»Indem Sie das Kommando Badaya übertragen?«
»Badaya ist kein Dummkopf, und er weiß, dass Tulev genug Autorität besitzt, um ihm das Kommando streitig zu machen, wenn er vom Kurs abkommt. Badaya weiß auch, dass er ohne mich nicht darauf hoffen kann, die Allianz zu kontrollieren. Sind Sie hergekommen, um mit mir über Politik zu reden?«
Sie sah ihm in die Augen. »Lassen Sie die Flotte jetzt umkehren?«
»Nein. Erst sehen wir uns noch in ein paar Systemen um, danach machen wir kehrt.«
Ein behutsames Nicken war ihre erste Reaktion. »Ich muss Sie daran erinnern, dass Sie den Auftrag haben, die Ausdehnung des Enigma-Territoriums herauszufinden.«
»Was Sie hiermit getan haben. Victoria, warum hat man Sie als eine der Gesandten auf diese Mission geschickt?«
Für einen kurzen Moment blitzten ihre so sorgfältig gehüteten Emotionen auf. »Ich habe mich freiwillig gemeldet, nachdem man mir ein Angebot gemacht hatte, das ich nicht ablehnen konnte. Vielleicht hätte ich es abgelehnt, aber ich wusste nicht, wen sie stattdessen mitgeschickt hätten.«
»Wussten Sie, dass Ihr Mann bei Dunai festgehalten wurde?«
»Nein. Ich wusste, dass es ein Arbeitslager für VIPs war, aber Paol ist nur Commander.«
»Ein Commander, der mit der Co-Präsidentin der Callas-Republik verheiratet ist.«
Sie zuckte mit den Schultern und zog sich hinter ihren undurchdringlichen Panzer zurück. »Daran hätte ich eigentlich denken sollen. Diese Leute, die wir jetzt gerettet haben … Was werden Sie mit ihnen machen?«
»Wir werden alles tun, um gut auf sie aufzupassen. Aber sie sind freie Menschen, und letztlich entscheiden sie, was sie machen wollen.«
»Welche Abmachung haben Sie mit CEO Iceni getroffen, damit sie Ihnen die Unterlagen für diesen Mechanismus überlässt, mit dem der Zusammenbruch von Hypernet-Portalen verhindert werden kann?«
Die Frage überraschte ihn, weil er davon ausgegangen war, dass Rione die Antwort darauf schon längst gefunden hatte. »Ich lasse den Eindruck zu, dass ich nichts gegen sie unternehmen werde. Sie plant, sich von den Syndikatwelten loszusagen. Schon ein Glücksfall, dass die Syndiks dieses Gerät entwickelt haben, nicht wahr? Ohne das Hypernet der Syndiks wäre das eine sehr lange Reise geworden«, fuhr er fort, wobei er diese Anspielung ganz gezielt einbaute, um Riones Reaktion zu sehen.
»Ja, das wäre tatsächlich eine sehr lange Reise geworden.« Wieder nickte sie, dann stand sie auf. »Noch ein paar Systeme mehr, Admiral? Es könnte verlockend sein, noch etwas weiter vorzudringen.«
Ihre Haltung vermittelte Geary, dass sie es für einen Fehler hielt. Und doch hinderte irgendetwas sie daran, das auszusprechen. »Ich verstehe. Wir haben die Route für sieben weitere Sternensysteme geplant, weiter als bis zum siebten wird es nicht gehen.«
Vierzehn
Von Tartarus sprang die Flotte nach Hades, wo sie auf ein weiteres Hypernet-Portal stieß. Da dies die Frage aufwarf, ob sie womöglich das andere Ende des von den Enigmas beanspruchten Gebiets erreicht hatten, unternahmen sie einen weiteren Sprung nach Perdition. Dort war von den Enigmas nur wenig zu sehen, aber auch da gab es ein Hypernet-Portal. Ein Sprung vom gleichen Sprungpunkt, diesmal aber in einer Seitwärtsbewegung, brachte sie nach Gehenna, einem anscheinend recht wohlhabenden Sternensystem, das aber über kein Portal verfügte. »Sind wir irgendwie tiefer ins Enigma-Gebiet zurückgekehrt?«, überlegte Desjani, denn auch der nächste Sprung nach Inferno brachte sie in ein weiteres, seit langem besiedeltes System ohne Hypernet-Portal.
Bei jedem Sprung schlossen sich ihnen mehr und mehr Kriegsschiffe der Aliens an, die wie zuvor in gebührlichem Abstand der Flotte folgten. Mittlerweile war diese Armada bereits auf über sechzig Schiffe angewachsen.
Zwei weitere Sterne folgten, beide mit Hypernet-Portal. Die Flotte unternahm einmal mehr einen riskanten Spurt zum nächsten Sprungpunkt und gelangte zu einem Stern, der ebenfalls über ein Portal verfügte.
»Warum sollten wir noch weiter vordringen?«, wollte Armus wissen.
Geary deutete auf das Sternendisplay. »Wir sind nahe dem Punkt, an dem wir umkehren werden. Auf jeden Stern, den wir angeflogen sind, kommen im Durchschnitt drei oder vier, die wir übersprungen haben. Das vermittelt uns ein Bild von der Stärke der Enigmas, trotzdem reden sie noch immer nicht mit uns. Und wir können einfach nicht mehr über sie herausfinden, weil sie uns jedes Mal zuvorkommen, indem sie alles vernichten und jeden umbringen, der uns etwas verraten könnte.«
»Sie sagen das, als wäre das eine schlechte Sache«, murrte Captain Vitali, und fast jeder nickte zustimmend. Die Wut über die Gefallenen hatte noch zugenommen, nachdem sich herumgesprochen hatte, in welcher Verfassung sich die Menschen befanden, die von der Enigma-Rasse gefangen gehalten worden waren.
»Unser Auftrag lautet nicht, sie zu töten, auch wenn uns bislang viele von ihnen zum Opfer gefallen sind.« Geary zeigte auf einen Stern. »Das da ist unser nächstes Ziel. Es ist ein langer Sprung bis dahin. Wir werden sehen, was wir dort vorfinden. Danach machen wir kehrt, aber nicht auf dem Weg, den wir gekommen sind, sondern auf einer anderen Route, um diesem Rudel Kriegsschiffe zu entgehen, das uns auf Schritt und Tritt verfolgt. Wenn wir ihr Gebiet verlassen und sie erkennen können, dass wir uns in ihrem Territorium bewegt haben, ohne sie auslöschen zu wollen und ohne weiter in ihre Privatsphäre einzudringen, werden sie vielleicht in Erwägung ziehen, doch mit uns zu reden und eine feste Grenze zu akzeptieren.«
Dr. Shwartz seufzte frustriert. »Diese Grenze. Warum interessiert es sie nicht, dass wir mit ihnen über den Grenzverlauf reden wollen? Bei Ihren Gesprächen mit den Enigmas im Midway-System haben sie immer wieder betont, dass ihnen Midway ebenso gehört wie einige andere Sterne und dass wir kein Recht haben, uns dort aufzuhalten. Wenn sie schon in diesen Bahnen denken, sollten sie doch auch auf die Idee kommen, dass sie mit uns über einen von beiden Seiten akzeptierten Grenzverlauf reden können, der ihnen das Recht an den Sternensystemen garantiert, die sie nun für sich beanspruchen?«
»Es ist ein Widerspruch«, meinte Duellos. »Aber nur einer von vielen.«
Charban sah Shwartz an, als wollte er etwas sagen, was ihm soeben durch den Kopf gegangen war, aber schließlich versank er wieder in seinen Überlegungen.
»Wenn die mir eine Sache erklären sollten«, warf Badaya ein, »dann die, nach welchem Prinzip die ihre Hypernet-Portale verteilen. Dieser Gedanke, dass sie Superminen sind, die als letztes Abwehrmittel gegen Eroberer zum Einsatz kommen sollen, klang bei den ersten Portalen noch nach der überzeugendsten Erklärung. Aber was sollen dann diese Portale in den inneren Systemen? Und warum stoßen wir in Systemen in Folge auf sie, und dann klaffen wieder Lücken über Systeme hinweg?«
Commander Neeson meldete sich zu Wort: »Ich hätte eine Idee … oder besser gesagt: eine mögliche Erklärung.« Er deutete auf das Display. »Wenn wir es so betrachten, nämlich als dreidimensionale Darstellung, durch die sich unsere Route schlängelt, dann ist Captain Badayas Aussage zutreffend. Es scheint kein einheitliches System für die Verteilung der Portale zu geben. Aber es geht gar nicht nur um die Portale. Die Verteidigungsanlagen von Sternensystemen mit Hypernet-Portal sind ebenfalls wesentlich besser als in anderen Systemen. Ich habe versucht, das zu analysieren, indem ich die Daten in eine andere Form gebracht habe.« Die dreidimensionale Sternenlandschaft wich einer schlichten zweidimensionalen Grafik.
»Die X-Achse gibt die Entfernung an, die wir im Enigma-Gebiet zurückgelegt haben, die Y-Achse steht für das Maß an Verteidigungsanlagen im jeweiligen System. Die ersten Sternensysteme waren wie von uns erwartet massiv gerüstet. Das hier ist ihre Grenze zur Menschheit.« Neeson zeigte auf Spitzen in der Linie, die sich durch das Koordinatennetz zog. »Dann lässt die Verteidigungsfähigkeit nach, auch damit haben wir gerechnet. Die Aliens können es sich so wenig wie wir leisten, jedes Sternensystem maximal zu befestigen, also liegt der Schwerpunkt ihrer Verteidigung an den Grenzen.«