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Sie bewegten sich völlig ungedeckt durch die Berge und achteten darauf, dass die in der Nähe postierten Orc-Wachen sie deutlich sehen konnten. Blutschatten wollte den Eindruck vermeiden, dass sie sich heimlich anschlichen oder gar einen Überfall planten.

Schließlich erreichten sie die Spitze. Die Steine waren von der Hitze aufgeplatzt, und Lava strömte wie ein glühender Fluss durch die natürlichen Kanäle. Die trutzige Burg war aus jenem glasartigen Stein errichtet worden, der dem Ort seinen Namen gab. Blutschatten erinnerte sich an die tragischen Ereignisse. Hier hatte Schicksalshammer seine Basis errichtet, und hier hatten die Häuptlinge Blutschatten und die anderen Todesritter den versammelten Klans vorgestellt. Und es war hier unten gewesen, im Tal am Fuß der Berge, wo Schicksalshammer gegen Lothar, den Anführer der Allianz, gekämpft und gewonnen hatte – aber nur, um dann von Turalyon, Lothars Stellvertreter, besiegt zu werden. Sieg und Niederlage lagen an diesem Ort eng beieinander.

Er verdrängte die Erinnerung. Dafür war jetzt keine Zeit. Viel wichtiger war die Gegenwart und das eigene Vorankommen.

Mit einer Geste signalisierte er der Gruppe, am Eingang stehen zu bleiben. Augenblicklich erschienen vier bewaffnete Wachen, groß und kräftig, die aussahen, als warteten sie nur darauf anzugreifen.

„Wir wollen mit Schwarzfausts Söhnen sprechen. Sagt ihnen, Teron Blutschatten hat Neuigkeiten und will ihnen ein Angebot machen.“ Er trat vor und schob die Kapuze von seinem Kopf.

Die Wachen erbleichten. Eine flüsterte der anderen etwas zu. Der zweite Orc lauschte, verneigte sich und verschwand in der Dunkelheit. Kurz darauf war er schon wieder zurück. Der Kommandant hörte ihm zu, dann wandte er sich Blutschatten und seiner Gruppe zu.

„Bleibt zusammen“, ermahnte er sie und führte sie in die Burg.

Blutschatten folgte ihm tief in das Herz der Berge. Seine leuchtend roten Augen nahmen alles auf. Die Burg wurde stark genutzt. Er bemerkte andere Orcs, die offensichtlich beschäftigt waren. Alle blieben stehen und starrten sie an, überrascht, Todesritter auf der Schwarzfelsspitze anzutreffen. Doch keiner wagte, etwas zu sagen.

Schließlich erreichten sie den großen Raum, den Blutschatten noch als Schicksalshammers Thronsaal gekannt hatte. Die Gestalt, die jetzt auf dem massigen, aus Fels gehauenen schwarzen Sitz saß, war kleiner als der berühmte Kriegshäuptling und wirkte durch die groben Gesichtszüge und die ungekämmte braune Mähne plumper. Medaillen und Knochen hingen an Nase, Ohren, der Stirn und im Haar. Ihre Rüstung war kunstvoll verziert, genauso wie das riesige, rasiermesserscharfe Schwert.

„Rend“, sagte Blutschatten und blieb exakt außerhalb der Reichweite des Schwertes stehen.

„Blutschatten“, antwortete Rend Schwarzfaust, Mithäuptling des Schwarzfelsklans. Sein hässliches Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, das es noch hässlicher machte. Er rutschte herum und schob ein Bein über die Armlehne des Throns. „Gut, gut, gut. Was willst du hier, toter Mann?“

„Genau“, sagte eine schrillere Stimme. Blutschatten sah zu Rends Bruder Maim, der ein wenig hinter dem Thron hockte. Er war halb in den Schatten verborgen. „Du wagst dich den langen Weg hierher, nur um uns zu besuchen?“

„Das Dunkle Portal wurde wieder geöffnet“, begann Blutschatten, doch Rend schnaubte nur. „Das habe ich in meinen Träumen gesehen“, sagte der Orc-Häuptling. „Ich wusste, dass ein Hexenmeister dahintersteckt.“ Er runzelte die breite Stirn. „Was ist damit?“

Blutschatten schaute finster. Das Gespräch lief nicht wie erhofft. „Ner’zhul führt die Horde jetzt an“, sagte er. „Ich soll dich und den Schwarzfelsklan zurückholen. Wir brauchen auch den Drachenmalklan und die roten Echsen.“

Rend sah Maim an, und beide Brüder lachten. „Nach zwei Jahren, in denen nichts geschehen ist, wagst du dich hierher, in meine Burg, mit einer Handvoll frischer Orc-Krieger und erwartest, dass ich begeistert vor einem alten Schamanen auf die Knie falle? Und dann wollt ihr nicht nur meine Krieger, sondern auch meine Drachen?“ Er lachte erneut, obwohl seine Augen wütend blitzten. „Auf keinen Fall!“

„Du kannst nicht ablehnen“, sagte Blutschatten. „Wir brauchen deine Leute und die Drachen, um unseren Plan auszuführen!“

„Mir ist egal, was du brauchst“, erwiderte Rend kühl. Er stand auf, und Blutschatten erkannte, dass Rend Schwarzfaust trotz seines kindischen Benehmens höchst gefährlich war. „Das ist dein Problem, nicht meins. Mich interessiert nicht, was der alte Ner’zhul plant. Wo war er, als wir gegen die Allianz gekämpft haben? Ich war hier. Wo war er, als Schicksalshammer seinen Kampf verlor? Ich war hier!“

„Ich auch“, sagte Maim.

„Wo war er, als das Portal zerstört wurde und wir hier festsaßen?“, fuhr Rend fort. „Wo war er, als wir zwei Jahre lang gejagt wurden und nur langsam unsere Kräfte regenerieren konnten, indem wir die heimatlosen Orcs aufnahmen? Ich sage dir, wo. Er war sicher und geborgen auf Draenor und hat keinen Finger gerührt, um uns zu helfen!“

Rend zog sein Schwert und schlug es so fest auf die Thronlehne, dass der Stein splitterte. Maim sprang auf, dann lachte er mit einem Anflug von Irrsinn in der Stimme.

„Aber ich war hier! Ich habe diese Orcs wieder zusammengeführt! Ich habe die Horde neu gebildet, nicht auf Draenor, sondern hier auf Azeroth, direkt vor der Nase der Allianz! Ich bin jetzt der Kriegshäuptling, und kein abgetakelter Schamane nimmt mir das wieder weg!“

Blutschatten wollte dem Jungen am liebsten eine Ohrfeige verpassen, ließ es aber bleiben. „Bitte“, zischte er durch gefletschte Zähne. „Bitte, überdenk das noch einmal. Ohne deine Hilfe wird Ner’zhul...“

„... scheitern“, beendete Rend den Satz unhöflich. Maim blickte schadenfroh. „Er hat keine Erfahrung mit echtem Krieg. Er ist kein Taktiker, hat kein Verständnis für den Kampf und keine wirklichen Führungsqualitäten. Die Allianz wird diese nachgemachte Horde zerquetschen, und dann...“ Er grinste. „... werde ich die Scherben aufsammeln. Wir werden alle Überlebenden um uns scharen, Maim und ich, so wie wir es nach dem letzten Krieg auch taten.“

Maim kroch näher, und Rend legte die Hand auf den Kopf seines Bruders, wie bei einem Schoßhund. „Und mit der Horde, der echten Horde, nur größer und mit den Drachen auf unserer Seite und mir als Anführer, werden wir Azeroth erobern.“ Rend grinste Blutschatten an. „Und dann, toter Mann, wirst du mir dienen.“

Hinter Blutschatten versteifte sich Tagar. „Du Feigling!“, brüllte er Rend an. „Verräterischer Hund. Ich prügele dich wie einen Welpen und nehme mir deinen Thron! Dann folgen deine Leute meinen Befehlen und nehmen ihren Platz in der Horde wieder ein!“

„Ach ja?“, antwortete Rend unbeeindruckt. „Du willst mich hier und jetzt angreifen?“ Sein Lächeln wurde breiter, und Blutschatten legte Tagar eine Hand auf die Schulter.

„Seine Wachen sind in der Nähe, und zwar viele“, ermahnte er den Häuptling der Knochenmalmer schnell. „Wenn du ihn angreifst, werden sie dich töten, und dann fehlt uns ein Häuptling.“ Er schüttelte den Kopf. „Jetzt ist nicht die Zeit dafür.“

Tagar murrte, trat aber einen Schritt zurück. Rend wirkte enttäuscht.

„Zum letzten Mal... werdet ihr euch uns anschließen?“, fragte Blutschatten leise.

„Ach, warte, lass mich nachdenken... äh, nein“, antwortete Rend und grinste schmierig.

Maim lachte.