Die Orcs liefen zwischen die Tiere und schlugen auf Ross und Reiter gleichermaßen ein. Dadurch torkelten einige Pferde und stürzten auf die Fußsoldaten der Allianz. Ihre Streitmacht war groß, aber nichts verglichen mit den Klans, die Grom mitgebracht hatte. Und die Orcs hatten das Überraschungs-moment und die Entschlossenheit auf ihrer Seite.
Die Menschen kämpften tapfer. Das gestand Grom ihnen zu. Und einige besaßen Talent im Umgang mit den Waffen. Aber sie waren nicht so groß wie die Orcs und schwächer. Er stellte fest, dass es leicht war, einen menschlichen Krieger durch bloße Körperkraft zu überwältigen und ihn selbst durch dieses merkwürdige Metallhemd hindurch, das sie trugen, aufzuschlitzen.
Für eine hübsche Weile gab er sich dem Blutrausch hin, hackte und metzelte wild, machte sich keine Sorgen, vergoss Blut und genoss den Geruch des Todes und die Schreie der Verwundeten.
Wie großartig es war, wieder ohne Sorge und Schuldgefühl töten zu können!
Kein verwandter Orc fiel unter Blutschreis Schlag, nur die rosahäutigen Menschen, einer nach dem anderen, und ihre Angst und ihr Gebrüll waren berau-schend.
Das Blut pulsierte in seinen Adern, sein Blick hatte merkwürdige Farben an den Rändern, und er rang nach Atem, aber Grom hatte sich nie lebendiger gefühlt.
Gut. Das war einfach gut. Die Kämpfe ebbten allmählich ab, und er sah sich um. Überall lagen menschliche Leichen herum. Dutzende, ihre Augen noch aufgerissen, Angst in die Gesichter eingegraben. Das Blut strömte noch...
Grom furchte die Stirn. Der Blutrausch schwand. Ja, es waren Dutzende Leichen, aber der Mensch, der ihm aufgefallen war, jener mit der goldenen Brustplatte... wo war er?
Er knurrte und schüttelte seinen schwarzen Kopf. Er wollte den Blutrausch zurückzwingen, sodass er sich wieder auf seine Instinkte als Kämpfer verlassen konnte. Die Rufe und den Jubel der Krieger ignorierend, rannte Grom zum Rand des Tals. Dort blieb er stehen und lauschte. Ja, er konnte definitiv Hufschlag hören, jemand bewegte sich schnell. Einer hatte überlebt und war weggeritten.
Zurück zur Festung.
Als er zum Schlachtfeld zurückkehrte, erblickte Grom Blutschatten. Er fasste ihn am Arm und rief: „Einer ist entkommen. Ich glaube, es ist ihr Anführer. Er ist unterwegs zur Festung.“
Blutschatten nickte. „Folge ihm“, antwortete er brüllend, damit Grom ihn über den Lärm hinweg hören konnte. „Und halte die Streitkräfte der Allianz in der Festung beschäftigt. Wir müssen die Artefakte holen. Wir sollten in ein paar Tagen zurück sein.“
Grom nickte. „Mach dir keine Sorgen“, versprach er. „Ich erfülle meine Pflicht. Tu du dasselbe.“
Der Todesritter lachte und wandte sich ohne weitere Antwort ab. Er streckte seine gepanzerte Hand aus. Ein Blitz aus Finsternis explodierte und tötete zwei Reiter und deren Pferde.
Grom biss die Zähne zusammen. Er mochte Blutschatten und all die Todesritter nicht. Sie hatten ihre Leben bereits gelebt und waren von den Toten zurückgekehrt, gefangen in menschlichen Körpern. Wie konnte man solch widernatürlichen Kreaturen trauen?
Aber Ner’zhul hatte Blutschattens Plan gutgeheißen, deshalb musste Grom ihn befolgen. Er hoffte nur, dass der Todesritter recht behielt und diese merkwürdigen Gegenstände, die sie so verbissen suchten, Ner’zhul und sein Volk tatsächlich retten würden.
In der Zwischenzeit hatte er Befehle, die er nur zu gern befolgte. „Eine Handvoll von euch bleibt hier“, sagte er seinen Kriegern. „Der Rest und die anderen Klans folgen mir.“ Er lächelte und hob Blutschrei hoch. „Wir müssen eine Festung einnehmen!“
7
Muradin Bronzebart, der Bruder von König Magni und Botschafter im Menschenreich von Lordaeron, schritt die Korridore des königlichen Palastes hinab. „All diese Ecken, Kurven, Kanten und Windungen“, murmelte der Zwerg.
Wenn er sich recht erinnerte, befand sich die Wendeltreppe, die ihn zu den Privatgemächern des Königs und den Balkonen führen würde, hier irgendwo. Er meinte, sich zu entsinnen, dass, wenn er durch die Rüstungshalle ging und...
„He!“
Muradin zuckte zusammen, obwohl er erkannte, dass es die Stimme eines Kindes war, die gerufen hatte. Sein Lächeln wurde von seinem dichten, buschigen Bart verdeckt, als er um die Ecke linste und den kleinen Prinz Arthas sah, der vor einer Rüstung auf einem kleinen Podest stand. Der Prinz war zwölf Jahre alt, ein ansehnliches Kerlchen, das gern lachte, goldene Locken und rosige Wangen hatte.
Obwohl – augenblicklich schaute Prinz Arthas eher ernst. Sein Holzschwert zielte auf die Kehle der „gegnerischen Rüstung.“
„Glaubst du, du könntest einfach hier durchspazieren, du abscheulicher Orc?“ schrie Arthas. „Du befindest dich auf dem Boden der Allianz! Dieses Mal lasse ich noch Gnade walten. Aber verschwinde und komm niemals wieder!“
Obwohl Muradin hungrig und spät dran war, beobachtete er das Schauspiel und lächelte. Für so etwas hatten sie gekämpft. Er, Magni, sein Bruder Brann und die Menschen Lothar – Friede seiner Asche! – und Turalyon. Sie hatten zusammen gekämpft, um Eisenschmiede am Ende des Zweiten Krieges zu retten. Dann waren Muradin und Brann mit den Menschen zum Dunklen Portal gezogen, um mitzuerleben, wie es zerstört wurde. Sie hatten die Schwachen schützen und ihnen allen eine Zukunft ermöglichen wollen.
Arthas versteifte sich. „Wie? Du willst nicht gehen? Ich wollte dir eine faire Chance geben, aber jetzt... jetzt kämpfe!“
Mit einem wilden Schrei stürmte der kleine Prinz vor. Er war schlau genug, die antike Rüstung nicht tatsächlich anzugreifen, was ohne Zweifel das Missfallen seines Vaters erregt hätte. Stattdessen attackierte er seinen imaginären Feind mit angetäuschten Hieben.
Muradins Lächeln erlosch. Was war das denn? Wer in aller Welt bildete den Jungen aus? Wie offen und unkontrolliert seine eigene Deckung war! Und der Waffengriff... ach, falsch, alles völlig ungeschickt!
Er runzelte finster die Stirn, als Arthas nach einem kräftigen Schlag durch die Luft sein Schwert verlor und es durch den Raum flog, um schließlich laut scheppernd zu Boden zu gehen.
Arthas holte Luft und sah sich um, um festzustellen, ob er die Aufmerksamkeit von jemandem erregt hatte. Seine Wangen wurden rot, als er Muradins Blick bemerkte.
„Oh... Herr Botschafter... Ich habe gerade...“
Muradin hüstelte und war mindestens so verlegen, wie Arthas es umgekehrt war. „Ich suche deinen Vater, Junge. Kannst du mir sagen, wo ich da hinmuss? Dieser teuflische Ort hat zu viele Gänge und Windungen.“
Arthas wies auf eine Treppe zu seiner Linken. Muradin nickte und hastete die Wendeltreppe hinauf, bemüht, schnell wegzukommen.
Er traf gerade rechtzeitig ein, um Thoras Trollbann brüllen zu hören, was, wie er vermutete, kaum etwas Außergewöhnliches war.
„Handel treiben? Mit euch? Ihr verdammten Sympathisanten der Horde!“
Was ging hier vor? Muradin sprang auf den Balkon und erwartete... nun, er war sich nicht sicher, was genau er erwartete, aber sicherlich kein kleines, grünes Wesen mit großen, fledermausähnlichen Ohren und riesigen Augen, die voller Furcht waren. Es war völlig haarlos und trug Hosen, ein weißes Hemd mit Weste und ein Monokel, das heftig an der Kette baumelte, die an seinem Körper befestigt war.
„Nein, nein, nein, nein!“, japste die grüne Kreatur mit kreischender Stimme und fuchtelte wild mit den Händen. Sie stand auf Augenhöhe mit dem Frühstückstisch, an dem Trollbann und König Terenas saßen, und spielte mit dem Monokel. „Ihr habt mich falsch verstanden! So ist das doch gar nicht!“
„Wirklich nicht, Krix?“ Die Milde, mit der Terenas sprach, verriet Muradin, dass keine echte Gefahr drohte. Der König nahm sich ein Stück Brot und bestrich es mit Butter.