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Als Thornhill, La Floquet und das Mädchen die Bergkuppe erreichten, hatte der Aldebaraner sie schon gesehen, und er funkelte ihnen kalt entgegen. Das Gewitter war hinter den Bergen verschwunden, langsam zogen wieder weiße Wolken am Himmel über dem Tal auf.

Der Aldebaraner war, wie jeder Angehörige seiner Rasse, ein mittelgroßer Mann mit einem freundlichen Äußeren. Seine Haut war grau, er besaß unter dem Kinn und unter den Ohren recht dicke Fettpolster. Seine Augen waren dunkel, und in seinem Mund blitzten leicht gebogene Schneidezähne auf, wenn er lächelte. In seinen Gliedern besaß er zusätzliche Gelenke.

»Wenigstens bin ich nicht allein«, bemerkte der Fremde in akzentfreiem Standard-Terranisch, als sie sich ihm näherten. »Mir war klar, daß das Leben hier nicht so weitergehen würde wie es bisher verlaufen ist.«

»Sie irren«, sagte La Floquet. »Das ist eine Illusion, unter der alle Neuankömmlinge leiden. Sie haben hier nicht Ihr ganzes Leben verbracht, müssen Sie wissen.«

Der Aldebaraner lächelte. »Das überrascht mich. Aber vielleicht möchten Sie mir das erklären.«

La Floquet erklärte es ihm. In erschreckend kurzer Zeit hatte der Fremde die Natur dieses Tales und seine Stellung darin begriffen. Thornhill beobachtete ihn kalt: die Geschwindigkeit, mit der der Aldebaraner alle Illusionen von sich warf und die Realität akzeptierte, war unangenehm hoch.

Gemeinsam kehrten sie zu den restlichen Gruppenmitgliedern am Flußufer zurück. Thornhill begann Hunger zu verspüren — er war bereits länger als vier Stunden in diesem Tal. »Wie kommen wir an etwas zu essen?« fragte er.

»Es fällt dreimal am Tag etwas vom Himmel«, sagte La Floquet. »Mann, verstehen Sie. Der Wächter kümmert sich sehr um uns. Sie kamen hier während unseres nachmittäglichen Mannaregens an, waren aber noch in Ihren Illusionen gefangen, während wir hier unten aßen. Jetzt ist eigentlich bald der dritte Regen fällig.«

Die rote Sonne war jetzt fast untergegangen und alles schimmerte in einem gespenstischen blauen Dämmerlicht. Thornhill kannte sich mit Sonnen so gut aus, daß ihm klar geworden war, daß die große rote Sonne kurz vor ihrem Kollaps stand; ihre gigantische Masse gab in Relation dazu zu wenig Licht ab. Die blaue Sonne strahlte intensiv, aber da sie weiter entfernt war, war man vor Strahlenschäden geschützt. Wie diese beiden Himmelskörper sich zusammengefunden hatten, konnte man nur mutmaßen — vermutlich waren sie sich vor Äonen begegnet.

Langsam senkten sich weiße Flocken herab. Kaum hatten sie es bemerkt, streckte der klobige Spicaner seinen Körper in die Höhe, sah Thornhill zu, wie der Regulaner eilig auf die herabschwebenden Flocken zulief. McKay regte sich plötzlich, Vellers, der größte unter ihnen, stand langsam auf. Nur Thornhill und der Aldebaraner schauten zweifelnd drein.

»Essenszeit«, verkündete La Floquet freudig. Er unterstrich seine Feststellung mit einer schnellen Armbewegung, mit der er sich eine dieser seltsamen Flocken aus der Luft griff und in den Mund steckte.

Alle anderen waren, wie Thornhill sehen konnte, ebenfalls damit beschäftigt, Nahrung aufzufangen, bevor sie den Boden berührte. Die Tiere dieses Tales erschienen — die fetten, träge wirkenden Wiederkäuer, die terrierartigen Hunde, die katzenähnlichen Geschöpfe. Eifrig verschlangen sie das Manna vom Boden.

Thornhill griff sich ein Stück des seltsamen Stoffes, als es vor seinem Gesicht herabschwebte. Nachdem er es prüfend berochen hatte, biß er zögernd ein Stück ab und kaute langsam darauf herum.

Es war, als kaute er Watte — abgesehen davon, daß diese Watte einen scharfen, weinähnlichen Geschmack besaß. Fast augenblicklich verschwand das leise Ziehen in seinem Magen. Thornhill fragte sich, wie ein solch substanzloser Stoff wohl nahrhaft sein konnte, dann vergaß er solche Fragen, griff sich eine zweite Portion, eine dritte.

Als der Nahrungsregen schließlich aufhörte, fühlte Thornhill sich gesättigt. Mit ausgebreiteten Beinen lag er am Boden, den Kopf auf einen Stein aufgestützt.

Ihm gegenüber saß McKay. Der dürre, blasse Mann lächelte. »Soviel habe ich seit Jahren nicht mehr gegessen«, sagte er. »Hatte nie viel Appetit. Aber jetzt…«

»Woher kommen Sie?« fragte Thornhill dazwischen.

»Eigentlich von der Erde. Dann lebte ich auf dem Mars, als mein Herz begann, mir Schwierigkeiten zu machen. Man glaubte, daß die niedrige Gravitation mir helfen würde, und das geschah auch. Ich bin Professor für mittelalterliche terranische Geschichte. Ich wollte sagen, ich war es. Ich war aus gesundheitlichen Gründen von meiner Arbeit entbunden, bis ich hierher kam.« Er lächelte selbstgefällig. »Ich fühle mich hier wie neugeboren, wissen Sie? Wenn ich nur ein paar Bücher bekommen könnte…«

»Hören Sie auf«, grummelte Vellers. »Sie würden am liebsten für immer hier bleiben, nicht wahr?«

Der große Mann lag in der Nähe des Flußufers und starrte düster auf den Fluß hinaus.

»Natürlich würde ich das«, gab McKay keifend zur Antwort. »Und Miß Hardin würde es auch gern, möchte ich wetten.«

»Wenn wir Sie beide hier allein zurücklassen könnten, wären Sie sicher glücklich«, meldete sich La Floquet. »Aber das geht nicht. Entweder bleiben wir alle hier oder wir müssen alle fort.«

Es schien, als würde der Streit den ganzen Abend lang weitergehen. Thornhill wandte sich ab. Die drei Fremdwesen hatten sich so weit wie möglich auseinander gelegt, wie ihm schien; der Spicaner lag in horizontaler Stellung und wirkte dadurch wie ein großer aufgeblasener Ballon, der sich irgendwie zur Ruhe gelegt hatte; der kleine Regulaner brütete in einiger Entfernung vor sich hin und fingerte dabei gedankenverloren an seinem Halslappen herum. Der Aldebaraner saß ihm gegenüber und hörte sich stumm jedes Wort der Unterhaltung an, lächelte dabei wie ein kleiner dicker Buddha.

Thornhill stand auf, beugte sich zu Marga Fallis hinunter und fragte: »Möchten Sie mit mir Spazierengehen?«

Die Frau zögerte einen Augenblick. »Sehr gern«, sagte sie dann.

Sie standen am Ufer des Flusses und schauten dem eilig dahinströmenden Wasser nach, beobachteten goldene Fische, die mit offenen Mäulern durch das Wasser huschten. Dann lenkten sie ihre Schritte flußaufwärts, hinüber zu einer Bodenerhebung, die zu den Hügeln hinaufführte, die wiederum am Fuß der beiden mächtigen Bergspitzen lagen.

Thornhill sagte: »Dieser La Floquet — er ist schon komisch, nicht wahr? Wie ein Kampfhahn führt er sich auf, springt herum und will sich streiten.«

»Ein dynamischer Mann«, stimmte Marga ruhig zu.

»Sie und er, Sie waren die ersten hier, nicht wahr? Es muß doch seltsam gewesen sein: nur Sie beide in diesem kleinen Eden, bis dann ein dritter erschien.« Thornhill fragte sich, warum er sich nach solchen Dingen erkundigte. War es Eifersucht?

»Wir waren nur sehr kurze Zeit allein. McKay kam kurz nach mir an, dann der Spicaner. Der Wächter hat seine Sammlung sehr schnell durchgeführt.«

»Sammlung«, wiederholte Thornhill. »Genau das sind wir: Musterexemplare, die eingesammelt und in dieses Tal geschafft wurden, wie man kleine Echsen in ein Terrarium setzt. Und dieser Wächter — er ist auch ein fremdartiges Wesen, vermute ich.« Er schaute hinauf zum Sternenlosen Himmel, der immer noch taghell war. »Keiner weiß, was es zwischen den Sternen noch alles gibt. Seit fünfhundert Jahren betreiben wir Raumfahrt, und immer noch haben wir nicht alles gesehen oder erforscht.«

Marga lächelte. Sie nahm Thornhill an der Hand, und gemeinsam gingen sie weiter hinein zwischen die niedrigen Büsche vor ihnen. Keiner sagte ein Wort. Schließlich unterbrach Thornhill das Schweigen.

»Sie sagten, Sie waren Astronomin, Marga?«

»Nicht direkt.« Ihre Stimme klang sanft und war doch kräftig und deutlich — Thornhill mochte sie. »Ich arbeite im Observatorium von Bellatrix VII, aber nur als Assistentin. Natürlich habe ich ein Examen in Astronomie gemacht, aber dort war ich wirklich nur als Gehilfin angestellt.«