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„Herr Kommandant!“, rief einer im Näherkommen. „Wir haben den Nordflügel gesäubert!“

Turalyon nickte und erwiderte den Gruß der Soldaten. „Gut, ich lasse ein paar Mann hier zurück.“ Er schaute zu Alleria, die ihren Bogen bereit machte. „Der Rest von euch kommt mit mir. Wir durchstreifen die Zitadelle und stellen sicher, dass kein Orc übrig bleibt. Und dann öffnen wir die Tore für die anderen Männer.“

Sie jubelten, und er führte sie von der Brüstung herunter. Es war derselbe Weg, den Khadgar gerade genommen hatte. Nach einem kurzen Wegstück zweigte der Gang ab, und sie stiegen eine schmale Treppe hinab.

Wie Turalyon gehofft hatte, ging es geradewegs ins Herz der Orc-Festung, Und schon wenig später war der Paladin zu beschäftigt damit, Orcs zu bekämpfen, um sich noch Gedanken um Khadgar zu machen.

Khadgar bewegte sich langsam den Gang hinunter. Seine Sinne versuchten, den Bereich vor ihm zu erfassen. Der Oger war noch hier, das wusste er. Aber er schien nichts zu tun. Wirkte keine Sprüche, hielt keine Rituale ab. Er wartete nur.

Wartete auf ihn.

Der Gang endete am Türm, und Khadgar trat ein. Der Raum war groß und merkwürdig geformt. Nicht ganz rund und mit ungleichen Winkeln, als wäre er nicht gebaut, sondern aus dem Stein herausgehauen worden. Am Ende stand ein riesiger Thron, der aus gigantischen Knochen gefertigt schien.

Khadgar schauderte bei dem Gedanken daran, was für ein Tier dafür wohl hatte sterben müssen. Die hohe Rückenlehne erreichte fast die Decke, zu beiden Seiten standen Fackeln.

Aber der Thron war verwaist.

„Mein Meister ist fort“, erklang eine tiefe Stimme, als eine große Gestalt aus den Schatten trat und auf ihn zukam. Khadgar hatte schon früher Oger gesehen, aber das war auf dem Schlachtfeld gewesen, und er hatte sich mit den anderen Magiern in der Nachhut befunden, die aus der sicheren Distanz zuschlug. Das hier war seine erste Begegnung aus der Nähe, und er schluckte, als er aufsah... immer höher aufsah. Der Kopf der Kreatur erreichte beinahe die Decke. Und während seine Gesichtszüge plump wirkten, waren seine tief liegenden Augen voller Intelligenz.

Erst jetzt begriff er, was die Kreatur gesagt hatte und war dankbar für den Ring, der es ihm ermöglichte, sie zu verstehen. „Fort?“

Der Oger grinste, entblößte ein überraschend kleines Gebiss und große Reißzähne. „So ist es“, antwortete er. „Er ist schon vor einiger Zeit gegangen. Im Moment ist er unterwegs, um ein Ritual zu vollziehen, während die Allianz gegen uns kämpft.“ Die Kreatur schaute finster und bleckte die Zähne. „Wir sterben vielleicht, doch unser Tod sichert das Überleben der Horde. Sie wird Welten ohne Ende erobern!“

„Verdammt!“, fluchte Khadgar, als er begriff, was passiert war. Die Orcs hatten sie ausgetrickst! Sie hatten diesen Angriff nur zugelassen, damit Ner’zhul entkommen konnte. „Aber wenn wir schnell genug sind, können wir ihn immer noch einholen“, sagte er.

„Ihr könntet“, stimmte der Oger zu. „Nur musst du zuerst an mir vorbei.“ Er erhob seine Hände, jede davon größer als Khadgars Kopf, und sie begannen in einem Grün zu leuchten, das unter seiner Haut hervorzukommen schien. „Ich bin Dentarg vom Schattenmondklan.“

Dann also ein ehrenhaftes Duell.

„Khadgar von Dalaran“, antwortete Khadgar förmlich. Er erhob seinen Stab, und die Spitze leuchtete hellviolett.

Der Oger vollführte eine unbeholfene Verneigung. Dann griff er an. Die massigen Hände schossen vor, als wollten sie Khadgar zurückstoßen. Grünes Licht strahlte aus ihnen hervor. Es war eine Welle der Energie, die den Menschenmagier einzuhüllen und zu vernichten drohte. Khadgar erhob den Stab und das violette Licht wurde heller. Die grüne Woge teilte sich davor und verpuffte im Nichts.

Als Nächstes war Khadgar an der Reihe. Er wies mit dem Stab auf die Brust des Ogers. Das violette Licht schoss direkt auf das Herz des Ogers zu. Aber Dentarg schlug den Energiestrahl mit seinen Händen weg. Das grüne Licht, das ihn immer noch umgab, schützte den Oger vor jedem Schaden.

„Wir sind uns ebenbürtig“, bemerkte der Oger und schlug die Hände zusammen. Als er sie wieder ausbreitete, entstieg ihnen Finsternis, ein schwarzer Vorhang, der den Raum durchstreifte.

„Vielleicht“, antwortete Khadgar. Er hatte sich nicht bewegt, als die Dunkelheit sich ausbreitete, und binnen Sekunden war er aus der Sicht verschwunden, wie alles andere auch. Dank seiner anderen Sinne konnte Khadgar den Oger aber immer noch aufspüren, und er wusste, dass sein Gegner ihn suchte. Khadgar wartete noch einen Moment unbeweglich, dann schlug er mit dem Stab auf den Boden. Die Schockwelle teilte die Finsternis, brach sie auf, als wäre sie aus geschwärztem Glas, und hinterließ Scherben auf dem Boden.

Der Oger wurde gegen die Wand geworfen. Als Dentarg auf den Boden krachte, war die Erschütterung beinahe so stark wie die ursprüngliche Schockwelle. Der Oger brüllte vor Schmerz.

Khadgar rannte zu ihm hin. Das Licht um seinen Stab wurde heller, bis es ein Strahl hellen Lichts war, zu stark, um noch violett zu sein, obwohl ihm ein Hauch der Farbe weiter anhaftete. Er drückte dem Oger seinen Stab gegen die Kehle und hielt ihn dort fest. Dentarg schrie, sein Fleisch rauchte, wo der Stab es berührte.

Es war kein magischer Angriff, der den Oger rettete, sondern reiner Instinkt. Er hob Khadgar an und stand selber wieder auf. Auf seinem Hals konnte Khadgar eine verkohlte Linie erkennen. Dentarg knurrte, zeigte seine Reißzähne und griff Khadgar mit gesenktem Haupt an. Aber der Menschenmagier trat rasch beiseite und schlug mit dem Stab zu, als der Oger an ihm vorbeistürmte. Dabei schlitzte er ihm den Oberarm auf.

Dentargs Schrei wechselte von Wut zu Schmerz. Grünes Licht stieg wieder von seinen Händen auf, obwohl es hier und da aufflackerte und rote Blitze dazwischenzuckten. Er führte wieder die Hände zusammen und baute die Energie dazwischen auf, bis er eine Kugel reiner Magie erzeugt hatte, die vor Hass nur so zischte. Er warf sie Khadgar zu und legte all seine Kraft hinein.

Khadgar beobachtete die sich schnell nähernde Kugel ruhig. Dann steckte er sein Schwert weg und streckte seine Hand mit der Handfläche nach oben aus. Die Kugel traf die Handfläche, verband sich mit seiner Haut... und verschwand.

Absorbiert, spurlos.

„Danke“, sagte er zu dem erstaunten Oger. „Jetzt geht es mir viel besser.“ Khadgar stampfte mit dem Fuß auf, und erneut erschütterte eine Schockwelle Dentarg. Der Oger fiel auf die Knie und verneigte seinen Kopf. Er wusste, dass ihm sein Gegner überlegen war.

Khadgar ersparte ihm jede weitere Demütigung, zog erneut sein Schwert und schlug mit aller Kraft auf den Hals seines Gegners. Fleisch und Knochen wurden sauber durchtrennt. Als der Kopf des Ogers über den Boden rollte und Blut verspritzte, trat Khadgar zurück.

Einen Moment lang schöpfte er Atem und sah sich im Thronsaal um, obwohl er wusste, dass Dentarg nicht gelogen hatte. Er schaute auf den Leichnam des Ogers und nickte zufrieden, dann lief er zurück, um Turalyon zu finden.

Sie mussten sich beeilen.

„Gute Neuigkeiten!“, rief Turalyon, als er Khadgar wieder erblickte. „Wir haben die Zitadelle erobert!“

„Wir wurden ausgetrickst“, sagte Khadgar ohne Vorrede. „Ner’zhul ist nicht hier. Er ist rechtzeitig vor dem Angriff geflohen. Die Artefakte muss er mitgenommen haben. Ich frage mich, ob er den Schädel auch dabeihat.“

Turalyon schaute ihn an. „Es war alles nur eine Ablenkung?“

„Und wir sind darauf hereingefallen“, bestätigte Khadgar.

Turalyon furchte die Stirn und versuchte, selbst darin noch etwas Gutes zu erkennen. „Trotzdem, das war sicherlich die Hauptstreitmacht ihrer Krieger. Und wir haben sie vernichtet! Wir haben auch die Zitadelle eingenommen. Selbst wenn Ner’zhul nicht hier ist, war das dennoch ihr Hauptquartier, und das gehört jetzt uns. Ihre militärische Macht ist gebrochen.“

„Ja, sie werden keiner anderen Armee mehr gegenübertreten“, sagte Danath, der gerade rechtzeitig kam, um das Ende von Turalyons Aussage zu hören. Seine Rüstung war an einigen Stellen verbeult, und er hatte mehrere Schnitte an Armen, Beinen und im Gesicht. Aber die Verletzungen schienen ihm nichts auszumachen, als er hereingeritten kam und abstieg. Turalyon schlug ihm auf die Schulter, froh, dass sein Stellvertreter überlebt hatte.