aliens von uns bekommen, wenn sie uns nach unserer ständigen Besessenheit in Sachen Sex beurteilen sollen.«
General Carabali gab ein herablassendes Schnauben von sich. »Menschen sind durchaus in der Lage, für kurze Zeit nicht an Sex zu denken und davon auch nicht ihr Handeln bestimmen zu lassen. Natürlich rede ich da nur von den weiblichen Vertretern der Spezies.«
»Ich habe auch schon mal ein paar Sekunden lang nicht an Sex gedacht«, warf Duellos ein. »Allerdings hat mich das dazu gebracht, meine Männlichkeit infrage zu stellen. Tatsache ist aber, dass dieses Streben der Aliens nach der völligen Wahrung ihrer Privatsphäre übermächtig genug ist, um dafür sogar ihr Leben zu geben. Und um dafür zu töten. Über andere Aspekte dieser Enigmas können wir lang und breit spekulieren, aber es gibt keinen Zweifel daran, dass zumindest diese Erkenntnis feststeht.«
»Apropos Motivation«, warf Jane Geary ein. »Hat irgendjemand eine Erklärung dafür, wieso dieses eine Alien versucht hat, der Vernichtung des Frachters zu entkommen?«